Sie sagen »Design-Thinking braucht bestimmte Räume« – Was?

18/09/2022

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Design-Thinking ist kein Prozess, ist nicht fixiert, kein Rezept. Es braucht auch keine bestimmten Räume dafür.

Design-Thinking kann ich immer und jederzeit und überall und für alles anwenden. Als Designer ist es meine Herangehensweise an Aufgabenstellungen. Ich agieren immer danach. Ich bin ja immer Designer, auch daheim. Das ist manchmal störend, aber meistens sehr hilfreich. 

Störend ist es, wenn bestehende eingespielte Abläufe in Frage gestellt werden, wenn man sie anders machen will, weil man meint, anders wäre besser.

Dann aber ist es auch hilfreich, weil das andere, der Versuch, entweder zeigt, wie es besser, einfacher, bequemer, schneller funktionieren könnte oder weil der Versuch bestätigt, dass wir aktuell die beste Vorgangsweise verwenden.

Die kultivierte Naivität der Designer ermöglicht den Designern dieses Dagegen-Denken, dieses Anders-Denken. Sie sind damit immer Neulinge in der Branche – trotz des Domäne-Wissens, dass sie sich in der jeweiligen Branchen schnell anlernen. Sie können es für Momente des Testens, des kindlichen, die Innovation freilegenden Warum-Fragens ausschalten. Das ist ein enormer Vorteil.

Und Neuling in einer Branche sein – auch wenn es nur gespielt ist – ist entscheidend für Innovation. Die Neulinge, die die Usancen einer Branche nicht kennen, die nicht wissen, wie es »nicht geht«, die erzeugen die Disruption, die Erschütterung im Markt, die Neu-Ordnung. Ein neues Geschäftsmodell für Musik, eine neue Art zu telefonieren, eine neue Art Automobil, eine neue Form der Bankgeschäfte, eine neue Art Raketen zu bauen, Tunnel zu bohren, Urlaub zu machen, Taxi zu bestellen, etc.

Design-Thinking gibt es seit hunderten von Jahren. Die Geschichte von Christophorus Columbus und dem Ei ist eines der ersten Beispiele. Eine vorgefundene Situation muss gelöst werden. Mit dem Bekannten gelang das nicht und wer immer das Gleiche macht, erhält immer das gleiche Ergebnis: das Ei rollt weg. Wenn man es anders macht, unorthodox, dann bleibt das Ei stehen, weil man es eindrückt oder in ein Salzhäufchen stellt.

Wenn man meint, man könne nur in einem bestimmten Raum, mit bestimmten Bauklötzen kreativ sein, dann delegiert man die Kreativität an diese Bauklötze. Dann tut man so, als wäre man befreit, aber man presst letztlich damit einen freien Prozess in ein neues Korsett.

Dass die Möbel-Industrie diesen Hype aufnimmt und für mehr Absatz nutzt ist klar und nicht verwerflich. Dass Verantwortliche meinen, dass das Stapeln von Kisten zu unterschiedlichen Gebilden ausschlaggebend ist, beweist, dass diese freie Denkweise keineswegs einfach so jedem Menschen überstülpbar ist. Sie entlarvt diese Manager möglicherweise auch, dass sie wirklich an einer frei denkenden, Innovation fördernden Kultur interessiert sind.

Ein designdenkender Mensch – das sind ja auch Künstler, Philisophen, Regisseure, etc. irgendwie alles Mitglieder der »Creative Industries« und dann noch ein paar mehr – würde sich nicht vom Schreibtisch oder vom Schreibwerkzeug einschränken lassen. Ein Bleistift, ein Blatt Papier, fertig ist der Kreativ-Raum.

Ideo hat das demonstriert und diesen Hype ausgelöst. Aber deren Räume bestehen nicht aus vorgefertigten, modularisierten Standardelementen. Es sind Fundstücke, manche in größerer Anzahl, manche Einzelstücke. Man hörte, da waren viele Schaumstoffwürfel, aber da war auch ein Flugzeugflügel. Man bastelt sich ein angenehmes Umfeld, mit den Dingen, die man vorgefunden wurden. Ohne strengem Regelwerk. Freilich (vermutlich) mit Rücksichtnahme auf die Kollegenschaft. Wir gesalten die Räume, die Räume gestalten uns.

Das Management will dieses freie Denken, diese unorthodox agierende Handlungsweise domestizieren. Da sagt jemand, es sei kein Prozess? Gut, dann beschreiben wir es dennoch als Prozess, das geht irgendwie (klar, muss es) und dann geben wir diesem wilden Treiben ein Reservat, einen speziellen Raum, eine eigene Etage, wenn man großzügig ist, und damit das Ganze nicht aus dem Ruder läuft, auch noch eigene Möbel.

Damit ist klar, wenn du nicht in diesem Raum bist, verhalte dich bitte wieder »normal«. Das ist das Gegenteil von dem was wohl mit einer Kulturveränderung hin zu mehr Kreativität, zu mehr Innovation beabsichtigt war. Oder als gewünscht behauptet wurde. Wir wollen die Kreativität fördern, aber nur in diesem Raum. Mit diesen, vom Management abgesegneten Büro-Elementen. (Das ist vermutlich unbewusst. Jetzt nicht mehr.)

Da wissen sie nicht, dass Ideo mit den im Raum vorhandenen Bürostühlen Prototypen baute, etwas im Meeting ausprobierte, wenn es notwendig erschien und nichts anderes da war. Wir selber [bei GP designpartners] benutzten Bierkisten, um unterschiedliche Podeste zu simulieren, Milchpackungen, um Gewicht und Griffpositionen schnell zu prüfen, etc. Wir machen mit dem, was da ist das Beste, was möglich ist. Wir brauchen dafür kein spezielles Element, eines, das irgendwie vorgibt, wie das Modul zu sein hat.

Wer meint, um Design-Thinking zu praktizieren, brauche er spezielle Räume, sonst würde es nicht funktionieren, der hat es nicht verstanden, hat es niemals wirkich praktiziert.

Aber ich will nicht mehr jammern. Ich will aufklären und auffordern, sich nicht von solchen Vorgaben, die letztlich bloß künstliche Hürden zur Kulturveränderung oder Kulturentwicklung darstellen, zurückhalten zu lassen. Wer eine Idee hat, erkennt, dass etwas nicht so funktioniert, wie es sollte, der probiert aus, versucht die Verbesserung, gerne stümperhaft, mit dem was vorliegt, mit der Verpackung der letzten Amazonlieferung (der Wellpappe), mit dem Styropor, mit den Postit, mit einer Fotostrecke auf dem Smartphone, mit Bleistift und Papier, mit einer Geschichte, mit einem kleinen »Schauspiel«, egal wie, die Idee mitteilen, sehen, die These vailidieren, Schlüsse daraus ziehen, weiter probieren. Wenn es gelungen ist, dann korrekt, präzise ausarbeiten.

Design-Thinking braucht keine speziellen Räume, obwohl das Umfeld inspirierend sein kann. Im Innovation-Briefingerkannten wir das Kaffeehaus als so einen Raum, der sogar empirisch bestätigt ist.


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