Foto: Isaac Newton apple tree, Babson College, 231 Forest Street, Wellesley, Massachusetts, USA. Public domain.
»One more thing« (die Show am 10.11.2020) war nicht »... one more thing.« (Steve Jobs will noch etwas vorstellen).
Der gute Ruf alleine – man mache bestes Design – reicht nicht ewig aus. Und Zitate verkommen zu Worthülsen, wenn ihr Hintergrund nicht verstanden ist.
Bei Apple hat man in der Tat das Gefühl, dass (zum zweiten Mal nach 1987) die Kernwerte verloren gehen. Sie verblassen. Glücklicherweise langsam – immerhin fehlt der charismatische CEO Steve Jobs jetzt schon 8 Jahre – aber sie verblassen zunehmend.
Manager sollten Design-Thinking nutzen. Also richtig anwenden. Angewandtes Design-Thinking von aufrichtigen Designern. Manager und Designer sollten also als Twin-Team agieren. Auf diese Weise werden die Stärken beider Denkweisen genutzt und die Innovationskraft im Sinne des Kunden wirksam.
Roger Martin hat das schon Anfang der 2000er erkannt und im von ihm damals gegründeten Lehrgang an der Rotman School umgesetzt. Es war die Erkenntnis nachdem P&G-Manager bei Ideo im Design-Thinking-Workshop waren und sich danach in deren Alltag kaum etwas änderte. Wieso auch? Wozu? Die Dinge laufen doch gut mit »Management-Thinking«.
Auch bei Apple läuft es gut. Die Umsatzzahlen sind phänomenal, die Gewinne traumhaft, das Barvermögen exorbitant. Das ist der Verdienst von Tim Cook. Und sonst?
Apple-Keynotes, also diese großen Vorträge bei denen Steve Jobs Produktneuheiten präsentierte, waren immer sehenswert. Seit seinem Tod verkümmern diese Shows zu langweiligen Aufzählung technischer Daten und Selbstbeweihräucherung von zweifelhaften Designleistungen.
Da werden die zig Schichten eines Displays im Detail erklärt oder die Zusammenstellung der Chip-Komponenten ausführlich (aus Laiensicht) dargestellt und einmal erklärte uns Phil Schiller (der ehemalige Senior Vice President of Worldwide Marketing), dass das Apple-Logo großartig poliert in der Mitte des neuen iPhone prangt.
Steve Jobs erklärte uns Probleme und wie er sie durch passende Angebote lösen will.
Zum Beispiel wies er auf seine Beobachtung hin, dass Menschen ihre Musik gerne auf ihren Laptops zu Freunde mitnehmen, aber obwohl der Laptop portabel sei, sei das unbequem. Das neue Produkt hingegen, sei nicht nur portabel, es sei »ultra-portabel«. Damit könne man seine gesamte Musikbibliothek mitnehmen: 1000 Songs in der Hosentasche. Legendär. Jeder weiß sofort, was das für einem selbst bedeutet – sofern man Musik unterwegs hören will. Dazu packte er ein paar technische Daten: Firwire-Schnittstelle für schnellen Datenaustausch. Fertig.
Oder er erklärt, dass wir auf den Smartphones viele Tasten benötigen, dass man die schon vorher dort einbauen muss, obwohl man noch gar nicht weiß, welche man für welche Software tatsächlich brauchen wird. Viel klüger wäre es, wenn wir die Tasten veränderbar machen würden, wenn diese also am Bildschirm erscheinen, je nach Bedarf. Dann überraschte er damit, er würde drei neue Produkte vorstellen: einen Multitouch-iPod, einen Internet-Communicator und ein Telefon. Sie erinnern sich: das iPhone.
Oder er entwickelt gut nachvollziehbar, dass wir viele Dinge viel besser am iPhone machen können, andere Dinge viel besser am Laptop. Aber ein paar Dinge kann man weder am iPhone gut machen (Fotos ansehen), noch am Laptop (Zeitung lesen beim Frühstück, Internet konsumieren). Mit einem »großen iPhone« oder einem »Laptop ohne Tastatur« wäre das bequem möglich: iPad. Eine völlig neue Produktkategorie entstand.
Wegen der speziellen Marktforschung bei Apple: Steve Jobs schaut am Morgen in den Spiegel und legt fest was wir Konsumenten brauchen. ??
Nein, nicht wirklich.
Aber fast.
Er fungierte als Schlüsselinterpreter. Er ist ein Manager, der wie ein Unternehmer handelt. Er antizipiert, was Kunden einmal kaufen werden wollen. Er hat Design-Gesinnung entwickelt und nutzt Design-Thinking.
Wesentliche Merkmale für Design-Thinking sind (siehe mein Whitepaper für ITIL bei Axelos veröffentlicht):
• Mitgefühl mit dem Kunden – die Fähigkeit, sich in den Benutzer versetzen und Empathie für ihn entwickeln zu können;
• spekulieren und ausprobieren – die Fähigkeit eine Hypothese entwickeln zu können, die auf Beobachtung und Reflexion von Kundenverhalten basiert, und diese mit Prototypen zu testen, zu verifizieren;
• Mut zu entscheiden – Kunden sagen nicht immer, was sie wirklich wollen. Ihre Aussagen sind oft irreführend. Ihr Verhalten zeigt es und lässt ihre wahren Wünsche erahnen; der empathische Designer fühlt, was am Wichtigsten für den Nutzer ist.
Freilich ist es eine Innovation, wenn ein neuer Computer-Chip entwickelt wird, einer der doppelt so schnell ist und nur ein Viertel der Energie braucht (siehe bei 9:45). Freilich ist es ein Segen, wenn die Geräte und Services immer besser werden. Schnellere Prozessoren, bessere Tastaturen, größere Touchpads. Alles gut. Der Bildschirm wird auch größer, die Geräte leichter, die Betriebsdauer länger. Das sind technische Innovationen, Erfindungen. Doch das ist nicht das Material aus dem die unbeschreiblichen Unternehmenserfolge entstehen.
Dann gibt es die von manchen Magazinen beschworene formale Innovation. Aber die ist oft überflüssig.
Die Form der MacBooks ist gut (bis auf ein paar Kleinigkeiten: die Vorderkante vor der Tastatur ist ein Graus; weltweit leiden Armgelenke und Uhrenarmbänder an dieser scharfen Kante; beim MacBook Air mit seiner schrägen Form ist das weitaus erträglicher). Dennoch, die Form des Gehäuses bedarf keiner Veränderung, das wäre mutwillig.
Ähnlich könnte man auch über die iPhones und iPads urteilen. Wozu die Form ändern? Sie ist passend (wieder mit ein paar Kleinigkeiten, die einem zur Weißglut bringen können: Warum muss die Kamera hervorstehen? Vermutlich, damit man eine Schutzhülle dazukauft. Das ist gut für den Prozessoptimierer, aber es ist nicht kundenorientiert.)
Apple macht also unter Tim Cook vieles richtig. Eine Binsenweisheit, wenn man sich die Umsatzzahlen und die Gewinne ansieht. Aber es sind nicht jene Innovationen, die wir unter Steve Jobs erlebten. Die Äpfel liegen alle recht nah beeinander. Man verliert sich in der Prozessoptimierung und vergißt »Content«.
Wahre Innovation – also etwas, dass uns Menschen das Leben erleichtert, das uns weiterbringt – erfordert eine andere Einstellung als die, die man bei Tim Cook (aus der Ferne) beobachten kann.
Bei einem Manager mit Design-Gesinnung ist die innerste Grundeinstellung designnutzend oder designend zu handeln; designen ist fundamentales Motiv seines Handelns (mehr dazu in »6 sätze über design: satz 6 – unternehmer brauchen design-gesinnung«).
Steve Jobs hatte so eine Design-Gesinnung. Er war kein Designer, doch er dachte wie einer. Er beobachtete die Menschen, erahnte deren Bedarf, deren Job, den sie erledigen wollen, und machte ihnen ein Angebot. Die Geräte, die Software und die Services waren nur Vehikel (Kanäle) durch die er das Leben seiner Kunden verbesserte. Er interpretierte, was er wahrnahm und formulierte die Verbesserung: ein freundlicher wirkender und einfacher zu benutzender Computer, ein zentraler Knotenpunkt für unser digitales Leben, 1000 Song in der Hosentasche, das dünnste Notebook der Welt, etc. Sein originaler Apple-Store zeigte die Lösungen für die (zugegeben erste-Welt-)Lebensführungsprobleme und benutzte dafür Apple-Produkte. Heute zeigt man uns die Produkte.
Das gelingt, wenn wir Design-Thinking richtig anwenden, wenn wir über den »Umweg« der Abstraktion denken und den Job-to-be-done entdecken. Das gelingt im Dialog mit Designern, mit Menschen, die diese Denkweise, die man Design-Thinking nennt, anwenden.
Das geht einfach: man bucht einen Designer als Sparringspartner und entwickelt mit ihm gemeinsam die passende Strategie. Man fordert sich gegenseitig in Sparringsgesprächen heraus und erarbeitet sich auf diese Weise die richtige Innovation, eine Innovation für seine Kunden. Das ist das Geheimnis.
Wenn Sie wollen, dann werden Sie zu einer Art Steve Jobs Ihrer Branche. Buchen Sie ein kostenloses Erstgespräch und finden wir heraus, ob auch Sie von meinem Angebot profitieren können.
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