Angewandtes Servicedesign gegen die neue Unart

17/03/2022

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Es entwickelt sich zu einer störenden Unart im Dialog mit Kunden und Bekannten. Die Unart ist das elegante Auslassen der Signatur in den eMails.

Neu ist das eigentlich nicht. Eher war das immer schon so und ufert jetzt auch in den professionellen Bereich aus.

Kürzlich will ich einen Kunden per Telefon kontaktieren, ich suche die Telefonnummer, auf der Website ist sie nicht ausgewiesen und die Zentrale findet man nicht gleich (zu anstrengend), also suche ich nach den eMails unserer Korrespondenz und finde natürlich eine Menge davon. Alle eMails haben am Ende eine Disclaimer, naja fast alle, aber keine davon eine Signatur, die die Telefonnummer oder die Adresse nennt. Das sind bei aller Geschäftsfreundschaft dennoch Geschäftsbriefe. Das ist so, als hätte man in den 1980er und 1990ern (wir schrieben Briefe und sendeten uns Telefaxe) den Briefkopf vom Brief heruntergeschnitten. Der Witz ist, dass der Disclaimer, der sagt, dass die Daten geheim sind und man sie vernichten soll, wenn man nicht der Empfänger ist, auf jeder eMail drauf ist. Aber eben nicht die Telefonnummer.

(Der Nutzen solcher Disclaimer ist mir ohnehin ein Rätsel. Wenn du Rechstanwalt bist, wird es dir klar sein, aber mir erschließt sich das nicht. ¶ Ein ehrlicher Mensch, der sich daran halten wird, der würde die eMail, die nicht an ihn adressiert ist, löschen, vielleicht sogar noch den Absender über die Fehlleitung informieren; ein unehrlicher Mensch, der die Information der eMail nutzen kann, wird den Disclaimer nicht beachten. ¶ Ja, aber dann wäre er nun offiziell Rechtsbrecher, weil ja der Hinweis da stand. ¶ Na gut, in einer Vertrauensgesellschaft würde das gelten, aber unsere Gesellschaft verändert sich grade drastisch.)

Offenbar meint man, der andere wüsste ohnehin die Kontaktdaten. Es ist ein langjähriger Kunde und wenn ich am Desktop-Computer (auf dem die alten eMails gespeichert sind) suche, dann finde ich in den ersten eMails die Signatur. Aber der Desktop-Rechner ist nicht mit und am Laptop speichere ich nur die letzten drei Jahre. Keine Telefonnummer ... also nicht leicht auffindbar.

Vielleicht wollen manche »Brieffreunde« gar keinen direkteren Kontakt als die eMail, z.B. schon nicht per Telefon.

Das wäre ein tolles Service.

Selbst wenn ich schon zig mal mit jemanden telefoniert habe, könnte es sein, dass ich auf die Telefonnummer in meinem CRM nicht zugreifen kann, mich aber erinnere, dass ich erst kürzlich eine eMail erhalten habe.

Dann wäre es prima, könnte ich diese jüngste eMail herausholen und die Telefonnummer – oder die Briefadresse – ablesen.

Ja, auch die Briefadresse braucht man gelegentlich. Ganz am Anfang der Geschäftsbeziehung, damit man das Auftragsschreiben und die Rechnung schreiben kann, aber später mitunter auch, wenn man ein Überraschungsbuch oder ein Weihnachtsgeschenk senden will. 

Dann sucht man wieder die jüngste eMail ... keine Adresse. 

Also Webbrowser starten, Webadresse eintippen, Kontakt klicken, oje, das ist nur ein Webformular, also Impressum klicken, manchmal dann weiter ins Firmenbuch hanteln (»weil ich brauch die Kunden nicht vor meinem Büro stehen haben«) und aus dem Firmenbuch dann die Adresse abschreiben. Danke!

Fazit 

Echte Hilfe und kundenorientiert (auch freundeorientiert) ist es, wenn die Signatur auch noch in der hundertsten eMail drinsteht. Gerne auch in einer verkürzten, einzeiligen Form. Dann hab ich Adresse oder Telefonnummer immer genau dann, wenn ich sie brauche. Ich finde sie in der jüngsten eMail-Korrespondenz.

Alles andere ist eine Unart.


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