Gelingt Innovation im Inhouse-Wettbewerb?

30/11/2021

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Kürzlich werde ich gefragt, was ich von Ideen-Wettbewerben unter Mitarbeitern halte. Ist das eine geeignete Form, um Innovationen im Unternehmen zu schaffen?

Meine spontane Antwort lautete: Nein! — so ein Wettbewerb ist ein Schuss ins Knie.

Eine wenig überraschende Antwort vom Innovations-Workshop-Anbieter, aber ich will das begründen, damit ich mir selbst über diese Antwort sicher bin. Jedenfalls scheitern solche zeitlich begrenzte oder auf einen Zeitpunkt zugespitzte Wettbewerbe im Regelfall.

Interne Ideen-Wettbewerbe sind ein Schuss ins Knie

Sie sind es vielleicht nur tendenziell, weil man kann auch Glück haben, aber Wettbewerbe richten mehr Schaden an als Nutzen zu erwarten ist.

Ein Wettbewerb erzeugt zunächst ... eben ... W e t t b e w e r b. Wettbewerb ist im heutigen Verständnis des Wortes das Gegenteil von Kooperation.

Wettbewerb ist ein Wetteifern um die beste Leistung, ein Kampf um die bessere Leistung; Synonyme für Wettbewerb sind Wettstreit, Konkurenzkampf, Verdrängungskampf, Rivalität. Wörter, die kein fröhliches Betriebsklima erwarten lassen. Heute ist es keine freundliche, sich gegenseitig unterstützende »concurrentia« mehr.

Einen Wettbewerb will man gewinnen, also wird man jeden Vorteil nutzen, um zu gewinnen. Demnach wird man eher nicht beim Kollegen (oder bei den Kollegen) nachfragen oder mit ihnen Wissen teilen. Würde man anderen helfen, wenn man selbst mit diesem Wissen gewinnen könnte? Man würde höchstens ein Sub-Team bilden und versuchen gemeinsam die Sub-Teams der Kollegen zu übertrumpfen.

Ein Wettbewerb fordert die Mitarbeiter heraus, sich anzustrengen. Um zu gewinnen, muss die eigene Idee bestmöglich dargestellt werden. Wie kann das gelingen? Sind die Mitarbeiter trainiert darauf sich selbst zu organisieren und Ideen zur Reife zu bringen? Können sie diese Ideen dann auf eine Weise darstellen, dass die Geschäftsleitung das Potential rasch erkennt? Rasch müssen sie es erkennen können, weil ja – zunächst – davon auszugehen ist, dass viele Ideen eingereicht werden und daher wenig Zeit für die Diskussion der einzelnen Ideen verfügbar ist – 2 Minuten für 2 Millionen.

Apropos Zeit – wann sollen denn diese Ideen notiert und ausgearbeitet werden, während der Arbeitszeit oder danach? Soll es zusätzlich zum Tagesgeschehen oder stattdessen passieren, also bekommt der Mitarbeiter mehrere halbe Tage Zeit, um seine Idee auszuarbeiten?

Was wird denn dann mit meiner Idee passieren, könnten sich einige Mitarbeiter fragen. Wird das Unternehmen mit meiner Idee reicher und ich habe nichts davon? Wie sieht mein Preis aus? Will die Organisation meine Genialität, mein Wissen einfach so abfragen, mich ausquetschen?

Andererseits gibt es Mitarbeiter, die gute Einfälle haben und auch wissen, wie sie diese umsetzen könnten. Solche Ideen sind gesucht. Aber ist das auch die Absicht des Ideenwettbewerbs?

KVP oder neues Geschäftsfeld?

Wir unterscheiden zwischen KVP, dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (auch KaiZen) und die Suche nach einem neuen Geschäftsfeld. Das sind gravierende Unterschiede in der Zielsetzung und in beiden Fällen ist kein Wettbewerb notwendig.

Beim KVP wäre es schon großartig, würde man es zulassen und dann auch (regelmäßig) die Leistungen der Mitarbeiter würdigen, wenn diese in einer entsprechenden Situation eine Verbesserung in ihren Arbeitsabläufen entwickelten. Man würde loben, wenn es auch dokumentiert wurde, sodass die gesamte Organisation davon profitieren kann. Das ist kein zeitlich begrenzter Wettbewerb, das ist – der Name sagt es – ein kontinuierlicher Prozess. Zu jeder Zeit kann an jeder Stelle ein Mitarbeiter eine Maßnahme setzen, die das Arbeiten verbessert, die Produktivität erhöht. Besser heißt einfacher, bequemer, schneller, billiger, etc. (mehr zu »besser« findet sich auch in »6 Sätze über Design — Satz 2: Designen verbessert das Leben der Menschen«).

KVP ist also kein Ideen-Wettbewerb, aber das neue Geschäftsfeld?

Beim neuen Geschäftsfeld scheitern die Mitarbeiter tendenziell, weil den meisten das dafür notwendige Hintergrundwissen fehlt.

Was ist denn die Strategie der Organisation, wie sieht das Marktumfeld konkret aus, wie fügt sich dieses neue Angebot dort ein, welchen Bedarf deckt es, welche Kosten verursacht es, etc.? Managern werden immer wieder »gute Ideen« vorgelegt, die sie entweder schon in Betracht gezogen haben, weil sie auf der Hand liegen (E-Tankstellen, Handy-bezahlen), oder die zu vage sind als dass sie beurteilt werden können. Dann klagt man über die fehlenden Use-Cases und vor allem den fehlenden Business-Case.

Aber das ist nicht Aufgabe des durchschnittlichen Mitarbeiters, das ist Strategiearbeit, Aufgabe der Führungskräfte und letztlich der Geschäftsleitung.

Für einen Wettbewerb muss das alles vorbereitet und klar (einfach) kommuniziert werden. Ein nicht zu unterschätzender Aufwand.

Dann muss man den Mitarbeitern auch die Chance geben sich zu organisieren. Zuerst braucht es ausreichend Zeit, aber dann auch Methodenwissen, wie man eine Idee entwickelt, wie man sie darstellt, sodass man gewinnen könnte. Man muss testen, Umfragen durchführen, Fakten sammeln. Soll das in der Freizeit passieren?

Zunächst begeisterte Mitarbeiter werden alsbald in die Mühen des Idee-konkretisierens kommen und dann ihr Interesse verlieren. Insbesondere dann, wenn sie ihre Freizeit dafür opfern sollen. Schließlich müssen sie prüfen, ob ihre Idee tatsächlich einzigartig ist, dass sie wirksam ist und auch vom Markt (den Kunden) gewünscht (also potentiell angenommen) wird. Es kann passieren, dass sie die Bedeutung ihrer Idee überschätzen.

Enttäuschung möglich

Nehmen wir an, all diese Maßnahmen wurden überwunden, Mitarbeiter sind hoch motiviert, entwickeln in ihrer Freizeit Lösungen und stellen die in schnell erfassbaren Präsentationen vor. Die Mitarbeiter haben die Strategie des Unternehmens verstanden, den Business-Case in Excel ausgerechnet, den Ablauf im Unternehmen, die notwendigen Anpassungen in der Produktion überlegt und bewertet und all das in der Zeit, die sie nicht für die Tagesarbeit benötigten, vielleicht sogar am Wochenende.

Nehmen wir weiters an, dass alle 50, 70, 90 Mitarbeiter (oder mehr?) mitgemacht haben, also eine entsprechende Anzahl von Ideen vorliegen.

Wir gehen davon aus, dass die Geschäftsleitung ihrerseits ein (weiteres) Wochenende opfert, um sich intensiv mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen, diese aus strategischer, kaufmännischer und markttauglicher Sicht bewerten und dann wohlgeformte, die Mitarbeiter würdigende Begründungen formulieren, warum eine Idee ausgewählt, eine andere verworfen, eine dritte für später aufgehoben wird.

Das war dann bereits viel Arbeit für eine verfolgungswürdig erscheinende Idee, die darin mündet, dass ein Mitarbeiter (oder ein Team) den Wettbewerb gewinnt. Was haben die anderen? 

Dank der Geschäftsleitung.

Vielleicht auch ein gemeinsames Fest.

Aber vor allem einen bitteren Nachgeschmack, dass sich all der Einsatz (zwar nur knapp) aber dann doch nicht gelohnt hat. Im günstigen Fall hofft man, dass man sich in eine günstige Position bringen konnte, sichtbar wurde vor der Geschäftsleitung, Bonus-Punkte sammelte. Aber der Mitbewerber, der Kollege schaffte das wohl auch. Wird es reichen, um bei der nächsten Lohnrunde besser auszusteigen oder den begehrten Aufstiegsposten zu erhalten? Im ungünstigen Fall fühlt sich ein Mitarbeiter durch eine Ablehnung zurückgesetzt. Das Betriebsklima ist an dieser Stelle bereits ein wenig vergiftet.

Jene, deren Idee ausgewählt wurde, haben es aber auch nicht leichter. Sie werden nun stutzig, wenn sie in die Umsetzung nicht detailiert eingebunden sind. Man müsste nun ein neues Berichtswesen etablieren und laufend über den Fortschritt (die Entwicklung) der Idee informieren oder die Sieges-Mitarbeiter vom angestammten Bereich (in dem man sie braucht) abziehen und in den neuen Bereich (die Idee) einsetzen. Beides erscheint mir wenig verlockend.

Der Sieger muss geduldig sein. Ideen können oft nicht so schnell umgesetzt werden, wie es dem Ideengeber erscheint. Aber nach einem Jahr wird man sich nicht mehr so begeistern dafür, da müsste man schon ein Freak sein, also wirklich beseelt von der Idee. Wäre man das, so hätte man sie schon längst vorangetrieben. Fazit aus Mitarbeitersicht: da hat die GL wieder etwas vom Zaun gebrochen, aber es ist im Sand verlaufen; beim nächsten Wettbewerb mach ich nicht mehr mit.

Klüger ist es als Team zu arbeiten

Eine günstigere Vorgangsweise ist die des Innovations-Jams (ein Element meines Leuchtturm-Workshops). Das fördert Teamverständnis und Gemeinschaft. So ein Workshop gibt Klarheit und Orientierung. Es ist eine bewährte Vorgangsweise des gemeinsamen Arbeitens, um Ideen zu generieren und ihre Reifung zu starten.

So ein Ein- oder Zwei-Tages-Workshop fördert die Innovationsfreude, es entsteht Team-Stimmung, ein gemeinsam-an-einem-Ziel-arbeiten, in eine gemeinsam erarbeitete Richtung — in die Richtung des (im Workshop gefundenen) Leuchtturms.

Im Innovations-Jam bringen wir Ideen der Mitarbeiter in mehreren Iterationen zur Reife. In dem angeleiteten Workshop sind die Teilnehmer nicht auf sich gestellt beim Organisieren der Gedanken und kanalisieren der Ideen, sondern werden vom Facilitator angeleitet.

Die Mitarbeiter arbeiten im kontrollierten Umfeld gemeinsam an einem Thema. Die Teilnehmer (auch unterschiedlicher Teams) unterstützen sich gegenseitig und sehen sich nicht im Wettbewerb (weil ich es so anlege). Vielmehr will jeder mit Freude, mit Spaß an der Sache teilnehmen und etwas ausprobieren, gemeinsam, gegenseitig auch nutzend — d.h. erscheint eine Idee eines Teams als interessante Ergänzung, dann wird die eingebaut, meist deutlich modifiziert. Es ist ein Jam, ein arbeiten als Work, nicht als Labour, für Erkenntnis und Freude. Im Plenum berichtet man einander über die Fortschritte, lässt Lösungsansätze ausprobieren und ermöglicht so den anderen Teams Beiträge (Ideen) beizusteuern. Am Ergebnis kann ein Projekt andocken; mehrere auf diese Weise konkretisierten Ideen (Ergebnisse) können kombiniert werden; etc.

Der Nachteil dieser Vorgangsweise ist, dass man in den seltensten Fällen einer einzelnen Person allein eine Idee zuschreiben kann. Man kann zwar Rädelsführer erkennen, aber jedem ist klar, das Ergebnis hätte keiner allein geschafft – höchstens wenn jemand ein Einser-Team bildet und selbst da wird man dem Plenum (das gibt ja nach jeder Iteration Feedback) eine gewisse Mitarbeit zuschreiben müssen. Die Organisation (Firma, Abteilung, Task-Force, etc.) arbeitet als Kollektiv. Alle sind involviert, jeder erhält seine Chance sich einzubringen, Man erkennt gemeinsam Zusammenhänge einzelner Ideen und der Strategie. Die Ergebnisse sind tatsächlich, und auch gefühlt, Gemeinschaftsergebnisse. Im Plenum legt man (gemeinsam) die nächsten konkreten Schritte fest.

Die Urheberschaft ist bei so einem Innovations-Jam jedem klar: es passiert in der Arbeitszeit, es ist gemeinsames Arbeiten, ein Team-Ergebnis, daher ein Firmen-Ergebnis. Die Urheberschaft ist das Kollektiv, die Organisation.

Freilich gilt am Ende auch hier: klare Kommunikation über die weiteren Schritte. Will man die Ergebnisse umsetzen, wie und mit welchem Zeithorizont? Aber selbst wenn nun keines der Projekte realisiert wird, hat man einen Gewinn daraus gezogen. Man kann stolz sein auf die gemeinsam geschaffenen Ergebnisse, auf die gute Zusammenarbeit, alle haben eine Vorgangsweise der Ideen-Entwicklung erfahren und eine gute Zeit gemeinsam verbracht, haben sich gegenseitig besser kennengelernt. Das Team ist nun kompakter.


Wann immer Du bereit bist, ... hier sind vier Möglichkeiten wie ich dich unterstützen kann:

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