Was Osterwalder verschweigt oder nicht klar genug ausdrückt

08/11/2020

Kommentar

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Vor knapp über 10 Jahren präsentierte uns Alexander Osterwalder mit seinem Buch »Business Model Generation« eine großartige Möglichkeit Geschäftsmodelle darzustellen. Er beschreibt in dem Buch, wie man das macht, welche Möglichkeiten sich einem damit bieten und welche Rahmenbedingungen man noch berücksichtigt. Man liest das unterhaltsam gestaltete Buch und beginnt mit der Methode zu arbeiten. Und dann?

Manche Unternehmer sind nach der Anwendung des Business-Model-Canvas (BMC) ratlos. Sie haben Ihr Geschäftsmodell mit dem BMC dargestellt und wissen nun nicht, was sie damit tun sollen, was sie davon haben?

Andere Unternehmer fühlen sich bestätigt und sind zufrieden: Ja, so sieht ihr Geschäftsmodell aus, sie haben alle Bausteine sorgfältig und vollständig erklärt, alle Felder »brav« ausgefüllt. 

Diesen beiden Gruppen ist gemein, dass sie nichts weiter mit dem BMC machen. Die einen kennen sich nicht aus und die anderen sind zufrieden mit ihrer Arbeit und mit dem was vorliegt.

Ausgefüllt!

Habe ich das BMC ausgefüllt, dann sehe ich das, was ich meine immer gewußt zu haben. Ja, das ist mein Geschäft, genau so läuft es ab.

Doch damit wird es nicht leichter, nicht einfacher. Irgendjemand muss diese Schlüsselaktivitäten, die ich hier beschrieben und eingetragen habe, am Ende auch machen. Irgendwer muss die Kanäle betreiben, muss auf Social-Media informieren, muss Verkaufsgespräche führen, muss das Produkt liefern und muss die Kundenbetreuung betreiben (das After-Sales). 

Das ist die Arbeit. 

Das ist genau das, was zu tun ist und hier beschrieben wird, das ist meine Kernaktivität. Die bleibt bestehen. Wenn ich das Formular ausfülle, ändert das nichts an der Notwendigkeit zu handeln. Was also habe ich davon, jetzt, wo ich fertig bin, jetzt, wo ich das Formular ausgefüllt habe?

Was nun?

Ich erkenne nun überblicksartig, was zu tun ist (was ich meist auch schon mache) und wie ich mein Geschäft betreiben will. Ist das Canvas ausgefüllt, dann muss ich mich im Folgenden mit jedem Baustein einzeln beschäftigen und das Potential heben, das (vielleicht) darin versteckt ist. (Wie das gelingen kann, beschreibe ich Schritt für Schritt in der Serie der BMC-Monografien).

Ich erlebe das bei meinen Unternehmer-Kollegen und auch bei mir. Man zeichnet das Geschäftsmodell auf (beschreibt es mit diesen Postit auf dem Canvas), verändert es ein wenig, macht es »schöner«, dann steht man davor, erklärt es stolz dem Nächsten und entweder man räumt es weg — ganz schlecht — oder es hängt nun da. 

Glotzt mich an.

Ich glotze zurück.

Irgendwann fällt es mir kaum mehr auf.

Was mache ich mit einem ausgefüllten BMC? 

Anfangen! Machen!

Nun, ich könnte beginnen, mein Geschäftsmodell zu modifizieren. Dann kann ich sehen, ob ich durch die Veränderung etwas verbessere und ob dadurch neue Geschäftsfelder, Zielgruppen, Produkte entwickelt und angeboten werden können.

Aber dann muss ich trotzdem etwas damit machen. Was? (Das bespreche ich in der BMC-Monografie detailierter: Ich verwende es bei wirtschaftlichen Überraschungen, zur Präsentation vor Investoren, für das »Onboarding« neuer Mitarbeiter, etc.).

Im BMC habe ich jeden einzelnen Baustein meiner Organisation abgebildet. Nachdem ich mein Wertangebot im BMC notiert habe, beschreibe ich es im folgenden ausführlich. Ich muss es für den Kunden beschreiben, aus seiner Perspektive, es ihm schmackhaft, wünschenswert machen. (Auch dafür habe ich Methoden bereit, die ich in meinen Coachings trainiere und in den Sparringsgesprächen erkläre.)

Ich muss die Kanäle und die Beziehungen planen, prototypisieren und ausprobieren, schließlich dokumentieren und realisieren; diese Pläne müssen ins operative Geschäft überführt werden. Daher müssen diese Dinge nun detailierter dargestellt werden. Was bedeutet denn so ein hingeklebtes Postit tatsächlich im Alltag, was steckt dahinter? Das sind die Themen der Subbüchlein der BMC-Monografie-Serie: Checklisten-artig notiert, wie man diese Details untersucht und festlegt, mit klaren Handlungsanleitungen, warum man was macht und wie man weiter damit umgeht.

Die Schlüsselaktivitäten sind sorgfältig auszuarbeiten. Oft übersieht man den Wert der eigenen Arbeit. Sie ist einem gewohnt und alltäglich. Aber wir müssen überlegen: Wie arbeite ich, wie halte ich die Qualität, wie bin ich organisiert, wer macht was und berichtet wem, braucht es ein Berichtswesen, was muss ich als GF erfahren, was kann dezentralisiert abgewickelt werden?

Wie kann ich mich der Schlüsselpartner versichern, wie kann ich vorsorgen wenn einer wegbricht, was mache ich wenn die Logistik-Kette unterbrochen wird?

Wie erfolgt der Umsatz, die Zahlung, welche Einrichtungen brauche ich dafür, was könnte ich alternativ machen?

Hinter allen Bausteinen steht eigentlich potentiell eine Enzyklopädie. Diese Detailbeschreibungen sind notwendig, um ein vollständiges Bild des eigenen Geschäfts zu erhalten. All diese Informationen kann ich nutzen, um so wie es ist zu operieren, aber auch um zu verbessern und vor allem auch um zu innovieren.

Gelöst!

Erst wenn ich alles notiert habe, dann kann ich erkennen, was ich auch anders machen könnte und will. Daraus entsteht ein Zielbild.

Doch damit ich nicht im Träumen mit dem BMC stecken bleibe, muss ich als Nächstes analysieren, was aktuell passiert. Wie laufen meine Prozesse aktuell ab, sind sie gut (praktikabel) oder haben sie Schwächen, gibt es »unrunde Stellen«? Was kosten sie mich, wie gerne bezahlen die Kunden, wie läuft die Bezahlung, träge oder prompt, im voraus oder hinterher, zeitgerecht? Brauche ich mehr Liquidität, kann ich die durch neue Konzepte erreichen, kann ich Anreizsysteme schaffen, damit Kunden schneller oder häufiger bestellen, teureres oder mehr bestellen; wie kann ich die Kunden besser informieren.

Diese Analyse vergleiche ich mit dem neuen Zielbild. Daraus leite ich meinen Handlungsbedarf und meine Handlungsoptionen ab. Nun bin ich »Captain und Commander« und steuere mein Unternehmensschiff mit sicherer Hand durch die rauhe Wirtschaftsee, habe ein klares Ziel (eine Richtung genügt) und weiß, was ich als nächsten tun muss.

Fazit

Das BMC dient nicht primär zur Dokumentation des Geschäftsmodells, sondern es ist vergleichbar einem Spielfeld auf dem ich neue Spielzüge ausprobieren kann, bevor ich mein Business umbaue. Ich kann im Vorfeld, am grünen Tisch, überprüfen, ob es funktionieren könnte, wie es funktionieren könnte und was ich verändern müsste. Ich kann kalkulieren und ich weiß, welche Fragen ich (z.B. zukünftigen Kunden) stellen muss, um meine Erfolgschancen abschätzen zu können.


Gerne unterstütze ich Sie dabei, so ein »Captain und Commander« zu sein; ich helfe Ihnen beim Ausarbeiten Ihres Geschäftsmodells. In drei Versionen werden Sie fit im Anwenden des Business-Model-Canvas. Buchen Sie hier.


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