In meinem Logbuch berichtete ich vom neuen Tagesritual und es erscheint mir, je mehr Struktur ich plane, desto größer wird mein Widerstand, desto gehetzter fühle ich mich. Aber es soll nichts von den vielen Ideen, die ich habe, die ich umsetzen will, verloren gehen. Alles soll realisiert werden. Schnellstens.
Ich brauche eine zentrale Sammelstelle für meine Aufgaben – aber die hab ich irgendwie ohnehin und die füllt sich so schnell, dass ich nicht nachkomme. Eine Aufgabe erledigt und zwei neue kommen auf die Liste. Die moderne Hydra der Informationsgesellschaft.
Warum ist das so?
Warum sammelt man so viele Aufgaben, man arbeitet viel und meist auch schnell und dennoch wird es immer mehr, nicht weniger? Weil man nicht Nein sagen kann, weil man keine Prioritäten setzen kann?
Nein, ich sage ja manchmal »Nein« und ich wähle ja aus, was für den Moment prioritär erscheint und das setze ich auf die Liste.
Jetzt verstehe ich: es erscheint bloß prioritär.
Warum kann etwas wichtig erscheinen? Weil man kein Kriterium hat, was tatsächlich wichtig ist!
Es braucht also noch eine Aufgabe, eine Art «Super-ToDo«, die Strategie, das große Ziel.
Aber wir wollen doch kein Ziel anstreben, denn die Ziele – das wissen wir aus »Es ist nie fertig« – sind immer nur neue Starthäuschen. Der Weg ist das Ziel, das Machen ist entscheidend. Im Machen findet man die Befriedigung, die Genugtuung, die Freude. Am Ende ist auch etwas fertig, hat man ein Ziel erreicht, aber die Tätigkeit an sich ist die freudvolle Arbeit (es ist Work, nicht Labour).
Ein Ziel anzustreben, ein Ergebnis als einziger Zweck, das ist ein westliches Problem: wir wollen nach Hamburg und sitzen in Wien; Hamburg ist das Ziel, die Strategie ist Autobahn über Prag–Leipzig–Hanover und der Weg ist letztlich eine Qual; man will schon dort sein.
Asiatisch ist die Reise das Ziel, die Reise nach Hamburg mit all seiner Schönheit am Weg dort hin, Znaim, Prag, Dresden, Magdeburg, dazwischen die Wiesen und Felder, die kurzen Spaziergänge alle zwei Stunden Autofahrt (E-Auto laden), der Blick, der Wind, der Regen, die Sonne, die Übernachtungen und die Speisen.
Also doch der Genuß des Schreibens, des Denkens, die Freude beim Lösen einer Problemstellung der Logik. Am Ende liegt zwar ein Text vor, ein Lösungsvorschlag, eine Erkenntnis: »Hamburg«, aber im wesentlichen war der Weg dorthin die Freude.
Nun, dann muss ich mich hierher setzen und einen Zettel nach dem anderen »verzetteln« (vgl. Luhmann) und daraus dann, bei Bedarf, einen Text, Vortrag, Workshop produzieren oder eben Rat geben im Sparringsgespräch. Das erscheint mir im Moment, jetzt, in diesem Augenblick, sehr erstrebenswert. Also handle ich danach.
In diesem Zusammenhang wiederentdeckt: »Zäsur, Transformation & Tagebuch« — mein »Zettelkasten« ist jetzt Roamresearch.com und das Tagebuch auf Medium.com
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