Umfragen und Co-Creation

22/05/2020

Kommentar

Was sagst du dazu?

  1. […] Wenn wir uns aber täuschen lassen und einem Rezept folgen, das angibt mit der Stakeholder-Map zu beginnen und dann die Personas der Nutzer/Kunden zu formulieren, dann haben wir das Konzept von Design-Thinking nicht verstanden. Es ist nicht nur falsch, sondern gefährlich, denn es vermischt eben eine Methode aus dem Marketing mit einer Herangehensweise. Das wäre an sich kein Drama, denn auch das ist typisch für Designer, sie nutzen alle Methoden und Werkzeuge, auch unorthodox oder fragmentarisch, um schnellstmöglich das Projektziel zu erreichen. Doch die Betonung liegt auf unorthodox und fragmentarisch. Während die Berater ja ihren Prozess, ihr Rezept abarbeiten, also ein Werkzeug sicher nicht unvollständig und falsch anwenden wollen. So kommt die Persona in aller Detaillierung in die Gestalterwelt in zwei Ausprägungen: (1) entweder sie ist künstlich formuliert, dann ist es ein Abbild des Persona-Autors und entspricht seiner Wunschvorstellung vom Kunden; oder (2) sie ist statistisch erhoben, also ein Durchschnitt aktueller Kunden. Letzteres ist besonders wertlos, wie uns die USAF vormachte (ich schrieb darüber). […]

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Manche Designer nehmen die Mode mit der Co-Creation zu genau. Sie stellen den Konsumenten Fragen. Das ist wertlos!

Ich bin der befragte Kunde. Ich beantworte diese Fragen irgendwie. Zum Teil, weil ich nicht genau weiß, was die Designer eigentlich wissen wollen, zum Teil weil die Antwortmöglichkeiten nicht genau für mich passen oder weil mir das Texten einer Antwort zu mühsam ist, usw. Ich bin bequem und es interessiert mich eigentlich nicht; nicht im Detail; ich wollte bloß etwas behilflich sein. Fragen nach dem Preis sind sowieso wertlos, die beantworte ich irgendwie, am ehesten so, dass das Produkt nicht teurer sondern billiger wird. Ich kreuze immer einen niedrigeren Wert an als den, den ich wirklich zu zahlen bereit wäre (die Marktforschung weiß das natürlich und korrigiert statistisch).

Und wie wird es ausgewertet, quantitativ, demokratisch?

Was soll das bringen? Das bleibt trotzdem reine Spekulation, nur dass man meint man wüßte es besser, man wüßte es »genau«. Ein Trugschluss. Am Ende sagen die Manager (und Designer), dass sie nichts dafür könnten, wenn die Kunden nun B nachfragen, denn die Marktumfrage hätte A ergeben. Aber die Kunden wissen es nicht besser, können es nicht sagen, haben keine Zeit oder keine Lust oder keine Möglichkeit ihr Verhalten zu reflektieren. Wer beschäftigt sich schon mit Verhaltensökonomie und macht mit sich selbst Experimente? (Naja, der Designer vielleicht, wenn er sich seiner Rolle als Key-Interpreter bewußt wäre.)

Besser

Besser ist es Gespräche mit einzelnen Personen zu führen, sich einzufühlen, Empathie zu entwickeln und dann bewußt zu spekulieren was die Kunden wohl wählen würden. Thesen aufstellen und sogleich überprüfen, mit echten Kunden testen, die Lösung iterativ entwickeln. So sieht das richtiges Design-Thinking vor. Es ist eine der drei Kerneigenschaften: der Mut zu spekulieren und eine Entscheidung zu treffen. In diesem Punkt treffen sich die guten Designer und die echten Entrepreneure.

Es braucht diese Massenumfragen nicht, denn die Kosten-Nutzen-Relation ist denkbar schlecht. Geringe Kosten (schnell ein Google-Formular erstellt und an 1000 Kunden ausgesendet), falsche Ergebnisse; hohe Kosten (die Marktforschung beauftragt), fragwürdige und keinesfalls sicherere Ergebnisse. Die Menschen wissen auch dann nicht, was sie wollen, wenn deren Antworten mit viel Erfahrung ausgewertet werden. Ein statistischer Durchschnitt ist keine Inspiration für eine Produktidee. Es ist nicht der Durchschnitt, der ein Produkt kauft, es ist der einzelne Kunde!

Erinnern Sie sich an die Versuche die Kampfjets der USAF so zu gestalten, dass der Durchschnittspilot gut hineinpasst? Sie sind reihenweise abgestürzt, weil keiner der Kampfpiloten diesem Durchschnittspiloten entsprochen hat. Ein Artikel dazu.

Dazu kommt, dass es meistens auch noch zu viele Fragen sind. Die machen das Ergebnis noch fragwürdiger und falsch.

Es können 3…4 Fragen sein, dann will ich (der Kunde) es hinter mir haben. Will man mehr wissen, höre ich entweder auf oder beantworte irgendwie, also mitunter auch falsch, und damit wieder wertlos.

Hingegen in einem Interview sieht der Interviewer (der gute Designer) die Reaktion, den Gesichtsausdruck. Man erkennt, was der Kunde sagt und wie er es tatsächlich meint. Und man erkennt vielleicht auch, was der Kunde nicht sagt. Alleine nimmt sich kaum jemand Zeit über sein Verhalten tief zu reflektieren, im Interview mitunter schon.

Noch besser

Noch besser ist es zusätzlich zu Einzelgesprächen mit den Kunden auch mit »Menschenexperten« zu diskutieren, mit Personen, die sich mit den Menschen, mit Menschentypen berufsmäßig (also sehr häufig) beschäftigen, mit Anthropologen, Philosophen, mit Schauspielern, auch Therapeuten und Lebensberatern. Diese Experten können reflektierte Eindrücke geben; »informierte Spekulation«, der Situation angepasst. Der Design-Thinking-Tank ist so eine Quelle für Informationen über vermutlich gewünschtes und über wahrscheinliches Verhalten. Die Experten liefern Fakten, Argumente, Interpretationen, sie liefern valide Entscheidungsgrundlagen.

Der Unternehmer wird dadurch nicht befreit von seiner Verantwortung richtig zu entscheiden. Das kann ihm niemand abnehmen. In Kombination mit dem Designer kann er sich diese Entscheidung aber einfacher machen und leichter treffen.

PS:
Gerne bespreche ich das in einem Erstgespräch – Kontaktieren Sie mich für einen Termin!

PPS:
Oder Sie stellen mir eine Frage, die beim Lesen aufgetaucht ist.


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