(Logbuch-Eintrag 20220812.1325) — Das ist so einschneidend, dass es einen extra eigenen Logbuch-Eintrag verdient: Die Erkenntnis, dass man sich in den meisten (in allen) Fällen umsonst ärgert. Umsonst im Sinne von, dass es die Situation an sich nicht verändert, schon gar nicht verbessert. Die allgemeine Situation, die persönliche freilich schon, denn man hat emotionalen Stress, schüttet, Birkenbihl erklärt das, mordsmäßig viel Stress-Hormone aus und ist in anderen Dingen beeinträchtigt.
Die Kommunikationsqualität mit anderen Menschen, die gar nichts dafür können, die man unter anderen Umständen freundlich behandelt hätte, werden angeschnauzt (im besten Fall) oder beschimpft; ein Ereignis, dass ohne dem vorhergehenden Ärger einfach abgehandelt und auch ausgehalten worden wäre, wird nun zum Ärger-Turbo und verstärkt die Stress-Hormonisierung; die Konzentration auf andere Aufgaben ist drastisch beeinträchtigt; die Fehleranfälligkeit steigt, die Kreativität sinkt; etc.
Heute erlebte ich bislang gut drei oder gar vier solcher Momente, in denen ich – vermutlich aufgrund meiner neuen Kenntnis der Birkenbihl-Meinung – erkenne, dass der Ärger eine Entscheidung ist.
Meine Entscheidung!
Ich überlegte in allen Fällen, was geschehen wäre, hätte ich es einfach hingenommen, ignoriert, wäre nicht darauf eingestiegen, hätte natürliche Folgen eintreten lassen.
Es wäre Nichts gravierendes passiert.
Die anderen hätten sich (vielleicht) geärgert – sie waren vielleicht auch in Ärgerstimmung als sie schrieben oder handelten –, aber vor allem ich hätte zügig weiter gearbeitet.
Was ich irgendwie auch tat, aber nicht ganz so, wie es gelungen wäre, hätte ich den Ärgernissen keine Bedeutung beigemessen.
Ich tat das.
Aber diese Mal mit anderem Bewusstsein.
Das war gut.
Etwas Neues.
Das Fazit aus den heutigen Ärgernissen: wäre ich nicht darauf eingegangen, hätte ich mich nicht für das Ärgern, sondern für Freude entschieden, wären die Dinge genauso gelaufen (also die außerhalb meines Einflussbereiches) und meine eigenen Handlungen wären ungestört verlaufen, vielleicht sogar besser, jedenfalls effizienter – weil es ja keine Unterbrechung oder (ohne Ärger) nur eine kurze statt dieser langen ärgerlichen Unterbrechung.
Ich kann mich entscheiden, mich zu ärgern über die Unfähigkeit der Logistiker, im Call-Center anzurufen, meinen Ärger durch die Warteschleife zu steigern (mehrere Menschen entschieden sich fürs Ärgern) und dann diesem Ärger Luft geben und die Call-Center-Agent anpflaumen – höfflich, weil ich ja weiß, sie kann konkret nichts dafür. Die war so professionell (es war DPD), dass es schön abgeleitet wurde, prüfte den Lieferstatus, nannte die Packstation und wünschte mir (wie ich auch ihr) ein frohes Wochenende. Der Ärger war umsonst.
Ich kann mich auch entscheiden – und das werde ich machen – diese Logistiker, allen voran die Österreichische Post, zu kontaktieren und ihnen meine Hilfe anbieten, diesen Missständen auf den Grund zu gehen und dann ein neues, besseres Service aufzubauen. Es ist eine Frage des Systems-Thinkings (das ich in Kürze auch unterrichten werde). Der Designer, der Servicedesigner, will schöne (das sind unkomplizierte und kundenfreundliche) Prozesse schaffen; eine »Customer-Journey aus 1001 Nacht«. Doch der Willen des Managements und die Darstellung in Prozessschritten und Verhaltensnormen, die es zweifelsohne in Unternehmen, wie der Österreichischen Post gibt ist zu wenig. Wir müssen danach trachten zu verstehen, warum es nicht so funktioniert, wie es geplant, wie es designt wurde und dann das Design anpassen. Das wird nicht gemacht. Man klagt nur über den Mangel an Mitarbeitern und deren Inkompetenz.
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