Ist Design-Thinking als »Methode« jetzt, also in der Corona-Krise, relevanter als andere Methoden oder ist diese Denkweise kontraproduktiv. Der Artikel »Welche Methode ist JETZT wirklich entscheidend?« vom 25.3. war unsere Ausgangsposition beim Abendgespräch am 31.3., das ist unser Ergebnis. Vielleicht auch ein Ausgangspunkt für das morgige Abendgespräch
Gleich in der ersten Woche der Quarantäne tauchten sie auf, die Angebote der Berater sämtlicher Schattierungen. Nur eine kurze Schrecksekunde, aber spätestens am Dienstag häuften sich eMail-Nachrichten und Ankündigung auf den Webseiten, wonach jetzt die passende Zeit wäre, sich mit der Methode des jeweiligen Anbieters für die Zeit danach zu rüsten. Immerhin, so die glasklare Argumentation, hätte man ja jetzt, während der Quarantäne, besonders viel Zeit übrig für diese strategische Arbeit.
Eigenartig, ich hatte den Eindruck, dass in den ersten Woche, insbesondere in der allerersten, kaum jemand in Führungsposition Zeit für Gedanken danach hatte – und nur jene »hochrangigen« Personen eines Unternehmens (und sei es bloß ein KMU) hätte die Kompetenz sich mit strategischen Überlegungen für danach auseinanderzusetzen. Alle waren damit beschäftigt kurzfristig die Funktionsfähigkeit der Organisation sicherzustellen. Danach waren alle damit beschäftigt, die Liquidität zu garantieren und frühestens in der dritten Woche – oder ab der vierten (also letzte Woche) – hat man sich an die neue Situation »gewöhnt«, haben sich die Interimsprozesse eingespielt, dass man weitreichendere Gedanken fassen kann. Außerdem galt ja erst die neue Situation, gesamtwirtschaftlich je nach Organisationsziel (also lokal, regional, national oder global) abzuschätzen, bevor man über die auf uns zukommenden Verwerfungen spekulieren kann. Das ist ja heute noch kaum möglich.
Design-Thinking scheint dafür (wie auch in nicht so dramatischen Zeiten) die Denkweise der Wahl zu sein – oder doch nicht? Das war der Beginn unserer Diskussion. Dagegen spräche zunächst die dem Design-Thinking inhärente Sprunghaftigkeit. Im Rahmen eines Krisenmanagements könnte das hinderlich sein. Doch geht es ja nicht darum, dass Regierungen diese Denkweise anwenden, sondern die Unternehmen, die sich für die neue Zukunft vorbereiten wollen. Ein Diskutant erwähnte dann auch, dass wir nicht mehr zur Normalität zurückkehren werden, sondern uns zur Normalität weiterentwickeln (»forward to normality«). Da erschien es uns sonnenklar, dass Design-Thinking seine Stärken ausspielen kann. Es ist eine Denkweise der Problemlöser, die hohe Vernetzungsfähigkeit, die Agilität eines Designprozesses, das Training im Seitwärtsdenken, all das sind die jetzt gesuchten Eigenschaften auf der Suche nach der neuen Normalität. Es ist die Kompetenz der Designer ein Bild der Zukunft zu entwerfen, eine Utopie. Dieser Kompetenz kann man sich jetzt bedienen. Dann würde man diese Utopie mit Management-Thinking kombinieren und zu einer realisierbaren Version eines Geschäftsmodells oder eines Produkts verdichten. [ich muss mich hier wiederholen: ein Produkt ist ein Gegenstand, ein Prozess oder eine Dienstleistung!]
Mit originalem Design-Thinking (mit echtem) würde man jetzt die neuen Geschäftschancen herausarbeiten können. Jetzt, in der Zeit der Quarantäne, genausogut wie davor und auch später. Jetzt erscheint es sinnvoll, weil vielleicht nicht alle Unternehmen diese Zeit der Zäsur für eine Neuorientierung nutzen werden. Viele vermuten (und hoffen), dass bald wieder alles so wird, wie es war, dass die Home-Office-Lösungen in den nächsten Wochen (Monaten) wieder abgebaut werden können, dass die Datenmengenbremsen wieder aktiviert werden können, dass Arbeitszeit wieder mit Besprechungen ausgefüllt werden kann, dass die Büros wieder dicht besetzt werden. Aber das wird nicht der Fall sein. Man wird nach etwas Eingewöhnungszeit einige der neuen erzwungenen Prozesse durchaus als praktikabel und effizient erkennen und beibehalten. Man wird damit Reisezeit und Spesen einsparen. Selbst Schulungen könnten in Zukunft mehrheitlich virtuell stattfinden. Die Auswirkungen auf Schule und Universität werden signifikant sein. Auf Vermieter sowieso.
Organisationen die diese Veränderungen akzeptieren, können Vorteile daraus ziehen. Sie antizipieren bereits den nächsten Schritt, nutzen diese Zäsur, diesen Angriff der Zeit als Schwung um in eine neue Marktposition einzuschwenken, wie ein Judoka die Energie des Angreifers gegen ihn umlenkt. Unternehmen, die sich dieser Gestaltungsarbeit jetzt stellen, werden gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Design-Thinking kann sie dabei unterstützen. Der erfahrene Design-Thinking-Anwender (der Design-Thinking-Coach) wendet die Denkweise nicht nach Rezept an (wie ein Bob Ross der Beratung), sondern situativ. Er muss nicht »häufig und oft scheitern«, sondern er weiß aus Erfahrung, welche Ansätze sich für das Prototypisieren lohnen. Der Erfahrene strebt schnellstmöglich die beste Lösung an – so wie Feuerwehrmänner den Brand schnellstmöglich löschen und keine Brainstorming-Sessions abhalten, um sich auf eine ideale Vorgangsweise zu einigen. Auch das ist eine eigene Geschichte.
Ja, in Zeiten dieser Krise braucht es kausales Management-Thinking, eine 1-2-3-Vorgangsweise aus der BWL, doch für die Innovation ist Design-Thinking umso mehr Mittel der Wahl. Die emphatische Fähigkeit, die Kompetenz mit Ungewissheit umzugehen und der Hang zur interativen Verbesserung sind die Werkzeuge, deren sich das Management jetzt bedienen muss. Engagieren Sie Design-Thinking-Experten, engagieren Sie Designer für die Zeit danach.
Das sind die Termine der Abendgespräche.
PS:
Falls Sie die Essenz des Design-Thinking erfahren wollen, dann habe ich ein Angebot für sie.
Also published on Medium.
[…] war ich auch von anderen Projekten abgelenkt.Das musste auch sein – diese Krisenzeit erfordert mehr Design-Thinking als jede andere Zeit vorher. Man muss die Denkweise ausnutzen, man muss diese Vernetzungskraft anbieten und dafür einsetzen, […]