Jenseits von Personas: der Lieblingskunde-Code

04/02/2024

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Immer wieder diskutiere ich mit Selbstständigen, Unternehmern und Managern die Frage, wie wir unsere Kunden definieren. Manche meinen dann, dass wir eine (oder mehrere) Personas erstellen müssten. Oder wir müssen klar sagen, welche Kunden wir suchen. Also genau spezifiziert.

Aber die wenigsten können auf die Schnelle beantworten, wen sie konkret suchen. Jene, die darauf eine Antwort haben, nennen dann meist (oder wenigstens) eine konkrete Kundengruppe: Personal Trainer oder Heilpraktiker. Jedoch ist so eine Gruppe, die du vielleicht auch für dein Geschäft nennen kannst, wirklich die Gruppe deiner Zielkunden? Sind das wirklich jene, die du erreichen willst? Die Beantwortung der einfachen Frage »Wer ist dein Kunde?« ist eben nicht trivial. Sie ist vielschichtig und drastisch differenzierter zu betantworten. Jedenfalls dann, wenn wir daraus auch einen Nutzen für die alltägliche Marketing- und Akquisetätigkeit ziehen wollen. Dieser Artikel ist deine Inspiration, wie du vorgehen könntest, um dich zu deiner wahren Antwort zu motivieren.

Wenn wir unsere Kunden definieren wollen, dann liegt die Antwort tiefer als fiktive oder statistisch motivierte Personas oder gesichtslose Berufsgruppen. Bei der Berufsgruppe denke ich dann immer an die Geschichte der Zebras im Vortrag von Jordan Peterson (da ging es um etwas anderes, aber interessant). Die sind zwar auffällig, aber alle sehen ähnlich aus. Definiere ich als Zielgruppe »Zebras«, dann ist noch immer nicht klar, wer genau, welches Zebra will ich ansprechen? Als Löwe (auch als Forscher) müsste ich mich auf eines konzentrieren, erklärt uns Peterson, aber kaum sehe ich weg, um eine Notiz meiner Beobachtung zu machen, und will ich dann weiter beobachten, finde ich das zu beobachtende Zebra nicht mehr. Alle Zebras sehen plötzlich gleich aus. Ich muss das eine klarer markieren. Die Forscher taten das mit einer Markierung am Ohr oder ähnliches. (Allerdings erleichterte das dann auch den Löwen, das eine Zebra zu identifizieren. ...)

Wir erkennen – wenn wir die Zebra-Geschichte so deuten –, dass die Definition einer Gruppe, auch wenn sie so spezifisch ist wie »Zebras« (Keramiker) und nicht so allgemein wie »Tiere« (Selbstständige), trotzdem noch keine Ansprache generiert, die wir in unserer Marktkommunikation nutzen können. Welches Zebra? Wen habe ich ausgewählt, wen will ich als Kunden?

Also doch die Persona?

Naja, die Persona ist – ich habe das einmal schon ausgeführt – ganz schnell eine Wunschvorstellung, die so nicht existiert, wenn man bei der Formulierung nicht aufpasst. Häufig tappt man in die Falle und will ein Formular vollständig auszufüllen, statt daran zu denken, was man wissen muss, um diese Zielgruppe auch zu erreichen. Oder man macht es gewitzter und erfasst Verhaltensmuster, demographische und psychographische Daten einer Gruppe, »berechnet« daraus den Durchschnitt und formuliert damit die Ziel-Persona. Wieder eine Figur, die so nicht exisitiert. Das erinnert an die Geschichte der Kampfjet-Piloten. Man vermaß 4000 Piloten, errechnete den Durchschnitt diverser Maße und baute dann ein »durchschnittliches Cockpit« in der Erwartung, dass damit gut geflogen werden kann. Doch dieses Cockpit passte niemanden, nicht ein einziger Pilot erfüllte die Bandbreite aller 10 Parameter.

Die gängige Methode, eine Persona, eine fiktive Wunsch- oder statistisch errechnete Durchschnittsperson zu schaffen, hilft uns nicht weiter. Sie suggeriert, dass wir durch das Erstellen fiktiver Kundenprofile unsere Zielgruppe effektiv ansprechen können. Doch wie die Geschichte der amerikanischen Piloten zeigt, bei denen Design für den Durchschnitt zu keinem passenden Ergebnis führte, müssen wir umdenken. Die Lösung liegt nicht darin, ein ideales Angebot für eine Durchschnittsperson zu schaffen, sondern unser ideales Angebot zu definieren und dann die Kunden zu finden, die genau dafür gemacht sind: Unsere Lieblingskunden.

Wir erforschen also nicht den Durchschnitt aller uns interessierender Kunden (der durchschnittlichen Personal Trainer), sondern wir spezifizieren feiner. Wir suchen unsere Lieblingskunden. Das sind jene, mit denen wir gerne Geschäfte machen, denen wir besonders nützlich sind und die das auch erkennen und schätzen.

Der Lieblingskunde.

Die Menge unserer Lieblingskunden gibt uns Hinweise für welche Gruppe, für welchen »Tribe« (Sippe), wir ideal nützlich sind und wen wir daher zu erreichen versuchen müssen. Das ist kein Durchschnitt, sonder das sind die Gemeinsamkeiten, die Erkennungsmerkmale des Tribes. Dieses Vorgehen, aus den Lieblingskunden den Tribe zu definieren, hat mehrere Vorteile.

Zum einen finden wir Kunden, die mit uns zufrieden sind und unsere Arbeit wertschätzen. Diese Wertschätzung spornt an, wodurch unser Produkt wieder besser wird, weil auch unsere Begeisterung mit jener unserer Kunden steigt. Ein sich selbst verstärkender Regelkreis.

Zum zweiten verschaffen wir unseren Kunden (diesem Tribe) mit unserem Produkt ein Identifikationsmerkmal. Indem unsere Lieblingskunden unser Produkte gerne verwenden, weil sie ihnen so nützlich sind, werden sie sich damit »markieren« und also auch daran erkennen.

Menschen streben danach, Teil einer Gruppe zu sein, erst dann wollen sie Individualität innerhalb dieser Gruppe sicherstellen. Produkte (Gegenstände, Prozesse, Dienstleistungen), die wir anbieten, können genau diese Funktion übernehmen – sie ermöglichen Gruppenzugehörigkeit zu signalisieren. Die Individualität finden sie auf andere Weise (oder liefern wir durch unsere Flexibilität im Produkt).

Der BMW-Fahrer (Gruppe/Tribe) hat dann die Radkästenverbreiterung und die Sporträder; die iPhone-Nutzerin (Tribe) schützt ihr Telefon mit dieser seltenen, speziell funkelnden Schutzhülle; das Unternehmen ist Mitglied der Industriellenvereinigung (Tribe), verkauft ihre Ware aber nur an lokale Kunden im Umkreis von 100 km.

Wenn wir uns mit dieser Gruppe, die bestens zu uns passt, tiefer beschäftigen, dann erreichen wir damit zwei Ziele:

Marketing wird einfacher

Mit der Definition des Tribes wird uns klar, wen wir wie ansprechen wollen. Nicht »die Zebras«, sondern »Tiere« mit bestimmten Eigenschaften, Wünschen, Vorlieben, Fähigkeiten. Es ist spezifischer und allgemeiner zugleich. Es ist eine Gruppe, deren Mitglieder auf bestimmte Dinge Wert legen. Wir wissen also welchen Wert wir versprechen müssen und wir wissen, welche Schlüsselwörter für sie relevant sind.

Darüberhinaus wissen wir nun auch, wie wir unser Produkt liefern sollen, damit es seine soziale Funktion erfüllen kann, nämlich diese Gruppenzugehörigkeit zu demonstrieren.

Der Apple-Tribe zeigt das Apfel-Logo, auch mit einem Aufkleber am Auto; die Dunhill Pfeifenraucher sehen den weißen Punkt auf der Pfeife des Kollegen und nicken sich zu; Unternehmer erwähnen welche Berater ihnen zuletzt halfen oder welche Computersoftware sie im Einsatz haben.

Wenn wir wissen, wie wir unsere potentiellen (und gewünschten) Kunden ansprechen sollen und was wir ihnen anbieten müssen, damit sie sich selbst wieder entsprechend zuordnen können, dann haben wir gewonnen, dann machen wir aus potentiellen Kunden Stammkunden, eben die Mitglieder unseres Tribes. Das muss heute unser wichtigstes Ziel sein – freilich neben der Produktqualität, aber das versteht sich von selbst.

Jetzt fällt uns wieder Petersons Zebra-Geschichte ein. Aber umgekehrt. Die Kunden müssen uns in der »Zebra-Herde der Anbieter« erkennen können. Wir müssen uns also markieren, damit sie uns leichter »jagen« können. Indem wir ihnen mitteilen, dass sie sich mit unserem Produkt als zu einer Gruppe zugehörig markieren können, finden sie uns. Die Mitbewerber machen das nicht oder eben für eine andere »Löwengruppe«. Meine Lieblingskunden sollen mich als ihren Lieblingsanbieter erkennen.

Mein Tribe

Doch wie finden wir heraus, wer am besten unser Kunde ist? Es geht darum, jene zu identifizieren, die wir am liebsten betreuen wollen. Wir müssen verstehen, warum sie (unsere Lieblingskunden) gerne bei uns kaufen. Ich kann das in Gesprächen mit diesen Kunden elegant und unauffällig herausfinden. Auf diese Weise definiere ich, wer meine »Löwen« sein sollen und wie ich mich als »Zebra« wiederum für sie identifizierbar mache.

Arbeite ich nicht für Konsumenten, sondern für Unternehmen (B2B), dann gehe ich analog vor. Für manche Unternehmen kann man gut arbeiten, arbeitet man gerne, mit anderen weniger, aber wer bezahlt (und sich anständig verhält), wird bedient. Es sind also nicht alle B2B-Kunden einer Organisation Lieblingskunden dieser Organisation. Man braucht schließlich den Umsatz. Aber was, wenn alle Lieblingskunden wären, weil die potentiellen Lieblingskunden »ihr Zebra« (jetzt der Anbieter) erkennen? Ich muss die Organisationen, die ich mir als Kunde wünsche, definieren und ihnen signalisieren, dass ich es bin, mit dem sie glücklich werden würden.

Eine Persona kann ich dafür nicht gebrauchen, denn es gibt diese Person ja nicht, es ist ja ein Unternehmen, es sind mehrere oder wechselnde Personen. Aber ich kann wieder feststellen, warum ich mit manchen Organisationen gut (und gerne) zusammenarbeite und mit anderen »bloß professionell«. Mehr von ersterer Gruppe ist jedem Unternehmer recht.

Auch in Unternehmen sind es die Menschen, konkrete Personen, die entscheiden. Aber die Persona greift da nicht, weil ein Controller, ein Einkäufer und ein Techniker gemeinsam und von Fall zu Fall agieren und ein Durchschnitt aus diesen dreien (das haben wir oben besprochen) greift ins Leere. Doch allen diesen Personen gemein ist eine Unternehmenshaltung, eine Organisations-Kultur, die sie verbindet – ansonsten wären sie nicht (lange) Mitarbeiter in dieser Organisation. Diese Kultur, die macht einen Charakter des Tribes meiner Lieblingskunden aus – auch wenn das hier nun Organisationen sind. Auch Organisationen haben Identität, verfolgen Ziele und haben Policies. Die SAP-Nutzer, die Hidden-Champions sind und alles immer gleich und in bar bezahlen.

Diese Organisationen sind so, weil sie von Menschen so geführt werden und ziehen daher eher solche Menschen an als andere. Erfülle ich den Wunsch dieser künstlichen Organisations-Identität, dann kann ich davon ausgehen, dass ich damit auch die Grundbedürfnisse dieser Menschen in dieser Organisation, die letztlich entscheiden, erfülle. Freilich muss ich dann auch noch auf die Interessen der Entscheider im Detail achten, die noch ein Quentchen spezifischer sein werden. Aber für die erste Annäherung und vor allem für die Kommunikation ist es wichtig, die Brand-Commitment-Matrix für den Tribe der Organisationen analog auszufüllen, wie ich das für den Tribe meiner Konsumenten machen würde.

Wir besprechen dieses Konzept in einer ersten Annäherung im BDRoundtable und natürlich ist diese Vorgangsweise ein wesentliches Element in meinem Businessdesign-Modell.


PS: Wenn du mehr darüber wissen willst, dann lasse dich alle 14 Tage im Businessdesign inspirieren oder schreibe dich auf die Liste der Interessenten für den nächsten BDRoundtable. Du kannst auch beim nächsten EarlyGlowBusinessdesignTalk teilnehmen, zuhören und mitdiskutieren.