Einst beschäftige auch ich mich mit Schach. Jedes Kind will das einmal lernen. Der Springer erschien mir damals als eine recht komplizierte Figur. Nicht nur im Aussehen (schließlich wird da ein Pferdetypus nachgemacht), sondern auch durch sein komplexes Zugmuster.
Die Figur ist nicht leicht zu erklären und schwierig zu verstehen – wie ich mich unlängst wieder überzeugen konnte, als ich die Grundlagen des Schachspiels erklären musste.
Mit allerlei Tricks und Eselsbrücken gelingt es, dass der Neuling begreift, wie er mit dem Springer umgehen kann, nur um dann, im richtigen Spiel, wieder nicht auf die »Sprunghaftigkeit« – sie ist häufig überraschend – Rücksicht zu nehmen.
Das erinnert frappant an Design-Thinking. Schwierig zu erklären, nicht leicht anzuwenden, am besten durch Beispiele verstehbar.
Also präsentiere ich mich selbst als Beispiel für Design-Thinking. (Das ist leicht, es ist meine Denkweise.)
Um einer drohenden Verwirrung meiner Zuhörern und den Studenten in Vorträgen und Workshops zuvor zu kommen, beginne ich häufig mit einem Bekenntnis.
Meine Sprunghaftigkeit!
Ich warne, dass es sein kann, dass mein Vortrag manchem der Zuhörer sprunghaft erscheinen mag und dass es mitunter eine Herausforderung darstellt, dem roten Faden – der zweifelsohne vorliegt – zu folgen.
(Der Punkt ist, dass der rote Faden im Design-Thinking nicht gerade da liegt, sondern als Knäuel.)
Es ist die Flucht nach vorn, die aus einer vermeintlichen Schwäche eine tatsächliche Stärke macht. Schließlich ist man hier, um Design-Thinking zu lernen. Design-Thinking ist nicht linear und vorhersehbar. Mein Vortragsstil illustriert das: Ich bin ein Beispiel, mein Vortragsstil, meine Workshops sind Beispiele für Design-Thinking im Gebrauch; das macht sie höchst effektiv.
Meine Teilnehmer lernen durch erleben, nicht durch theoretisches Besprechen und anschließendes Abarbeiten eines strengen, linearen Prozesses.
Den es im Design-Thinking nicht gibt.
Da ist wieder diese Analogie zum Springer im Schach. Der Springer bewegt sich nicht linear. Linearität gibt es beim Läufer, beim Turm, bei der Dame und (wenn auch langsam) beim König; die Bauern sind wichtig, aber die rücken stetig nach vor (one-way), das ist vielleicht die Produktion. Der Springer ist wendig. Vor. Zurück. Seitlich. Nein, doch anders. Das bringt etwas Wirbel in das Feld, aber eben auch die Innovation.
Die Sprunghaftigkeit im Vortrag (aber tendenziell auch in diesem Artikel) hat enorme Vorteile.
Studien zufolge lernt man Lern-Material besser (und nachhaltiger), wenn man zunächst gar nicht weiß, was etwas bedeutet. Verwirrung unterstützt das Erkennen von Zusammenhängen. (Freilich, das muss in Maßen stattfinden; das richtige Maß habe ich offenbar gefunden.)
Ich fordere dann zusätzlich meine Zuhörer (und auch dich, lieber Leserin) auf, die Informationen an der passenden Stelle in ihrem Wissens-Regal einzuräumen. Passend (und anders als jeder andere) zu vernetzen.
Ich bitte sie, sich auf die Sprunghaftigkeit meines Vortragsstil vorzubereiten und auch, sich darauf einzulassen. Schließlich sind wir hier in einem Design-Thinking-Vortrag/-Workshop und alle wollen Design-Thinking lernen. Ich erkläre hier nicht nur die Theorie und fordere die Teilnehmer an, sie auszuprobieren und anzuwenden, nein, meine Vortragsstil selbst ist ... Design-Thinking.
Ich bin Designer. Es kann gar nicht anders sein. Ich nutze diese Herangehensweise von uns Industriedesignern, die da als Design-Thinking bekannt wurde, in allen Lebensbereichen. Gibt es etwas anderes? Es liegt doch auf der Hand?
Nein, tut es nicht. (Was für den einen klar ist, ist es selten auch für den anderen. Vielleicht sogar niemals. Ich schrieb dieser Tage darüber im Themenkreis Persona.)
Jedenfalls wünsche ich mir, dass sich die Teilnehmer freudig anstrengen mir in der Sprunghaftigkeit zu folgen. Denn wenn sie selbst Design-Thinking erfolgreich anwenden wollen, dann ist das eine der wichtigsten Fähigkeiten. Es ist notwendig, wenn man »über den Tellerrand blicken« will, wenn man vernetzend »das Neue« synthetisieren will. In meinen Workshops trainieren wir das und kommen diesem Ziel deutlich näher.
Es scheint also, als hätte der Springer eine Menge gemeinsam mit Design-Thinking. Auch Design-Thinking lernt man besten im Gebrauch, durch Anwenden.
Genau wie der Springer ist es keine lineare Bewegung. Der Springer hat ein komplexes Zugmuster: nach vor und links; nach vor und rechts; nach hinten und links; nach hinten und rechts; aber auch nach links und vor; oder nach rechts und zurück; auch nach links und zurück und selbstverständlich nach rechts und vor.
Aufzeichnen!
Man muss das aufzeichnen, um es gut zu verstehen. L-förmig oder nach-vor-und-diagonal.
Aufgezeichnet kann man es gut erfassen. Aber dann, im Spiel, da ist es wieder überraschend. Oft erkennt man nicht, dass der Springer etwas erreichen kann. Und – so bestätigten mir Schach-Experten – oft ist der Springer spielentscheidend.
Die Figur ist relativ schnell, kann unvorhersehbar (d.h. leicht übersehbar) und daher überraschend handeln. Immerhin ist der Springer die einzige Figur, die über Hindernisse, über andere Figuren, hinweg springen kann. Das macht ja – neben dem Zugmuster – das Überraschungsmoment dieser Figur aus.
Genauso ist es mit Design-Thinking.
Es ist häufig spielentscheidend.
Es kann über Konventionen und Gedankenhindernisse hinwegspringen.
Freilich, für ein erfolgreiches »Innovations-Schach« braucht es auch die anderen Figuren. Die räumen auf, ordnen, sind mächtig, die Dame, der Turm, der Läufer. Es braucht auch (und unbedingt) linearen Fortschritt; aber mit Springer gewinnt man leichter und schneller.
Es ist nicht möglich Design-Thinking als straffen, immer gleichen Prozess zu erklären und abzuarbeiten, sondern eben nur sprunghaft. Das ist der Charakter dieser Denkweise.
Man lernt bei mir Design-Thinking durch Erleben, indem die Teilnehmer im Workshop etwas ausüben müssen, indem sie Theorie darüber hören und auf der Metaebene, indem wie ich es vortrage. Die Sprunghaftigkeit wird somit Teil des Konzepts. Ein didaktisch linear aufgebauter Workshop wäre genau NICHT-Design-Thinking.
Die Workshop-Teilnehmer sollen lernen kontrolliert chaotisch zu handeln; sich also im Knäuel des Design-Thinkings wohl fühlen, nicht verloren.
Der Vortrag darf – zugegeben, in Maßen – somit auch so ein kontrolliertes Chaos sein, als solches erlebt werden. Passend zum Wissenstand und Status und der Design-Thinking-Kompetenz der Teilnehmer, manchmal mehr, meistens weniger. Zum Glück mache ich das schon lange und kann mich schnell anpassen, wenn es droht zu wild für die Teilnehmer zu werden. Dann fasse ich Mut zur Lücke für mehr (für schnellere) Verständlichkeit. Es geht ums Verstehen!
Wie sprunghaft das auch immer ist, die Zusammenhänge ergeben sich am Ende umso eindrucksvoller.
Auch das ist typisch Design-Thinking. Der lineare Weg wird sichtbar, wenn man sich am Ende eines Projektes umdreht. Ein Teilnehmer, dem die Skala in der Bewertung meines Unterrichts nicht reichte, bestätigte das einst mit einer Grafik.
Erlernen kann man das, indem man es, dieses Design-Thinking, »spielt«. Eben in einem Workshop – oder noch besser, einem Innovations-Jam. So einen Workshop oder so eine Jam-Session organisiere ich gerne für dich. (Einige haben das bereits erfolgreich angewandt oder wie hier berichtet).
PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
#BusinessModelCanvas #Managementdesign #DesignThinking #Servicedesign #Innovation
Jetzt liegt schon der nächste Artikel dazu in einer der Schubladen im Design-Thinking-Gehirn: die Idee, die Umsetzung, die »Innovation ist King«. Der König ist vor Angriffen zu schützen; er ist auch recht wendig, aber sehr langsam.
Also published on Medium.
Es macht Riesenspass diesen Blogartikel zu lesen. Als Design Thinking Interessent zu verstehen was DT ausmacht. Als Unternehmer zu sehen wie und was du mit Interessenten kommunizierst. Als Gelegenheitsschachspieler zu lernen wie außergewöhnlich der Springer ist. Als Kreativgeist mich an dieser Brücke von DT und Schach zu erfreuen.
Einfach danke!