Der Ärger mit Nicht-Designern als Design-Thinking-Experten

27/06/2021

Kommentar

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Aus dem ursprünglichen Logbuch-Eintrag 20210410.1004 wird ein Kommentar.

Interessant, da sagen mir meine Freunde, ich möge mich nicht so sehr auf Design-Thinking als Dienstleistung fokussieren, das ist doch bloß eine Methode. Entscheidend ist, was man damit erreichen kann.

Ja, das ist richtig. So gesehen ist Design-Thinking eine Zange oder ein Hammer. Nicht alle Probleme sind Nägel.

Aber es gibt eine Menge Berater, MBA-Professoren und so weiter, die begeistert über diese Denkweise (sie nennen es freilich eine Methodologie) berichten und dafür berühmt, naja, bekannt sind, jedenfalls verbreiten sie es und diese vielen Berater vermittelten mir den Eindruck, dass es eine Nachfrage danach gibt. Aber ich erlebe diese spezielle Nachfrage nach der Methode nicht, die diese Berater und Professoren (die alle weit weg vom Design als ausübende Designer sind) offenbar alle befriedigen. Wie gibt es das? Menschen, die nichts damit zu tun haben, außer dass sie darüber lasen und dieses Wissen jetzt verbreiten. Sie lehren eine Methode, eine spezifische Vorgangsweise, dabei ist es eine Denkweise, die keineswegs als Prozess dargestellt werden kann. Tim Brown schreibt es ja, man kann kein Rezept vorlegen. Es ist sozusagen ein »Unprozess«.

»[...] Although I would love to provide a simple, easy-to-follow recipe that would ensure that every project end as successfully as this one, the nature of design thinking makes that impossible. [...]« aus Brown, Tim, »Change by Design«, Kindle-Page 15.

Jetzt kommen die daher und haben sogar Erfolg damit. Man könnte als einfach denkender Designer doch nur annehmen, dass man die erste Quelle für diese Nachfrage ist. Wenn schon Design-Thinking (die Denkweise der Designer), dann kauft man die doch bei einem Designer und nicht beim Unternehmensberater oder Wirtschaftsprofessor. Letzterer wäre ja doppelt theoretisch. Kein Designer und kein Unternehmer, nur einer der darüber plappert.

Zum Beispiel diese amerikanische Professorin. Sie scheint mir mit ihrer neuen Spezialisierung ein gutes Leben leben zu können. Wie gibt es das? Man holt Rat von ihr, dabei hat sie die eigentliche Kraft dieser Denkweise gar nicht erlebt. Sie sagt ja selbst, sie hat wenig Ahnung vom Design.

Naja, dann kann ich eigentlich auch über Management und Wirtschaft philosophieren und vortragen. Wenn Henry Mintzberg dann noch sagt »Design ist Management«, dann bin ich noch mehr authorisiert dazu. Ich meine ja auch, dass Designer und Unternehmer berufsverwandte sind.

Ach was soll’s, ich kann ja ewig jammern. Das ist jetzt aus. Kein Jammern mehr. Handeln!

Design-Thinking ist keine Methode!

Daher ist es auch in der Metapher kein Hammer und somit auch nicht nur für Nägel zu gebrauchen. Es stimmt ja, die Welt hat nicht nur »Nägel-Probleme«, es gibt auch »Schrauben-Probleme«, »Klebe-Probleme«, »Klick-Probleme«, »Adhäsions-Probleme«. Sie verstehen, es gibt hunderte Probleme unterschiedlicher Art.

Menschen von ausserhalb des Design-Umfelds fragen dann, wo sind die Grenzen von Design? Und »unsere Design-Ikone« Charles Eames antwortete ihnen: Wo sind die Grenzen von Problemen?

Das ist es, was wir mit Design-Thinking schaffen. Wir lösen damit Probleme.

Alle!

Es ist diese Denkweise, die das schafft. Es ist eben keine spezifische Methode, es ist allerhöchstens eine Super-Methode indem sie verfügbare Methoden kombiniert, diese dann problemrelevant, auch unorthodox und fragmentarisch, anwendet, mit dem Ziel ein gesuchtes Ergebnis zu erreichen. Es gilt aus der vorgefundenen, von den Menschen (z.B. dem Auftraggeber) unangenehmen Situation, eine einem Ideal nahekommende zu ...... GESTALTEN!

Das ist designen! Es ist die Strategie, um den Status quo zum Status cupio (der gewollte, gewünschte, begehrte Status) zu verändern.

Also ist es doch verkaufbar. Also müsste es doch auch für diese Denkweise einen Markt geben.

Design(-Thinking) vom Designer oder vom Unternehmensberater?

Wenn das der Fall ist, dann muss doch – so meine Schlußfolgerung weiter – dem einfachsten Menschen klar sein, dass man diese Denkweise besser bei jenen einkauft, die diese Denkweise seit Jahren, seit über 30 Jahren anwendeten und also eine Menge Anwendungserfahrung damit habe als bei jenen, die sie nur vom fazilitieren her kennen, die sie selbst nicht anwenden, sondern andere bloß dazu anleiten sie anzuwenden.

Unternehmensberater, die jetzt Design-Thinking-Experten sein wollen, weil sie in einem Kurs waren – auch wenn der teuer war und im besten Fall auch länger als eine Woche dauerte – können nicht das leisten, was Designer können, weil sie die Denkweise nicht gelebt haben. Sie haben noch nichts designt. Sie waren noch nicht bis zu den Achseln im Dreck der Ideensuche versunken. Sie haben die Frustrationen noch nicht erlebt, wenn die Ideen nicht das gewünschte Ergebnis liefern, wenn man dem Geist wieder Luft geben muss, wenn man die Muse sucht, die Inspiration ersehnt und dann, wenn es gelungen ist und dieser Geistesblitz einem durchzuckt hat, dann kennen sie nicht die lange Durststrecke der Realisierung. Das ist dieser lange nahezu gerade Strich am Ende des Squiggles, der Endspurt, bei dem man noch immer auf Überraschungen gefasst sein muss.

Ernsthaft Innovieren (Designen) oder Time-Boxing-Spiel?

Sie kennen nur ihr vertrotteltes Time-Boxing und ihre Spaßwochenenden, bei denen alle fröhlich irgendwelche Ideen auf Postit pinnen. Was dann? Das ist Sache des Auftraggebers.

Oh, es ist nichts verwertbares herausgekommen?

Naja, da hätten sie besser dran bleiben sollen, da hätten sie noch ein Wochenende »Spaß« buchen müssen.

Oder was?

Nein, die Innovation kann freudvoll sein, aber es ist kein Spaziergang voller lustig lachen und Postit-kleben. Aber das weiß dieser Berater nicht, denn so hat er es (diese »Methode«) nicht gelernt. Und selber war er noch nie in so einer Lage. Seine Projekte laufen keine 2, 3 Jahre, sondern ein Wochenende. Naja, manchmal gibt es auch mehrere Beratertage im Jahr. Für Design-Thinking? Nein, für echte Wirtschaftsberatung, Business-Process-Reingeneering oder Projektmanagement-agil-irgendwas. Design-Thinking hat nicht so gegriffen. Der Markt ruiniert von so einem Ei.

Dabei ist es eine brillante Denkweise, die vielerlei Vorgangsweisen ermöglicht und die Menschen anfeuert und unterstützt, sie zu Höchstleistung aufstachelt. Aber eben nicht in der »Time-Box«, sondern mit Zeit.

Der Mainstream will es aber so – eben als Methode – erzählen. Wenn Sie Gedanken abseits dieses Hauptstroms lesen wollen, dann empfehle ich mein Buch »Das andere Buch über Design-Thinking«, das Bookboon 2018 als PDF-eBook und 2020 als Hörbuch herausgebracht hat.

Wenn Sie einen persönlich Diskurs vorziehen, dann buchen Sie ein Sparringsgespräch mit dem Design-Philosophen und Managementdesigner.

Oder Sie wollen mehr darüber lesen: dann abonnieren Sie »Design-Thinking am Sonntag.«