(Logbuch-Eintrag 20230703.0803) — Eine Sparrings-Einheit dauert 90 Minuten und kostet heute 369 €. Aber ich rechne das nicht nach Minuten ab. ¶ Warum? ¶ Weil ich mich großzügig wähne; ich erkenne, dass diese Ungenauigkeit von meinen Kunden geschätzt wird; es gefällt ihnen, wenn ich nicht präzise aufhöre, sondern eben großzügig das Gespräch um 10...20...30 Minuten länger führe. ¶ Aber ein Arzt, ein Rechtsanwalt, ein Therapeut, die würden das doch genau einhalten. Also relativ genau, innert Minuten nach offiziellem Ende aufhören. ¶ Das ist der Punkt, der mir heute dämmerte. »Bewusst geworden ist« wäre zu endgültig formuliert. Ich bin ja noch gar nicht überzeugt, dass es so ist, aber mir dämmerte, dass diese »Großzügigkeit« gar keine ist, sondern der Grund ist eine geringere Selbstwertschätzung. 😳
Oho.
Auch eine Sichtweise.
Ich berechne einen stolzen Betrag für ein 90-Minuten-Gespräch. Es erscheint gerechtfertigt, weil meine Gesprächspartner mir sagen, das die Erkenntnisse während des Gesprächs locker diesen Wert haben. Manche ermutigen mich zu Erhöhung und flehen mich förmlich an, es auf keinen Fall günstiger zu machen. Mir fallen diesen Gespräche ganz leicht. Es fallen mir inspirierende Zusammenhänge ein, ich kann mit Leichtigkeit auf Quellen verweisen, ich erkenne den Kern der Sache, erlaube mir dieses Problem direkt anzusprechen, ungeschönt, auf den Punkt bringend. Diese Leichtigkeit verleitet mich offenbar meinen Wert geringer zu schätzen als dieser Betrag andeutet. Und so rede ich eine halbe oder gar Stunde länger, obwohl das bereits den nächsten Betrag fällig machen würde.
Wie löse ich das? Indem ich meinen Beitrag wert-schätze. Indem ich akzeptiere, dass andere Erkenntnisgewinn aus dem Gespräch mit mir ziehen, den sie anders nicht schaffen würde oder nicht wüsste wie es gelingen könnte. Auch das höre ich immer wieder als Rückmeldung: Ich wüsste nicht, wie ich sonst auf diese ([eigenen]) Gedanken gekommen wäre. Danke.
Also sollte ich wohl in nächster Zeit – ab jetzt – meine Zeit selbst-wert-schätzen, ich will akzeptieren, dass es nützliche Aussagen sind und dass selbst meine Anwesenheit für den anderen wertvoll ist, weil der andere sich ansonsten nicht auf diese Weise mit seinem Thema beschäftigt hätte und es daher auch nicht gelöst, weiterentwickelt, gefunden hätte.
(Es könnte auch mit deren Selbstwertschätzung zusammenhängen: sie leisten sich so ein teures Gespräch mit mir. Sie gönnen es sich, weil sie es verdient haben. Aber eben nur, weil es ihnen nützlich ist.)