Druck, Zeit und Honorar

02/12/2022

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(Logbuch-Eintrag 20221202.0556) — Ich bin voll motiviert. Ich weiß, was ich jetzt schnell alles tun muss und was ich heute alles tun will und vor allem, was ich alles für morgen und nächste Woche getan haben muss. Das Problem ist ... ich stecke bei einigen Projekten mitten im Knäuel. Ich weiß, dass ich Fortschritte mache, ich weiß, dass es dann plötzlich kippt und der Projektfortschritt spontan sichtbar werden wird, aber ich bin dennoch frustriert, dass ich es jetzt nicht sehen kann. Zwei Projekte zeigen den Fortschritt nicht, saugen die Arbeitszeit auf wie die Sahara ein Glas Wasser. Aber die Keime darunter, das kann ich spüren, die wachsen, die werden bald sichtbar. Ich kann nur nicht sagen, ob das heute morgen, nächste Woche oder doch erst nächstes Monat der Fall ist. (Sie wurden im März 2023 sichtbar und waren fantastisch, sie sind es noch immer.)

Das ist das zweite, die Sache verschärfende Problem. Die Auftraggeber machen Druck. 

Die einen sind ungeduldig, immer, die hetzen mich (also ich fühle mich gehetzt), weil sie ihre Sprints so eingeteilt haben und jedes Monat Releases liefern wollen, die aber aus UX-Designsicht zu groß sind, weil man eben keine halbe Karosserie (z.B. eines Autos) liefern kann (das wäre ja ein Spaß, diese Woche nur die vorderen Kotflügel, der Rest bleibt noch, nächste Woche die Motorhaube; die rückwärtigen Kotflügel und das Heck sind erst für Q1-2023). Das geht nicht. Beim vorderen Kotflügel muss der rückwärtige zumindest konzeptionell mitgedacht sein. Dabei ist dafür noch nicht einmal die Konstruktionsbedingung klar.

Die anderen machen keinen Druck, sind geduldig; das hat auch den Nachteil, dass die ersten zumindest kurzfristig bevorzugt werden; das hat aber auch den Vorteil, dass sie von Arbeitsoptimierungen der ersten profitieren und in mancher Hinsicht direkter durchdachte Lösungen erhalten. Aber die Geduld kann nicht ewig währen, dieser Tage muss das Finale hergezeigt werden. Es ist schon viel Zeit hineingeflossen und daher braucht es einen offiziellen Abschluss, damit die Folgebeauftragung ausgesprochen werden kann.

Das ist ein Nachteil des Nicht-nach-Stunden-arbeiten, den ich erkenne. Ich will das Ergebnis liefern. Mitunter war das einfach zu niedrig angesetzt. Doch halt – die Anzahl der Stunden ist irrelevant. Dem Kunden ist das Ergebnis etwas wert und das ist der Preis. Unabhängig von meiner Zeit. Das ist meine Sache. Genauso lehrt es die Austrian Economics und so, nur so, macht es Sinn. Es kann nicht sein, dass z.B. die Unkenntnis mancher Arbeitsweisen dazu führt, dass man doppelt so lange braucht und daher das Produkt doppelt so teuer ist, während man bei entsprechender Kenntnis der Software sehr schnell ist und schnell Ergebnisse liefert und daher sehr billig sein soll. Daran zeigt sich ja schon die Dummheit dieser Zeit = Geld Überlegung.

Der einzige Moment, in dem Zeit als Zeit zu bezahlen ist, wenn Zeit das Gut ist. Eine Krankenbetreuung verkauft nicht (nur) die Gesundung, sondern vor allem die Zeit der Fürsorge. Es ist die Zeit des Krankenbetreuers (der Krankenschwester), die man bezahlt, nicht das Ergebnis, gesund zu sein, das ist die Folge der entsprechenden Zeitaufwendung.

Anders verhält es sich wohl beim Arzt. Da könnte man sagen, es ist egal ob der 5 Minuten oder 10 Stunden über einen Patienten nachdenkt, das Ergebnis erzeugt den Wert: der Patient ist gesund. Freilich muss der Arzt sich trotzdem Zeit nehmen, sonst schafft er das Ergebnis nicht, aber der Wert entsteht durch die Gesundung. Es ist mir nicht mehr wert, wenn der Arzt zwei Jahre an mir probiert als wenn er in einer Woche meinen Heilungsprozess in Gang setzt. Im Gegenteil, die zwei Jahre müssten billiger sein, weil es Lehrjahre des Arztes auf meine Gesundheitskosten waren. Das Ergebnis durch Wissen ist das Gut.

Die Krankenschwester aber, die sitzt hier, die bringt Tee, die liest etwas vor, sorgt sich, achtet auf meinen Zustand; das ist Lebenszeit, die einem Patienten gewidmet wird. Die Zeit ist das Gut.

Also alles fein. Mir geht es gut, ich bin motiviert, die Arbeit macht eine Riesenfreude und das Einkommen ist bequem. Ich lege los.


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