»Wie man (s)ein Business Model neu denkt« im Rückblick

30/05/2021

Kommentar

Was sagst du dazu?

Ähnliche Beiträge

Am Freitag fand der zweite Teil meiner Informationskampagne zum Business-Model-Canvas statt: der Online-Live-Workshop »Wie man (s)ein Business Model neu denkt.«

So wie beim ersten Teil, der Brainstorming-Diskussion vor fast drei Wochen, entdeckten wir neue Facetten und Vorzüge des Business-Model-Canvas.

Die Einfachheit des Business-Model-Canvas verleitet zum leichtfertigen Verteilen diverser Postit in den einzelnen Feldern. Was uns aber interessierte war die Frage: was bedeutet das für das Alltagsgeschäft.

Die gut vorbereiteten Teilnehmerinnen und Teilnehmer erklärten einander ihr Produkt, die Zielgruppe und das Wertversprechen. Das scheint in den meisten Fällen klar und verständlich zu sein, in Einzelnfällen vielleicht etwas zu komplex. Aber wer kauft warum gerade bei der einen? Das ist die schwierige Frage.

Die Auflösung lautet, Konzentration auf die Lieblingskunden und Herausfinden, welchen unbedingt erwünschten Nutzen man denen liefert.

Die Teilnehmer (wie jeder Unternehmer und Manager sowieso) waren aufgefordert in die Haut ihrer Kunden – des speziellen Lieblingskunden – zu schlüpfen und aus dieser Perspektive und nicht als der Anbieter den Wert zu benennen.

Das erfordert eine andere Sichtweise und die Nutzung der »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking«: Einfühlungsvermögen, Interpretationskompetenz und Entscheidungsmut.

Damit erkennt man in den meisten Fällen einen neuen, anderen Wert und das wiederum lässt das Produkt präziser für dieses Kundensegment optimieren. Der Erfolg ist gewiß, die Differenzierung zum Mitbewerb möglich. Es gilt daraus eine eigene Kategorie entstehen zu lassen und damit unvergleichbar zu werden. Erinnern Sie sich noch an kurz nach der Jahrtausendwende: Aus einem MP3-Player wird ein iPod. Plötzlich gibt es Podcasts – ein neues Genre, dass so nicht gekannt war.

Das Business-Model-Canvas ist ein mächtiges Werkzeug.

Am Milchshake-Beispiel von Clayton Christensen erläuterte ich, dass das Produkt unterschiedliche Wertversprechen und Mitbewerber aus anderen Bereichen haben kann.

Das Business-Model-Canvas erweist sich als mächtiges Werkzeug, wenn man sich im Detail mit den Feldern beschäftigt und danach trachtet Erkenntnis für den Arbeitsalltag herauszuziehen. Einfach als Produkt Milchshake anzugeben und als Zielgruppe Kinder und Erwachsene hilft uns nicht weiter. Jedenfalls zu wenig.

Fragen wir dann – wie es einzelne Berater machen – was das Wertversprechen ist, dann könnte man leichtfertig sagen: süßes, dessertartiges Getränk. Aber Christensen erforschte das weiter, denn es stellte sich heraus, dass die Vorschläge der Focus-Groups nach anderem Geschmack oder anderer Konsistenz, mehr oder weniger Zucker, usw. keine Absatzveränderung brachten.

Mit dem Milchshake-Beispiel lässt sich gut illustrieren, warum die Kundensicht unbedingt einzunehmen ist und wieso es die kleinstmögliche Kundengruppe sein soll.

1. das Produkt (Milchshake) war für Kunden von Kind bis Erwachsene gedacht;

2. man erkannte den spezifischen Kunden: Autofahrer am Weg zu Arbeit, hungrig);

3. wird sich so des Wertversprechens (aus Kundensicht) bewußt: sättigend, nicht patzend, cup-holder kompatibel;

4. kann das Produkt und den Service verbessern: Fruchtstücke, dünnerer Strohhalm für längeren Genuß, Drive-Tru-Spur, Pre-paid-Karte;

5. und erkennt neue spezifischen Zielgruppen, für die das Wertversprechen bei gleichem Produkt anders lautet: Eltern, die nett zu ihren Kindern sein wollen.

Zwei Felder, zwei Beispiele

Im Workshop konzentrierten wir uns zunächst auf nur zwei Felder, auf Wertversprechen/Produkt und Kundensegment, des Business-Model-Canvas.

Zum Beispiel stellte Unternehmensentwicklerin Brigitte Kandler ihr Geschäftsmodell vorbildlich so vor: ihr Produkt ist die Unternehmensentwicklung; die Kunden sind Klein- und Mittelunternehmen, auch Ein-Personen-Unternehmen, alle mit klar definierten Eigenschaften. Das erlaubte ihr, sich besser in die Sichtweise dieser Kunden einzufühlen. Damit wiederum definierte sie die vermutlichen Werte, die es in Folge in Gesprächen (keine Befragung) abzuprüfen gilt. Als Wert für diese Kundengruppe erkennt sie Mitarbeiterzufriedenheit, erhöhte Leistungsfähigkeit, gestiegene Wettbewerbsfähigkeit und somit Einkommenssicherheit. Es ist ein Weg zu – auch darüber schrieb ich schon öfters – einem robusteren Unternehmen.

Wenn Sie wissen wollen, wie sie das genau macht, dann rate ich zu einem Gespräch. Denn auch dafür liefert das Business-Model-Canvas Antworten: die Schlüsselaktivitäten sind es, mit denen sie ihre Leistung erbringt. Wenn man sich, wie Brigitte, tiefer mit dem Business-Model-Canvas beschäftigt und sich fragt, was bringt mir die Antwort an das Canvas (das aufgeklebte Postit) im Alltagsgeschäft, findet man in sich die entscheidenden Hinweise für eine effektive Marktbearbeitung.

Dass dabei die externe Sicht nützlich ist, demonstrierte Matthias. Der meinte, sein Produkt sind die Gebäudebündelversicherungen für seine Kunden, die Hausverwaltungen, Hauseigentümer und Genossenschaften, und sein Wertversprechen wäre geringe Kosten bei marktüblicher Deckung. In der Diskussion war schnell erkennbar, dass das keine ausreichenden Alleinstellungsmerkmale entwickeln hilft. Das Unternehmen bleibt austauschbar. Dennoch wechseln manche seiner Kunden kaum zum Mitbewerb. Warum wohl? Weil Matthias offenbar besondere Leistungen liefert, die diese spezielle Kundengruppe sehr schätzt. Das ist das wahre Wertversprechen, das zunächst herauszufinden und dann auch auszusprechen ist. So kommt man zu den passenden Kunden.

Fazit

Am Ende war allen klar, die strategische Arbeit mit dem Business-Model-Canvas ist ein rekursiver Vorgang. In diesem Fall eine Pendelbewegung zwischen den beiden Feldern, die dazu führt, die zu erfüllenden Besonderheiten für eine bestimmte Zielgruppe einerseits und das Diversifikationspotential andererseits zu entdecken. Mit dem ersteren lässt sich mit dem bestehenden Produkt mehr Wertschöpfung erzielen, weil es für diese Kundengruppe optimiert werden kann, mit dem Wissen um zweiteres lassen sich neue Kundensegmente gezielt ansprechen und ausbauen. Auch dafür gibt es ein berühmtes Beispiel: Arm & Hammer Backpulver. Darüber erzähle ich im nächsten Workshop und voraussichtlich im zweiten Band der Entrepreneurship-Serie (der erste Band ist dieser).

Weil auch dieser Workshop, genau wie Brainstorming-Diskussion überbucht war und nicht alle Interessenten daran teilnehmen konnten, werden wir diese Veranstaltung wiederholen. Der nächste Termin steht auch schon fest. Wer sich ein wenig tiefer mit dem Werkzeug beschäftigen will, der kann sich bereits anmelden.

Wer deutlich intensiver einsteigen will, der bucht den kostenlosen Business-Model-QuickCheck (Termine laufend verfügbar).