Innovation-Briefing Nr. 25

02/01/2023

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8:30 — Graz, Paderborn (NRW), Salzburg, Seeboden, Wien. Ein Rückblick, das Business-Model-Canvas hat sich auch im abgelaufenem Jahr wieder als nützliches Universalwerkzeug bewährt. Es ist nicht der berüchtigte Hammer, der alle Probleme zum Nagel macht, es ist das Schweizer Taschenmesser der Management-Tools, mit dem wir Probleme einkreisen und »vorbehandeln« können. Damit lässt sich ein Nutzen einer Produktidee darstellen, eine Idee auf Plausibilität und Chance für Innovation prüfen und auch der Projekt- oder Geschäftspartner informieren und überzeugen. Gut durchdacht und sinnvoll ausgefüllt erkennt man schnell die Stärken und Schwächen einer Idee und auch, wo man ansetzen muss, um Risiko zu verringern und Überzeugung zu finden. 

»Gut durchdacht und sinnvoll ausgefüllt« meint, dass wir jene Felder bearbeiten, die für unser Projekt kritisch erscheinen, es meint nicht zwingend, dass das Business-Model-Canvas vollständig ausgefüllt werden muss. Manchmal macht das keinen Sinn, ist bloß überflüssige (weil zu früh angegangene) Arbeit, die keinen Erkenntnisgewinn bringt, manchmal ist das seriös gar nicht möglich. Es ist nämlich keineswegs so, dass gut geschätzt besser wäre als nichts hinzuschreiben (wie wir das in der »1. Klasse Businessplan-schreiben« immer wieder hörten). Wenn ich eine Information nicht habe, dann ist es besser das Feld leer zu lassen, damit allen klar ist, dass da eine Wissenslücke besteht. Kann man ohne dieser Information keine Entscheidung treffen, dann ist auch allen klar, was als nächstes zu tun ist. Kann man auch ohne dieser Information die Entscheidung für den nächsten Schritt treffen, dann wäre das Ausarbeiten überflüssig – jedenfalls zum aktuellen Zeitpunkt.

In der Debatte wird klar, Innovation ist wichtig, aber sie muss nicht immer disruptiv sein. Es gibt auch evolutionäre Innovation, eine Verbesserung (eben eine Erneuerung) in kleinen Schritten. Ich glaube, und damit wähne ich mich nicht allein, dass diese kleinen, aber stetigen Verbesserungen – die Mikro-Innovationen – genauso wertvoll sind, wie die großen, umwälzenden, dieses erschütternden (disruptiven) Erneuerungen. Diese großen, dramatischen Ereignisse erfordern nämlich eine ganz andere Vorgangsweise, denn diese Erneuerungen sind – per definition – erschütternd neu. Sie sind daher nicht anschlußfähig und potentiell gefährdet zu scheitern.

Gelingt es nämlich nicht die Innovation anschlußfähig zu machen, dann gelingt eben keine Markterschütterung, kein durchschlagender iPod-Erfolg. Das sind jene genialen Projekte, von denen man später behauptet sie wären zu früh da gewesen, ihrer Zeit voraus.

Auch in diesen Fällen kann das Business-Model-Canvas Anregungen geben – wenn man es so zu verwenden versteht – wo Anschlußfähigkeit fehlt und wie sie erreicht werden kann. Wenn wir uns gut über unsere Konsumenten informieren, wenn wir die passenden Beziehungen zu ihnen aufbauen, dann werden wir die entscheidenden Hinweise finden, wie wir Anschlußfähigkeit erzielen können. 

Beim iPad war es die Funktion des Telefonierens. 

Das mag jetzt manchen eigenartig vorkommen, denn das iPad kann ja nicht telefonieren. Die neue Technik, diese Multi-Touch auf Glasplatte, musste erst anschlußfähig gemacht werden. Mitte der 2000er hätte die Mehrheit der Zielgruppe überhaupt nicht verstanden, wozu sie ein iPad brauchten und dass das der gesuchte Tablet-PC sein soll. Also präsentiert man ein Telefon, das iPhone. Die Argumentation war, dass die Telefone immer mehr Funktionen übernehmen, »smart« würden (das waren Blackberry, Nokia Communicator, etc.) und also immer neue Software beigelegt bekamen. Diese neue Software braucht Bedienelemente – also Tasten – und die musste man beim Designen der Hardware bereits vorsehen, denn sind die Plastiktasten erst einmal hergestellt und eingebaut, dann gibt es nur diese.

Würde man das Tastenfeld aber auf einem Bildschirm darstellen, dann könnten sich die Tasten verändern, je nachdem welche benötigt würden.

Also erklärte Steve Jobs den Menschen damals (2007), man würde ein Telefon bekommen, das auch ein iPod wäre, mit dem man auch im Internet surfen konnte. Ein Telefon, ein iPod, ein Internet-Communicator. Die drei Produkte sind eines: das iPhone. Diese Glasplatte, die unser Leben drastisch veränderte. Das konnten die Early Adopter gut annehmen und schnell der Early Majority schmackhaft machen. Ein Telefon ist klar und das Adressbuch war so elegant zu bedienen. Klar, nicht alle verstanden das, auch nicht alle Experten, wie uns Sebastian mit diesem Clip erinnert.

Sebastian ergänzt, dass anschlußfähige Innovation manchmal auch gar nicht erfolgreich sein kann. Weil die legislativen Hürden zu groß sind oder gar absichtlich vergrößert werden. Uber ist so ein Beispiel – in Österreich. Eigentlich disruptiv, also marktverändernd, aber nachträglich mit dieser Lex Uber gelähmt. Die Maschinenstürmer des 21. Jahrhunderts (die Taxigewerkschaft und Taxikammer) hat sich (für den Moment) durchgesetzt. Langfristig wird das nichts ändern – wir diskutierten das im Innovation-Briefing Nr. 22 – die Veränderung lässt sich nicht aufhalten und klüger wäre es – ganz nach George Eastmans dritten Prinzip – sie zu umarmen. Man hat jetzt die Neuerung »Uber« verhindert, den Markt verengt (jeder braucht eine Taxilizenz, auch die Limousinen-Services, wodurch Nebenverdienste für Studenten erschwert werden und auch die Unternehmer eingeschränkt, also auch ein Steuerausfall) und hätte damit verdienen können. Man hätte die Technik, man hätte die Innovation dieser Uber-Customer-Journey umarmen und übernehmen müssen, man hätte sie mit den von Uber gemachten und damit vorhandenen Erfahrungen verbessern können und man hätte die Loyalität der Kunden aktiviern können. Haben die Menschen die Wahl zwischen einem ausländischen und einem bewährten Service bei gleicher Qualität (und Bequemlichkeit), dann wählen die meisten den vertrauten Dienst, das Wiener Taxi. Aber eben nur, wenn das genauso bequem und annähernd gleiche Qualität liefert, wie der neue Dienst. Da kenn ich den Fahrer, da weiß ich, wann er kommt, was es kostet, ich muss nicht mit Bargeld hantieren, ich habe Sicherheit, weil ich anderen mitteilen kann, dass ich im Uber-Auto sitze und man mich tracken kann (wenn ich das will). Ein Gewinn an Sicherheit für Passagier und Fahrer.

Die Stromschnellen der Innovationsbehinderung

Wir müssen uns darauf vorbereiten durch die Stromschnellen der Innovationsbehinderung durchzusurfen. Wir müssen uns – eine Domäne des Design-Thinking – mit den Gegebenheiten abfinden. Diese »Stromschnellen« sind einfach da und wir müssen Strategien entwickeln, wie wir unbeschadet durchkommen, also unsere Innovation realisieren. Kapriziere ich mich nicht auf die disruptive Innovation, sondern begnüge ich mich auch mit einer evolutionären, dann kann ich wieder mein Business-Model-Canvas nutzen. Wie das im Detail gelingt, beschreibe ich im Buch »3-Sprung zum besseren Produkt«, aber hier das Prinzip:

Das Produkt liefert für meiner aktuellen Zielgruppe, meinen Käufern, offenbar einen Nutzen – den Wert, den ich versprechen muss. Ist mir dieser Wert klar, dieser Job, den mein Produkt meinen Käufern erledigt, dann überlege ich, wie ich diesen Wert mit den vorhandenen Mitteln (also leicht für mich) noch erledigen kann. Meine Backstage, die linke Seite zeigt mir, was ich habe, die Ressourcen, meine Fähigkeiten und die Aktivitäten (hier könnte ich auch jene Maßnahmen notieren, die ich treffen muss, um diese Stromschnellen zu durchschiffen), die Partner. Daraus leitet sich die Kostenstruktur ab (die nun auch diese Stromschnellen-Maßnahmen inkludieren). Das vergleiche ich mit der Zahlungsbereitschaft der Kunden (ungefähr das, was sie derzeit bezahlen und wenn das neue Produkt besser ist auch etwas mehr – ich setze den in Relation zum Marktpreis, der sich aus dem alternativen Angebot ergibt) und ergänze ich mit dem für mich leistbaren Verlust. Die Summe aus Zahlungsbereitschaft und leistbaren Verlust steht den Kosten gegenüber und bildet nun eine Grundlagen für die Entwicklungs-Entscheidung.

Wie wir das schaffen und welche Hilfe das Business-Model-Canvas dabei bietet, das besprechen wir in den heurigen Innovation-Briefings. Da werden wir uns auch die externen Einflüsse genauer ansehen, die auf ein Business-Model einwirken, das Umfeld des Business-Model-Canvas. Wenn du mitdiskutieren willst, dann melde dich an zum Innovation-Briefing.


PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:

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