Der Designmanager ist ein Schutzschild

29/11/2020

Kommentar

Was sagst du dazu?

Ähnliche Beiträge

Jedes Designprojekt ist anders. Selbst innerhalb einer Produkt-Gattung variiert der Designablauf; die Rahmenbedingungen sind anders, die Vorgaben neu, die Umständen, das Material, die Zielgruppe. Ein Designer ist daher täglich mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Das ist das spannende an unserem Beruf. Es ist sehr abwechslungsreich und erfordert enorme Wendigkeit. Nicht nur innerhalb eines abgesteckten Feldes (die Ausübung der eigentlichen Tätigkeit), sondern auch in Bezug auf den Gestaltungsgegenstand; ein Tisch, die Registrierung einer Konferenz, ein Blutreinigungsgerät, ein Anmeldeformular, eine Bedienoberfläche, eine SB-Banking-Maschine, die Website eines Reifenherstellers, der Beratungsprozess im Küchenstudio – alles unterschiedlich zu bearbeitende Gestaltungsaufgaben. Selbst wenn man nur den Designablauf bei Tischen ansehen würde, würde man nicht den einzig gültigen und immer gleichen Ablauf dafür festlegen können. Der Ablauf für einen Schreibtisch und einen Küchentisch wären zwar ähnlich, aber nicht ident.

Genau das macht uns unsere Arbeit interessant.

Und es ist auch die Quelle der Frustration.

Ohne Trott, ohne Routine ist es laufend Abenteuer – mit einem bestimmten Grad an Ungewissheit. Daher wünschen sich auch die Designer nichts sehnlicher als einen garantiert funktionierenden Prozess. Das würde Vorhersagen zulassen, etwas mehr Sicherheit geben, Spannung (und Frustration) abbauen. Eine Checkliste abzuarbeiten, einem Ritual zu folgen, beruhigt unheimlich.

Design-Thinking vs. Management-Thinking

Zwei Welten treffen aufeinander: Manager und Designer. Shelley Carson fand das für uns heraus (siehe amüsante Interpretation von Wolf Lotter). Da gibt es eine Sorte Menschen, die sich sehr gut konzentrieren kann, sehr fokussiert arbeitet und eine andere Sorte Menschen, die leicht ablenkbar ist und sehr gut unterschiedliche Wissensgebiet vernetzt.

Freilich sind es nicht nur zwei Typen, die nur in Reinform auftreten, vielmehr sind das die beiden Pole eines Kontinuums. Wir alle befinden uns (vermutlich auch in unterschiedlichen Situationen) an unterschiedlichen Stellen auf dieser Verbindungslinie (siehe die Illustration).

Die Fokussierten bringen die Konzepte auf den Boden; gnadenlos und zielstrebig setzen sie den einmal gefassten Plan um, lassen sich nicht ablenken und erschaffen damit gut funktionierende, erfolgreiche, Strukturen.

Die Vernetzenden, »die Kreativen«, lassen sich ablenken und entdecken auf diese Weise neue Kombinationen, sie ... vernetzen. Sie verknüpfen Wissensgebiete, die die Experten dieser Wissensgebiete niemals miteinander in Verbindung gebracht hätten. Sie vermischen die Österreichische Schule der Nationalökonomie mit der Gestaltung von Dienstleistungen in der Gastronomie und die Malerei mit Orientierungssystemen im öffentlichen Verkehr. Sie nutzen diese anderen Bereiche als Inspirationsquelle zur Lösung akuter Probleme im Lebensalltag der Menschen. Es sind Trittbretter, mit denen sie diese neue Lösungen entdecken. Genaugenommen stupsen sie diese Lösungen häufig nur an. Sie bringen es nicht immer (vielleicht sogar nur selten) zum Ende. Denn kaum ist das eine Problem ansatzweise gelöst, entdecken sie eine neue Lösung für ein anderes Problem. Da entsteht der Geruch von Chaos. Das ist auch der Moment an dem man sich sehnlichst einen Prozess wünscht — der Manager und auch der Designer.

Designer denken anders als Manager

Weil Manager Prozesse lieben – und Designer sich insgeheim danach sehnen – haben findige US-Kollegen einen Musterprozess für Design dargestellt (und sehr gut vermarktet). Damit lässt sich die chaotisch erscheinende Vorgangsweise besser erklären. Doch ist es nur ein Prozess, ein Beispiel, es ist nicht der Prozess. Diese Kollegen erkannten, dass es die Art des Denkens ist, die den Unterschied zwischen Manager und Designer macht. Diese Art ist nicht besser, sie ist bloß anders. Dieses anders Denken ist der eigentliche Nutzen, den Designer den Managern liefern. Sie nannten es »Design-Thinking«, eine andere Form des Denkens, ich nenne es designdenkend handeln.

Doch der große Erfolg liegt nicht in der anderen Denkweise der Designer allein (die ist ja nicht besser, bloß anders). Der Erfolg liegt in der Kombination beider Denkweisen; gemeinsam sind sie ein Innovationsturbo! (Erinnern Sie sich an Steve Jobs + Jonathan Ive.)

In Workshops erlebe ich immer wieder, dass heterogene Teams aus Managern und Designern, aus Mitgliedern der klassischen Wirtschaft und aus den Creative Industries, schneller und qualitativ besser vorankommen als homogene Teams. Sowohl nur Designer als auch nur Manager (mit Unternehmensberatern) stagnieren.

Eine willkommen Regel für »richtiges Vorgehen«:
Design-Thinking als Prozess

Weil man gerne Rezepten folgt, weil Vorhersehbarkeit magnetisch wirkt, hält man Ausschau nach einem »Zauberprozess«, der einem Innovation garantiert. Die Beraterszene ist da sehr kreativ, wenn es darum geht, diese Sehnsüchte des Managements zu bedienen. Es gibt zig Prozessnamen, die als Innovationswunderwerkzeug dargestellt werden, die letztlich aber auch nur einen Rahmen für »echte Arbeit«, Engagement und Glück bilden: z.B. Brainstorming, TRIZ, LeadUser, und eben auch Design-Thinking. 

Es ist niemals bloß ein Rezept, eine Checkliste, die man einfach abarbeitet, auch nicht. Design-Thinking ist eine Denkweise, eine vernetzende Denkweise. Richtiges Design-Thinking erscheint von außen chaotisch. Die vernetzende Tätigkeit erzwingt Sprunghaftigkeit und dadurch erscheint die Arbeit des Designers häufig chaotisch. Aber selbst wenn es dem Management chaotisch, ungeordnet, ziellos erscheint – phasenweise auch so ist – streben Designer immer schnellstmöglich ein Ziel an: ein ideales Ergebnis. 

Die Sprunghaftigkeit ist synthetisieren; es ist das Kombinieren von Vorhandenem auf unorthodoxe Weise, sodass Neues entstehen kann, eine Variante der Abduktion (oft ohne dass es die Designer selbst wissen).

Design scheint chaotisch – Management verlangt Struktur

Die Denkweise der Designer ist dem Designmanager vertraut. Meist ist er selbst eine Person aus der Mitte des oben angesprochenen Kontinuums; ein Designer, der beinahe Manager wurde (und Wirtschaft studieren wollte) oder ein Manager, der beinahe an die Kunsthochschule gehen wollte/konnte. Jedenfall ein Mensch aus einem der beiden Felder, der hohe Affinität zum jeweils anderen hat.

Dem Designmanager gelingt es die Designarbeit aus Managementsicht und in Managementsprache zu erläutern. Er stellt – unter Hinweis auf diese Vereinfachung – den zwangsläufig chaotische ablaufenden Designprozess als geradlinigen Ablauf dar. So zeigt sich schließlich jeder Designprozess im Nachhinein, in der Rückschau, auch den Designern selbst. Der Designmanager vereinfacht die chaotisch wirkenden Vorgänge zu stringenten Prozessen und garantiert dem Management termintreue Ergebnisse und Struktur. Eine mechanistische Sicht auf diesen volatilen Prozess beruhigt.

Damit schützt er sein Team vor »erdrückend« administrativer Struktur, drängt sie ihm nicht auf, erkennt Methoden, mit denen er die Forderungen des Managments erfüllen kann, ohne dass dadurch sein Team eingeengt und eingeschränkt wird. Er schnappt die wild umherpeitschenden Fäden des Entwurfsprozesses auf, die richtigen, die erfolgversprechenden, und kombiniert sie, lockt das Design-Team auf die richtige Spur, behält das große Ganze im Blick und leitet sie auf diese Weise, wie ein Kutscher seine wilden Pferde, ans Ziel.

Durch den Designmanager wird dem Management verständlich, was wann passiert ist und passieren wird. Der Designmanager informiert (und beruhigt damit) das Management, das diese Denkweise nicht versteht; sie denken ja anders. Er übersetzt dieses Knäuel der echten Designarbeit in eine nachvollziehbare Form, in eine Art Prozess, und kann dann beschreiben, wie ein Fortschritt erfolgt und diesen auch darstellen. Eine permanente Arbeit, die mitunter während des Projekts mehrmals neu gemacht werden muss, weil geänderte Rahmenbedingungen eine neue Vorgangsweise verlangen.

Der Design-Prozess wird dadurch dem Management klarer, wird geklärt, geordnet dargestellt und ist somit von außerhalb des Design-Teams nachvollziehbar. Der Designmanager übersetzt das Knäuel des Design-Thinkings in eine dem Management zugängliche Form.

Der geübte Designer (und auch der Künstler) erlauben sich die Unsicherheit im Knäuel, sind gnädig mit sich, weil sie darauf vertrauen können (ihre Erfahrung zeigt es ihnen), dass sie zum rechten Zeitpunkt ein gutes Ergebnis vorweisen werden können. Für die anderen ist die mechanistische Darstellung, eine lineare Abfolge der aktuell laufenden Arbeit beruhigender.

Abschweifung zum Knäuel? Erst wenn der Designer erkannt hat, dass es immer eine Phase der Unsicherheit – und damit Frustration – gibt, die aber immer überwunden wird, erst dann akzeptiert er sie. Es ist der Moment in dem er sich mitten in diesem Knäuel befindet. Es hat mich lange beschäftigt, wie man diese Unsicherheit ausschalten kann. Viele Versuche straffe Projektpläne zu erstellen, Methoden zu fixieren, eine Vorgangsweise, einen Prozess zu definieren, scheiterten, weil die Natur des Design-Thinking es nicht erlaubt. Man muss akzeptieren, dass es zeitweilig unsicher ist – d.h. dass es zeitweilig unsicher aussieht. Es ist nicht unsicher, denn wir finden immer eine Lösung – wir Menschen. Und insbesondere wir Designer. Der lineare Ablauf wird sichtber, wenn wir im Rückblick zusammefassen, was wir gemacht haben, in der Dokumentation. Dann kann man in die Falle tappen und glauben, das ist der Prozess, so könnte man es wiederholen. Das ist der Irrtum, es erscheint nur als wiederholbarer Prozess.

FAZIT — der Designmanager kennt beide Welten und verbindet sie.

Der Designmanager promotet die Vorteile dieser anderen Denkweise. Er ermöglicht die notwendige Stimmung, die die Gedanken des Design-Teams zu den Höhenflügen anregt, die das Management wünscht. Er schafft eine stressfreie Umgebung. 

Warum haben viele Menschen die besten Ideen unter der Dusche? Weil da (zu diesem Zeitpunkt am Morgen) der Geist entspannt ist. Analog nützt es auch den Designern, wenn der Druck (zunächst) nicht gefühlt wird. 

Der Designmanager behält den Zeitplan im Auge und steuert den Druck so, dass zur rechten Zeit das Ergebnis vorliegt. Selbstverständlich bleiben die Designer nicht im Ungewissen, natürlich ist auch das Design-Team über den Zeitablauf informiert.

Der Designmanager fungiert als Brücke des Design-Teams zum Management; er übersetzt den chaotisch erscheinenden Designprozesses in den erwarteten mechanistischen Prozess der Managementwelt, entflechtet damit das Knäuel und macht die Denkweise der Designer im Unternehmen wirksam.

Design ist eine Querschnittsdisziplin, die allen Abteilungen nutzt.


Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, dann fragen Sie mich. Wollen Sie darüber einen Gedankenaustausch führen, buchen Sie ein kostenloses Erstgespräch hier.