Gedanken zur Preisbildung (im Design)

30/11/2023

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Was soll man machen? Manchmal ist den Kunden eine Leistung eben nichts wert. Jedenfalls nicht so viel, wie man meint dafür verlangen zu wollen. Wie geht man damit um? Lösungsansätze gibt es dafür viele. Kluge Hinweise, logische Erklärungen, pfiffige Techniken. Aber letztlich muss man sich nur an der Nase nehmen und überlegen wie man selbst dazu stehen würde, würde es nicht das eigene Produkt sein, das man verkauft, sondern eines, das man einkauft.

Kann man einem Produkt einen objektiven Wert, genauer, Preis geben? Ein Produkt, so sagen manche, hat eine Aufgabe zu erfüllen. Ich kaufe ein Produkt, weil es eine Aufgabe auf befriedigende Weise erfüllt. Fraglich ist nur, was befriedigt?

Jeder von uns hat ein Gefühl dafür, was etwas kosten könnte, also was es (im Moment) wert ist. 45 € für ein Schnitzel?

Kommt d’rauf an wo? Beim Würstelstand nicht, im 5-Sterne-Resort auf Bali vielleicht schon (keine Ahnung, ob es das dort gibt, Schnitzel).

Es sind zwei Aspekte: Was sagt uns unser Preisgefühl für eine Sache und wieviel wollen wir für etwas bezahlen?

Diese beiden Aspekte werden nun mit der Wunschdimension überlagert. Die hat zwei Eckpunkte:

1. Da gibt es Produkte, die man unbedingt haben will.

Für Produkte, die ich unbedingt haben will, bezahle ich so gut wie jeden Preis. Solange ich es mir leisten kann.

Oder doch nicht? Es gibt auch da einen Grenzwert, ab dem einem so ein Produkt nicht mehr wichtig ist.

Doch dieser Grenzwert ist weit draußen.

Wenn ich das Produkt wirklich unbedingt haben will.

Menschen sparen dann darauf, sich eines Tages dieses Produkt (meist ein Gegenstand (ein Auto, Haus, Boot), seltener ein Prozess, gelegentlich eine Dienstleistung (eine Reise)) zu leisten.

Diese teuren Produkte sind ja oft gar nicht so viel besser, wie sie teurer sind, aber man wünscht sie sich.

Das ist bei Weitem nicht pragmatisch. Jedes Auto transportiert mich von A nach B. Jedes moderne Auto auf angenehme und sichere Weise. Trotzdem kaufen nicht alle Menschen Seat oder Skoda, sondern manche lieber BMW oder Mercedes. Einige wenige auch Maybach oder Rolls-Royce.

Wozu?

Weil diese Autos besser fahren?

Vielleicht. Aber bestimmt nicht so viel besser als sie teurer sind.

Fazit: Auch teure Produkte sind verkaufbar.

2. Dann gibt es Produkte, die man nicht so unbedingt haben will.

Das sind Produkte, die einem das Leben bequemer machen, aber für die man die eigenen Reserven nicht unnötig strapazieren will. Man braucht sie nicht wirklich, man kommt gut ohne sie aus (man meint gut ohne sie zurecht zu kommen).

Für solche Produkte spart man nicht. Die kauft man, weil einem der Kauf so gut wie gar nicht auffällt oder ... dazu später mehr.

Ein Scheich kauft dann eine Boeing, andere kaufen ein teures Eis beim Eis-Greißler. Nicht notwendig, aber bequem, köstlich, eine Belohnung. Die Ausgabe ist schnell verschmerzt.

In dieser Kategorie gibt es einen zweiten Fall: Wir sind gezwungen ein Produkt zu kaufen. Wir wollen das Produkt eigentlich nicht, aber wir müssen es einkaufen.

Paradebeispiel dafür war bis vor Kurzem der Steuerberater. Damit wir mit dem Regelwerk der Regierung zurecht kommen und unserer Pflicht ordentlich nachkommen, kaufen wir die Dienstleistungen des Steuerberaters. Wir kaufen das nicht, weil wir uns schon darauf freuen, sondern weil es notwendig ist und wir uns eine Ersparnis davon erhoffen. Da ist die Preiselastizität sicher nicht so groß wie beim ersehnten Konsumgut.

Neues Paradebeispiel ist die Dienstleistung des staatlichen Rundfunks. Auch wenn man dieses Angebot nicht konsumieren will, ist man neuerdings verpflichtet einzukaufen. Da ist der Preispunkt noch sorgfältiger zu wählen. Was kann man verlangen, wieviel Zwang erträgt der Bürger ... jetzt ... in ein paar Jahren, wenn wir uns auch an diese »Steuer« gewöhnt haben, könnte ...

Kaufleute, der gute Unternehmer, die Selbstständigen wollen Qualität liefern.

Der Selbstständige hat ein Produkt, von dem er überzeugt ist. Es ist super! Dafür will er X bezahlt bekommen. X ist ein Betrag, der ein gutes Auskommen ermöglicht. Bequem, mit Spielraum und Reserven.

Ist das Produkt X wert oder ist es tatsächlich nur Y wert? Das kann manchmal der Kunde sagen, aber das ist der Betrag, den wir definieren sollen.

Wir erkennen Y dann, wenn wir aufdröseln, was der Kunde mit unserem Produkt erreichen kann (z.B. Umsatz, Reputation, Aufmerksamkeit, etc.), welche Werte unser Produkt beim Kunden generiert.

Doch häufig sagen wir – also unser Gefühl leitet uns – eine Leistung, ein Produkt ist so viel wert – X.

Wenn nun der Kunde meint, nein, es ist nur so viel wert (Z), dann müssen wir nur noch überlegen, ob wir das Produkt um Z liefern wollen. Wir müssen das nicht!

Der kluge Hinweis, die logische Erklärung, die pfiffige Technik

Wir müssen ein Produkt nicht im jeden Preis liefern, wir können es einfach auch nicht machen.

Im allgemeinen, müssen wir das nicht. Manchmal ist es aber dennoch günstiger für uns, wenn wir statt um X um Z verkaufen, weil wir damit einen Vorteil haben (z.B. den Hochofen doch nicht abdrehen müssen), weil wir ansonsten noch höhere Verluste als X minus Z erleiden.

Die Arbeit an sich, das Sich-Betätigen-in-einer-Sache ist genau genommen auch eine Art Lohn. Insbesondere die »Künstler« sind dafür anfällig. Etwas machen zu dürfen ist schon das halbe Honorar (oder mehr), da verzichten so manche auf einen erklecklichen Teil der anderen Hälfte, nur um diese erste (die Realisierung) zu bekommen.

Wir können auch darauf warten, dass wir eine kritische Masse an Interessenten gewonnen haben, dass die sich für unser Produkt interessiert und dann die 2 % der Lieblingskunden daraus erreichen.

Logisch lässt sich ein Preis erklären. Wenn ich mit dem Produkt M Umsatz erzielen und N Gewinn machen kann, dann ist doch X ein Klacks, ein lächerlicher Betrag?

Logisch ist es auch, wenn es einfach erzwungen ist – wie ich oben schon ausführte – oder wenn wir erzwungene Ausgaben auch verdienen müssen. Weil Steuerberatung, Energie- und freilich Personalkosten (inkl. Lohnsteigerung) erwirtschaftet werden müssen, muss eine Stunde x und das Produkt daher X kosten. Aber dazu später mehr.

Eine pfiffige Technik ist das Anker setzen. Wir nennen einen Preis im oberen Bereich und »ziehen« damit das Gefühl in unserer Wunschrichtung (der Ankerpreis ist freilich deutlich höher als unser Wunschpreis, der erscheint daneben lächerlich gering).

Kürzlich habe ich mir ein eBook gekauft. Um 32 €!

Mir ist das erst später bewusst geworden, aber es hat wunderbar funktioniert. Selbstverständlich ist die Information in dem Buch diesen Betrag wert 😉, aber der Trick ging so: kaufe das Buch um 32 € oder das Buch mit einer Hörbuch-Version und einem zweiten Bändchen über ein anderes Thema um 34,50 €. Kaum jemand überlegt da lange und kauft deutlich mehr um bloß 2,50 € Mehrkosten. Erst später erkenne ich, dass ich das Buch vermutlich ohne dem Anker nicht so schnell gekauft hätte (nicht gleich, später doch, weil wertvolle Information).

Andere pfiffige Technik ist der Minutenpreis. Ein »schöner« Stundensatz klingt nicht mehr so gravierend, wenn er in einen Minutensatz umgerechnet wird. Was sind schon 4,10 €? Die kleine heiße Schokolade beim Starbucks ist teurer.

Das bringt mich auf die andere pfiffige Technik: die Kosten auf andere Wareneinheiten umrechnen, auf Pizza und Schnitzel, auf Installateurs- oder Mechanikerrechnungen.

Die Vergütung der Leistung muss in passender Relation zu anderen Dingen stehen.

Ist etwas knapp (mehr Nachfrage als verfügbar), dann ist es teurer, gibt es eine Sache in Hülle und Fülle (mehr verfügbar als nachgefragt), dann ist es billiger. Das leuchtet jedem ein.

(Ok, fast jedem. Als das Uber-Angebot noch »freier Markt«war, kostete eine Fahrt wenn wenige Uber-Fahrer unterwegs sind (zu Weihnachten) mehr, solange bis der Preis so hoch war, dass einige Fahrer meinten, da lohnt es sich, statt mit der Familie zu feiern, die anderen von der Feier heimzubringen. Nur die Gewerkschafter erkannten das Spiel nicht. Lieber sollen die Taxilenker weniger verdienen und an Weihnachten dennoch unterwegs als daheim bei der Familie sein.)

Die Relation kommt vom Produktvergleich. Freilich, auch das ist subjektiv, aber eine Grafik muss in einem passenden Verhältnis zum Preis, sagen wir, eines Steaks stehen. Ein Folder, der zigfach verteilt wird und darüber informiert, dass es Steaks bester Qualität gibt, muss teuerer sein als ein Steak. Er erzeugt ja deutlich mehr Wert, eben neue Kundschaft.

Natürlich könnte nun jemand sagen, aber mir ist der Folder nicht mehr als ein Steak wert.

Also wieder das Spiel der Marktkräfte. Gibt es viel Steak, dann ist es billiger, gibt es wenig Grafik (schon gar nicht spontan mit Lieferung über Nacht oder Wochenende), dann muss sie teurer sein. Aber nur dann, wenn ich sie auch brauche.

Das multipliziert sich nun mit der Qualität. Ist es hochwertige Qualität, dann ist es teurer; ist es niedrige Qualität, dann in aller Regel billiger.

Das ist beim Steak noch relativ leicht zu sagen. Wir vertrauen auf Gütesiegel und Beteuerung der Bio-Pflege, etc.

Bei Design ist es bestimmt schwieriger Qualität zu beurteilen; nicht jeder ist in dieser Welt zu Hause und kann erkennen, ob etwas handwerklich fein gemacht und sauber oder ob es eigentlich eine Beleidigung für die Zunft ist.

Das ist ja das Problem heute; früher legte der Kunde Wert auf beste Qualität, auch bei Druckwerken. z.B. zur Zeit der Aufklärung war es relevant von welcher Qualität die Druckerschwärze, das Papier, die Schrifttype war.

(aus »Glänzende Geschäfte« von Robert Darnton, S. 129: »[...] Bevor die Leser in der Zeit vor der Französischen Revolution ein Buch kauften, prüften sie die Ware sorgfältig, rieben das Papier zwischen ihren Fingern, hielten es gegen das Licht, untersuchten die Schrifttype und die Deutlichkeit des Drucks, die Breite der Seitenränder und die Eleganz im Design der Typographie. Wenn sie auf Fehler stießen, protestierten sie [...] ›[...] das Papier ist allgemein fehlerhaft, und die Schrifttypen sind fast erloschen (abgenützt), was die Augen des Lesers sehr ermüdet. Werke dieser Gattung, die ewig halten sollen, verdienen, daß man ihnen etwas mehr Aufmerksamkeit widmet. [...]‹ «)

Entscheidend ist: brauche ich etwas oder will ich etwas?

Brauche ich ein Produkt dringend, dann könnte es sein, dass ich bei der Qualität flexibel bin. Will ich ein Produkt, so habe ich konkrete Vorstellungen von der Qualität.

Brauche ich das Produkt unbedingt von dir oder bekomme ich es auch von jemand anders?

In gleichwertiger Qualität?

Oder jedenfalls in einer Qualität, die mir genügt?

Der Knackpunkt ist, das der Selbstständige in bestimmter Qualität liefern will und ein Produkt (ein Gegenstand, eine Dienstleistung, auch ein Prozess) daher X kosten muss.

Einem Kunden ist aber diese Qualität nicht so wichtig – er will das Produkt nicht, er braucht es »bloß«, es genügt mindere Qualität, wenn es dafür billiger ist.

Die einen wollen ihre Hühner bestens betreuen, pflege und nähren, aber manche Kunden genügt es Ramschhühner zu essen. Billiger schlägt Qualität. So ist es bei Nahrungsmittel und wohl auch bei Designleistung.

Will ich als Unternehmen Top-Qualität, dann muss ich zu jenem gehen, der diese liefert.

Ist es die (erwünschte!) Top-Qualität?

Schafft das nur der eine?

Ein anderer schafft Anderes, hat eine andere Vorgangsweise, eine anderer Art der Zusammenarbeit. Das kann einem egal sein.

Oder auch nicht – dann will man diese Person beauftragen und wird auch den Mehrpreis bezahlen – wenn es einem diesen für das Projekt wert ist.

(Jahrezehntelang (vier Agenturen lang) kam die P.S.K. unter der Führung des Governeurs zu mir für das Corporate-Design-Regelwerk, weil sie diese Qualität, diese Präzision wünschten. Der Nachfolge-Organisation war die dann nicht mehr so wichtig, denen reichte Grafik-Können der Angelernten in der Agentur.)

Das eine akzeptieren, das andere unbedingt verweigern

Akzeptieren wir, dass sich der Preis für ein Produkt nicht nur durch die Kostenkalkulation des Designers bildet, sondern auch vom verfügbaren Angebot und dem Qualitätsempfinden oder dem Qualitätswunsch ableitet.

Freilich kann man immer sagen: ich will es so und nicht so machen und daher will und muss ich so viel verlangen.

Man muss dann auch akzeptieren, dass der Kunden antwortet, dass er nur so wenig bezahlen will und wenn es dann schlampiger ausgeführt ist ... sei’s drum.

Erfüllt man diesen Kaufwunsch (günstiger, für schlampiger), dann gilt nur zu bedenken, dass man letztlich doch der Designer dieser Sache ist. Man also die entsprechende Nachrede hat. Wohl bloß eine Frage der Hautdicke.

Manche Dinge – vor allem Kurzlebiges, ein Plakat für die Veranstaltung nächste Woche – kann man auch in kurzer Zeit einigermaßen gefällig hinrotzen. Diese Einladung zur Geburtstagsfeier wird auch kaum Wert generieren und wenig für eine bestimmte Zeitspende einzunehmen ist mehr als nichts einzunehmen.

Doch eines ist unbedingt zu verweigern: Lebenszeit billig verkaufen.

Es ist eine Sache, ein Produkt (einen Entwurf, eine Grafik) billig zu verkaufen, es ist eine andere Sache, seine Zeit billig zu verkaufen.

Erstelle ich einen Folder statt in guter Qualität in 10 Stunden, in minderer Qualität (wenn ich das will … eigentlich wenn ich das kann) in 1 Stunde, dann darf der Folder billiger sein. Die Stunde Arbeitszeit ist es nicht!

Wenn jemand Lebenszeit haben will, dann muss sie auch entsprechend wert sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein Kunde sagen kann, dass man 5 Stunden vor Ort sitzen soll, dafür aber z.B. nur 20 €/h verlangen dürfen.

Wir sollen uns aber kundenorientiert geben, verstehen, dass die meinsten Kunden weniger von Design verstehen (hoffentlich) als wir und dann gilt: Wer viel bezahlt, kann viel mitreden; wer wenig bezahlt, wenig; wer nichts bezahlt, »can stand and watch.« Wir machen die Arbeit, so wie man es uns machen lässt. In bestmöglicher Qualität in der verfügbaren Zeit.

Wir sind sind keine Billigstanbieter. Wir können eine Menge.

Nur weil wir es können, weil wir unser Handwerk beherrschen, erscheint es von außen so leicht. Unser Kunden verdienen die Illusion der Leichtigkeit des Design. Wir verdienen dafür den gerechten Lohn für die Wirkung unserer Arbeit.


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