Es beginnt mit dem Unternehmer, dann kommen die Kunden — DTA #7

28/05/2020

Kommentar

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Das Design-Thinking-Abendgespräch bekommt immer größere Breitenwirkung – der Virus hat auch seine positiven Effekte. Waren es zu Vor-Corona-Zeit und in Präsenz nur Gäste aus Wien und dem Umland, so fanden sich bei den Online-Treffen alsbald auch Gäste aus dem ferneren West-Niederösterreich und aus Oberösterreich ein. Dieses Mal hatten wir auch Besuch aus Havelland (Nähe Berlin). Die Design-Thinking-Abendgespräche werden zum Treffpunkt der deutschsprachigen Design-Thinking-Szene.

#7: Wir knüpfen kurz ans Ende des sechsten Design-Thinking-Abendgesprächs an und erinnerten uns an die offene Frage: Was hindert uns daran, einen kundenorientieren Prozess zu etablieren? Wie kann es gelingen, das Mindset der Mitarbeiter (der gesamten Organisation) so zu verändern, dass das Zufriedenstellen der Kunden höchste Priorität hat – ohne dabei die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens zu gefährden?

Zwei neue Fragen zu Design-Thinking erweitern die Diskussion

Einer der Teilnehmer fragt nach (Teilnehmer des Abendgesprächs können vorab Fragen einsenden):

  1. Wie kann man den Branding-Prozess mit Design-Thinking verknüpfen und
  2. wie mag man eine Marke mit »kundenorientiertem Mindset« prüfen und optimieren?

Bei näherer Betrachtung hängen diese drei Aspekte zusammen: Kundenorientierung leben, Marke entwickeln und die Organisation laufend an den Kundenbedarf anpassen.

Wenn wir von Marke sprechen, dann müssen wir zunächst definieren was wir darunter verstehen. Es ist nicht das Logo! Das Logo ist nur die Markierung der eigentlichen Markensubstanz und die definiert Marty Neumeier am treffendsten (und nachvollziehbarsten) indem der schreibt: »Eine Marke ist das Bauchgefühl der Menschen über eine Organisation oder ein Produkt*« Er schreibt, »der Menschen«, denn es ist auch das Bauchgefühl der Mitarbeiter, nicht nur jenes der Konsumenten, das beschreibt, was die Organisation ist, wie sie gesehen und erlebt wird.

Es gilt also ein Verhalten zu etablieren, das die Menschen (intern wie extern) ein Bauchgefühl entwickeln lässt, dass dem gewünschten Marken-Image entspricht. Das ist der knifflige Punkt, denn was will das Management und was will der Kunde einer Organisation (der Konsument)? Oft, so besprachen wir, ist man schon zufrieden, wenn es im Markenentwicklungsprozess gelungen ist die inneren Stakeholder zu einen und zu überzeugen. Die Frage, wie der Konsument die Sache sieht, kommt auch heute noch entweder zu spät oder abwehrend bis gar nicht. Warum ist das so?

Man muss zunächst wissen, wer man selbst ist, bevor man überlegt, was die Kunden sind und wollen. Letztlich geht es um Authentizität. Ein »eckiges Unternehmen« darf sich nicht als »rundes Unternehmen« der Öffentlichkeit präsentieren (durch einen entsprechenden optischen Auftritt, das ist der primär sichtbare Teil einer Marke, z.B. das Logo), nur weil die Öffentlichkeit (die Mehrheit, der größere Marktanteil) scheinbar eine Vorliebe für »runde Unternehmen« hat. Diese Sympathisanten werden dann dieses scheinbar »runde Unternehmen« aufsuchen, nur um dann im Verkaufsgespräch oder in der Produktnutzung (die anderen Bestandteile der Marke) zu erleben, dass das Unternehmen »eckig« ist. Man wird enttäuscht sein. Das Unternehmen muss sich also entweder so zeigen, wie es ist, um zu ihm passenden Konsumenten anzuziehen, die dann in ihrer Erwartung befriedigt werden oder man muss sich im Charakter (von »eckig« zu »rund«) verändern (das wird deutlich schwieriger möglich sein, wenn überhaupt).

Man befindet sich in einem Spannungsfeld.

Ein Unternehmen könnte ja am Kunden höchst interessiert sein und Empathie entwickeln und feststellen, »eckig« ist nicht erwünscht, wir müssen »rund« werden, wir wollen dem Kunden dienen und nützlich sein. Dann würde sich doch so ein Unternehmen dem Kunden annähern, »eckig mit abgerundeten Ecken«? Wir meinen, eine Organisation kann sich auch entwickeln und also verändern. Man verläßt die Ausgangsbasis (die ursprüngliche Eigenheit – »eckig«), und gleicht sich charakterlich dem Kunden, dem Zielkunden, an (»rund«).

Die Menschen (die Mitarbeiter) machen die Marke, nicht die Grafik. Wiewohl die Grafik zu einer bestimmten Stimmung annimiert; sie fungiert als Treibstoff, sie inspiriert. Desgleichen die Kommunikation. So wie die Texte eines Unternehmens formuliert sind, so entwickelt sich die Unternehmenshaltung. Die Haltung wird ja aus Erlebnissen gebildet, erklärt uns Gerald Hüther. Mit dieser neuen Haltung verändert sich in Folge auch das Verhalten. Das Mindset der Mitarbeiter kann also durch entsprechende Erlebnisse, denen man die Mitarbeiter und andere Stakeholder aussetzt, modifiziert werden. Der Tourismusverband Havelland e.V. agiert in diesem Sinne. Durch Aussendungen, Workshops und Vorträge werden die »Markenbotschafter« – das sind die im Freizeitangebot involvierten Menschen der Unternehmen und Organisationen – über die Werte und Ziele der Marke »Havelland Stille Deine Sehnsucht« informiert. Durch stetes Informieren – die Schlüsselaktivität – gelingt es ein ähnliches Verhalten bei allen Vertretern der Marke zu erreichen, wodurch wiederum die Kunden eine irgendwie ähnliche Wahrnehmung erleben. Das bildet dann das Bauchgefühl der Menschen. In vielen Fällen stellen wir fest: die Menschen, die mit einer Marke vertraut sind, haben ein ähnliches Bauchgefühl darüber – auch ähnlich zwischen Menschen, die eine Marke mögen und solchen, die sie nicht so mögen, z.B. im heutigen Alltag zu Apple, BMW, Ikea, etc. Ist es gelungen, haben wir ein kollektives Bauchgefühl, d.h. es gibt grosso modo deutliche Übereinstimmung.

Verläßlichkeit formt Marke

Diese angestrebte Übereinstimmung im Bauchgefühl der Menschen, der Mitarbeiter und der Kunden, erreicht man durch Konstanz. Eine Organisation muss verläßlich die definierten Werte erleben lassen. Dazu muss man sie zunächst wissen, sich darüber klar werden. Es beginnt also innen, in der Organisation und man arbeitet sich in der Markenentwicklung nach außen, nähert sich dem Kunden. Die Denkweise der Designer (»Design-Thinking«) ist dieser Vorgangsweise förderlich. Wir erkennen den Nutzen in der Kombination der Manager-Denkweise und der Design-Denkweise (dem Business-Thinking und dem Design-Thinking). Der Unternehmer (der Manager, die Führungskraft) definiert die Richtung, formuliert die Unternehmervision: »da will ich hin!« Dann erfolgt ein Annähern an den Kunden – und auch an die dafür notwendigen Mitarbeiter. Indem man zur Vision passende Mitarbeiter engagiert bildet sich die visionsformende Markensubstanz. Man nutzt also diese Markenwerte, dieses Bauchgefühl, auch für das (heute moderne, das angesagte) Employer-Branding. Durch ein verläßlich konstantes Verhalten der Organisation zieht man die passenden Leute an, die wiederum den Markencharakter stärken – weil sie ja selbst weitgehend diesem Charakter entsprechen. Es ist Aufgabe der Führungskraft diese Übereinstimmung zu erkennen und sicherzustellen. Auf diese Weise ergibt sich ein Flywheel: konsistentes Auftreten der Organisation — zieht passende Mitarbeiter an – führt zu Erlebnissen bei den Konsumenten, die das gewünschte Bauchgefühl entstehen lassen – welches wieder passende Mitarbeiter anzieht – die wieder die passende Erlebnisse ermöglichen — …

Ausgangspunkt: die Unternehmervision

Auch wenn man Design-Thinking im Markenentwicklungsprozess nutzen will, beginnt man mit der singulären Unternehmervision. Dann ergänzt man durch Kundenbedarf. Die Kunden können nicht am Beginn dieses Schwungrads stehen, denn die wissen nicht was sie sich wünschen. Es ist der Unternehmer, der das bestimmt, der das durch aufmerksames Beobachten und Interpretieren festlegt. Der Designer (Design-Thinking) unterstützt ihn dabei. Dann beginnt man mit der Anpassung. Manche nutzen für diese Anpassung das Werkzeug »Persona«. Damit wollen wir uns beim achten Design-Thinking-Abendgespräch ausführlicher beschäftigen. Persona ist nicht Persona. Was das Marketing nutzt und darunter versteht unterscheidet sich deutlich von dem was der Design-Thinking-Anwender (der Designer) meint. Die Gefahr liegt bestimmt darin, dass die Persona (a) ein Wunschkunde ist, geformt nach den eigenen Marketingvorlieben, oder sie ist (b) ein Durchschnittskunde, den es nicht gibt (siehe auch »Umfragen und Co-Creation«).

Ist die Persona nützlich?

Und wenn ja (sie ist nützlich), worauf muss man besonders achten?

Darüber diskutieren wir beim nächsten Design-Thinking-Abendgespräch (#8) – es sei denn, Sie haben andere Fragen.

Übrigens Fragen zu Design-Thinking, Design und Designmanagement können Sie jederzeit hier stellen.

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* Sie wissen es bereits: ein Produkt ist ein Gegenstand, ein Prozess oder eine Dienstleistung.


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