Das BMC als Dock (6): Design-Thinking

07/12/2022

Kommentar

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Wenn ich Unternehmer frage, was ihr Wertversprechen ist, dann sehe ich meist in fragende Gesichter. Gelegentlich kann jemand darauf antworten, aber diese Antwort ist dann abstrakt und kann ohne Kontext kaum gedeutet werden. 

Was ist es wirklich, das jemand anbietet, wenn er sagt, sein Wertversprechen sei »der Transport eines Menschen von A nach B«?

Ist es ein Auto- oder ein Pferdehändler (wir denken an Henry Ford)? Es könnte ein Taxiunternehmer sein, eine Eisenbahngesellschaft, ein Fahrrad-Hersteller, ein Schifffahrtsunternehmen, Elon Musk. Wenn wir vom sicheren Transport sprechen, dann vielleicht ein Limousinen-Service oder Volvo.

Wenn ich aber frage, »Was ist dein Produkt?«, dann erhalte ich konkrete Auskunft: Ich verkaufe Autos, handle mit Pferden, führe Taxifahrten durch, betreibe eine Eisenbahngesellschaft, produziere Fahrräder oder Raketen für einen Marsflug.

Im Buch »9 Schritte zum besseren Business Model« schlage ich vor, dass wir zuerst vom Produkt sprechen und erst danach das Wertversprechen formulieren. In der Fortsetzung davon, im »3-Sprung zum besseren Produkt«, gehe ich ausführlich darauf ein. Wenn wir das Produkt benennen, dann können wir klar (jedenfalls klarer) sagen, wer unsere Käufer sind. Wenn ich dann diese Käufer befrage, warum sie mein Produkt kaufen, dann erfahren ich den Wert, den diedarin sehen. Dieser Wert ist es, den ich versprechen muss.

Warum schreibe (wiederhole) ich das hier? Weil damit sichtbar wird, diese Vorgangsweise ähnelt der Herangehensweise der Designer, dem Design-Thinking (wie es Patrick Whitney uns hervorragend zeigte), und wie der Designer zur Innovation inspiriert.

Der einfache und der schwierigere Weg

Wenn wir ein neues Produkt entwickeln wollen, dann gehen wir nicht den einfachen, direkten Weg – nicht wenn es eine Innovation, etwas radikal Neues werden soll, sondern wir gehen den schwierigeren Weg, den Umweg über die Abstraktion.

Henry Ford nenne ich oben, weil der uns ja gesagt hat, hätte er die Menschen gefragt, was sie wollten, dann hätte sie geantwortet »ein schnelleres Pferd«. P1, das aktuelle Produkt, ein Pferd, führt am einfachen Weg zu P2, zum schnelleren Pferd. Etwas anderes kennen die Kunden (noch) nicht und können es daher auch nicht benennen. Aber was ist die Abstraktion des Produkts Pferd?

Das Wertversprechen lautet »Transport von A nach B« – und das ist die Schwäche dieses Begriffs »Wertversprechen«, wenn ich nicht Design-Thinking anwende, denn es ist ... eben abstrakt, bedarf der Interpretation. Mit den »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking« gelingt es uns durch Beobachtung, Befragung, Selbstversuch zu ahnen, dass es etwas mehr ist, als bloß »Transport« (wobei auch das eine praktikable Abstraktion in diesem Fall wäre). In Fords Fall hätte ich die Abstraktion des Pferds für den Einzelnen besonders breit als »Individuelle Mobilität« bezeichnet. Das ist das echte Wertversprechen.

Gehe ich nun weiter nach Whitneys Design-Thinking-Modell vor, so würde ich auf der abstrakten Ebene aus der linken Hälfte der Analyse in die rechte Hälfte der Kreation wechseln: Welche Optionen fallen mir ein um diese »Individuelle Mobilität« zu ermöglichen?

Jetzt kommen die Ideen zuhauf; statt Pferd sind es (die oben erwähnten) Alternativen: Auto, Fahrrad, Roller, Kanu, Bahn, zu Fuß, ein schnelleres Pferd, Flugzeug, Raketen, dieser Tage auch Rodeln, Langlaufschi und Schlittschuhe in Skandinavien, Alpinschi in Österreich, im Sommer Rollschuhe oder Roller-Skates, Segway und diese neuen Einräder (MonoWheels ... unglaublich), etc. Ein Brainstorming-Feuerwerk erscheint aus dieser Abstraktion möglich (siehe auch Circle-Brainstorming).

Erst jetzt – nach dem »Umweg« über die Abstraktion – entwickle ich aus den Optionen mein Produkt P2 – die Innovation, die den gewünschten Wert auf andere Weise liefert.

Ok, aber wo docke ich damit am Business-Model-Canvas an?

Während ich beim Design-Thinking-Modell unten das alte und das neue Produkt und oben die Abstraktionen davon darstellen, teile ich im Business-Model-Canvas, im Feld »Wertversprechen/Produkt«, diese beiden Begriffe horizontal.

Die Abstraktion ist gewissermaßen der Wert, den das Produkt meinen Kunden liefert. Eine Vorstellung des Wertes, den mein Produkt liefert, den ich zu liefern versprechen muss, sohin das Wertversprechen. 

Also drehe ich das Design-Thinking-Modell um 90 Grad nach links und erhalte dann rechts das aktuelle Produkt und links davon die Abstraktion.

Ich gehe nun von Analyse (jetzt unten) zur Kreation (jetzt oben), notiere dort meine Ideen, wie ich dieses Wertversprechen erfüllen könnte, welche Optionen ich anbieten könnte.

Warum aber jetzt im Business-Model-Canvas, so machten wir es doch die ganze Zeit im Design-Thinking?

Weil das BMC auch hier wieder ideale Andockmöglichkeit bietet, denn welche der Optionen sollte oder könnte ich denn umsetzen?

Das erscheint nun einfach, denn links vom Feld »Wertversprechen/Produkt« befindet sich die Backstage, also eine Übersicht der mir zur Verfügung stehenden Mittel und Kontakte und auch ein Hinweis auf den leistbaren Verlust. Leser dieser Serie verstehen den Hinweis, hier verküpft sich Design-Thinking über das BMC mit Effectuation (»Das BMC als Dock (4)«)

Nun kann ich erkennen, welche der Optionen ich wie umsetzen kann, welche Innovation – das neue Produkt P2 (jetzt oben, rechts) – ich anbieten könnte.

Gleichzeitig werde ich dieses neue Angebot mit den Informationen rechts, der Frontstage prüfen: wie würde ich das neue Produkt anbieten, wie darüber kommunizieren, wer wären die Käufer und wieviel würden die bereit sein, dafür zu bezahlen?

Als Ausgangspunkt steht im Zentrum des BMC das aktuelle Produkt P1. Der Wunsch ist die Innovation und die generiere ich, wenn ich ins Zentrum das Design-Thinking-Modell stelle und benutze. Mit den Prinzipien aus Effectuation bewerte ich die Optionen und definiere das neue Produkt P2. Danach vervollständige ich das BMC (aber immer nur so weit als notwendig ist, um meine Fragen zu beantworten, ich vervollständige nicht sklavisch, der Vervollständigung halber; das ist kein Amtsformular!).

Das Business-Model-Canvas präsentiert sich einmal mehr als Hammer, der alle Probleme zum Nagel macht – nein, als »Schweizer Taschenmesser der Management-Tools«, mit dem wir Aufgaben angehen und überblicksartig vorbearbeiten können.

Wenn du nun tiefer in dieses Thema einsteigen und ein Gespräch darüber führen willst, dann lade ich dich ein zu einem für dich kostenlosen Innovation-Set-up.


PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:

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