Die dunkle Seite des Designs ist immer und überall

02/04/2021

Kommentar

Was sagst du dazu?

Ähnliche Beiträge

Heute beim Billa verfolgen wir ein Inserat. Man bietet uns mit einem Flugblatt »4+4 gratis« an, also 4 Flaschen Cola oder Sprite oder Fanta plus 4 Flaschen gratis um 0,92 € pro Flasche. Ein sensationeller Preis. Nicht einmal 1 € für 1,5 Liter Softdrink und wenn man vier davon kauft bekommt man weitere vier Flaschen gratis dazu. Wie macht das kaufmännisch Sinn, 8 Flaschen (insgesamt 12 Liter!) für nur rund 4 €?

So steht es am Flugblatt.

Doch so ist es nicht im Wirklichkeit. Jeder halbwegs mit Wirtschaft vertraute und mit Hausverstand ausgestattete erwachsene Mensch wird sich beim Lesen des Flugblattes denken, dass das ein Trick ist. Man weiß oder ahnt, dass eine Flasche 1,85 € kostet und wenn man vier davon kauft, also dafür in Summe 7,60 € bezahlt, man weitere vier dazu bekommt. Erst bei 8 Flaschen kostet eine Flasche nur 0,92 €, wenn man seine Konsumentenkosten für 8 Flaschen auf den dann effektiven Flaschenpreis zurückrechnet.

Warum schreibt man das Falsche auf das Flugblatt?

Weil es funktioniert.

Wir alle sind heute immer wieder gehetzt, machen viele Dinge flüchtig, auch dann, wenn uns die Wiener Linien darauf aufmerksam machen, achtsam zu sein. Schnell hingesehen, achja, eine Falsche um 0,92 €, das klingt super, braucht zwar niemand, aber gelegentlich (und über die Osterfeiertage im »Privatgefängnis«) kann man es sich schon gut gehen lassen. Also plant man den Kauf einer, vielleicht zweier Flaschen. Bei dem Preis.

Pech gehabt.

Damit ist es gelungen, was die Absicht war. Ein sensationeller Preis bei einer übertriebenen Abnahmemenge, verlockt zum Kauf. Das heisst, es lockt in das Geschäft, lockt die Flasche aus dem Regal in den Einkaufswagen zu legen. Liegt die Flasche erst einmal im Einkaufswagen, dann wandert sie nur schwer zurück. Schon gar nicht weit weg vom Regal, bei der Kassa. Der Endowment-Effekt schlägt zu, der Besitztums-Effekt.

Liegt die Flasche in meinem (geborgten) Wagen, dann ist die vom Gefühl her schon meine (juristisch natürlich nicht, weil nicht bezahlt), also in meinem Besitz, und dann gebe ich sie (in aller Regel) nicht mehr her.

Man geht auch nicht mehr zurück zum Regal und sie bei der Kassa liegen zu lassen ist den meisten auch peinlich, und außerdem sind es ja nur 90 Eurocent mehr, die man bezahlen muss. Also bezahlt man.

Das war der Plan.

Die wenigsten Kunden stehen das durch und lehnen die Flasche bei der Kasse ab, wenn sie den richtigen Preis sehen und mokieren sich über den Trick. Darauf bestehen können sie kaum, weil ja im Regal eine korrekte Beschriftung angebracht wurde. Leider sehr klein, leider sehr weit unten, aber eindeutig.

Es ist geplante Verwirrung, es ist die dunkle Seite des Design.

Die Verwirrung wird dadurch verstärkt, dass bei anderen Angeboten dieser Art (mehr, dafür billiger kaufen) eine andere »Syntax« verwendet wird. Beim Magnum Eis (siehe oben) steht korrekt: »ab 2 Packungen je ...«. Damit ist klar, einzeln kostet eine Packung mehr. Beim Softdrink ist das nicht so. Da steht, dass eine Flasche eben nur 0,92 € kostet. Am Flugblatt. Im Regal lesen wir dann (damit erübrigt sich jeder Streit), dass dieser Preis erst ab 8 Flaschen gilt.

Vermeiden wir diese Tricks.

Mit designen wollen (sollen) wir das Leben der Menschen verbessern. Aller Menschen, sowohl der Konsumenten als auch der Unternehmer. Das Ziel ist Verwirrung aufzulösen und Klarheit zu schaffen. Die Komplexität der Welt reduzieren, nicht verkomplizieren.

Der Managementdesigner hat das zu seiner Lebensaufgabe gemacht.


Wer Klarheit sucht statt sich den Kopf zu zerbrechen, wer etwas verändern will, der nutzt das Sparringsgespräch. 1 h Sparring spart 8 h grübeln, denn wer in der Flasche sitzt kann das Etikett nicht lesen. Der Managementdesigner als Sparringspartner liest es einem vor.


Also published on Medium.