Aufbruch zu innovativen Ideen: Kreative Quellen entdecken

25/06/2023

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Eigentlich ein paar Gedanken über meine Herangehensweise als Designer und wie man erklären könnte, wie meinereins zu neuen Ideen kommt, sodass jeder es sofort anwenden kann. Also, so gut wie sofort.

Alle wollen wissen, wie das geht, wie der Designer zu den Ideen gelangt. Immerhin ist die Idee die Basis für Innovation. Eine Innovation brauchen wir, denn die ist wiederum Grundlage für Wachstum. Das Wachstum gelingt dann, wenn diese Idee realisiert und also eine Innovation wird, die die Menschen auch kaufen. Genauer, wenn es eine verkaufbare Innovation wird. Die Bedingung für eine verkaufbare Innovation ist, dass die Innovation einen Mangel der Zielgruppe (der Menschen, die sie kaufen sollen) behebt und – das ist der zweite, aber vermutlich alles entscheidende Punkt –, dass diese Menschen aus der Zielgruppe auch erkennen und verstehen können, dass diese Neuerung (die Innovation) einen Mangel in ihrer Welt behebt. Die Innovation verbessert das Leben der Menschen und um sie zu erreichen, müssen wir gestalten. Es ist das Designen, dass das Leben der Menschen verbessert. Ich erläutere das ausführlich im dritten Satz der »6 Sätze über Design«.

Die Menschen müssen freilich auch erkennen, dass sie diesen (einen) Mangel erleiden. Der ist in unserer Gesellschaft meist ein Klagen auf hohem Niveau, aber es ist dennoch ein Mangel. Wir können zum einen sagen, es war großartig, dass wir uns in Wien während der Pandemie bequem und (unmittelbar) kostenlos (mittelbar sind es ja Steuergelder, mit denen das bezahlt wurde) PCR-testen lassen konnten. Der Mangel an diesem »Luxus« war aber die unsäglich schlechte App, die man am Smartphone benutzen musste. In Zeiten wo sich Smartphones zweier Freunde automatisch das WLAN-Passwort des gemeinsam besuchten Lokals mitteilen (wenn man es erlaubt), wo die digitale Landkarte weiß, wo man ist und errät, wo man hin wollen könnte, wo wir uns mit »Künstlichen Intelligenzen« (sic!) köstlich unterhalten können (ja, das ist neu und auch nicht Jedermanns Sache), da ist diese App ein Desaster gewesen. Ich will damit ausdrücken, dass es auch bei hoher Bequemlichkeit Mangel gibt, den man beheben wollen könnte.

Damit man einen Mangel beheben kann, muss man ihn erkennen. Man will einen Mangel erkennen, weil man eine Innovation erschaffen will. Man will die Innovation, weil man wirtschaftliches Wachstum anstrebt und das gelingt nur, wenn man mit einer Neuigkeit die Menschen überrascht und ihnen etwas anbietet, dass sie schon immer vermissten, wenn sie es sehen. Das Problem ist, dass sie ihren Mangel nicht erkennen und uns daher bei Marktforschungen auch nicht nennen können. Für das Neue brauchen wir einen anderen Weg. Wir müssen es erahnen, irgendwie erfühlen, was gewünscht und gebraucht wird. Wir brauchen also einen anderen Weg als die direkte Frage nach: Was fehlt dir, was sollen wir dir erfinden? Dieser andere Weg ist die Herangehensweise der Designer. Der Mainstream nennt sie Design-Thinking und Firmen sind neuerding höchst interessiert an diesem »Prozess« (was es nicht ist), vom dem sie sich versprechen, durch eine pfiffige Vorgangsweise relativ bequem zur gesuchten Innovation zu gelangen.

Und zum einen stimmt das, ich schrieb deshalb ja eingangs, dass designen das Leben der Menschen verbessert. Wer Innovation will, der braucht Design. Also erhält man mit diesem Design-Thinking die Innovation, doch eben nicht indem man einem starren Prozess folgt.

Wenn ich nun darüber nachdenken, wie ich zu den Ideen kommen, die einen Mangel beheben, dann erkenne ich zwei Fälle. Einmal kommt die Idee spontan und zufällig, das andere Mal besteht der Bedarf sie zu erzwingen.

Spontane und erzwungene Ideen

Hat man so eine spontane Offenbarung, dann gibt es wieder zwei Situationen.

Die Offenbarung löst ein Problem an dem man seit längerem arbeitet, aber nicht genau in diesem Augenblick. So eine Idee ist großartig, denn damit kann man an dem pausierten Projekt weiterarbeiten. Konkret und unmittelbar.

Manchmal hat man so eine Offenbarung, so eine Idee, einfach so. Ohne Projekt. Dann ist es eine Notiz wert, kommt heutzutage »ins Backlog«, oder sie ist gar so gut, so erleuchtend, dass man damit erst ein Projekt startet.

Der zweite Fall ist, dass wir an einem Projekt arbeiten und eine Idee brauchen. Auch da erkenne ich zwei Fälle. Einmal muss es jetzt sein, das andere Mal brauchen wir diese Idee bald, z.B. weil wir mittelfristig neue Geschäftsfelder eröffnen wollen, weil für die nächste Messe ein neuer Dienst, ein neuer Gegenstand vorgestellt werden soll, etc.

Jetzt eine Idee haben zu müssen, das ist das Härteste. Also heißt es, hinsetzen und grübeln. Das machen wir so und das hilft zuweilen schon.

Warum? Weil wenn man nichts, absolut nicht tun kann, wenn es langweilig zur Dritten ist, also wirklich unheimlich langweilig, man starrt einfach auf das Papier ... nichts ... unheimlich langweilig ... dann ist es besser, eine Idee zu haben. Der Mensch ist nicht erschaffen gelangweilt zu sein. Studien haben herausgefunden, dass sich Menschen lieber Schmerzen zufügen als sich zu langweilen, auch wenn sie vorher sagten, dass sie sich niemals weh tun wollen. Soweit brauchen wir nicht gehen, aber zu wissen, dass wir Ideen haben werden, wenn wir uns der Langweiligkeit aussetzen, ist wertvoll.

Sich langweilen kann man vermutlich auch als meditieren bezeichnen. Wenn man still ist und nicht denkt, dann denkt es und liefert. Auch wenn das jetzt unglaublich klingt, aber so ist das. Wenn man Design-Thinking ernsthaft anwenden will, dann würde man auch diese Variante, eine Form der Langsamkeit, ausprobieren. (Nicht immer nur der Gehetztheit des Time-Boxing frönen.)

Klar, diese Langweiligkeit herbeiführen und zulassen und dann auch noch aushalten, das ist nicht leicht. Das war es nie und ist heutzutage noch schwieriger. Die Elektronik lenkt uns laufend ab, lockt, ermöglicht die Prokrastination. Auch ist unser tägliches Umfeld eines, das kaum echte Langweiligkeit aufkommen lässt. Mein eigenes Studio erlaubt die Ablenkung mit den mir gegenüber stehendem, prall gefülltem Bücherregal, mein Schreibtisch ist voll von Unterlagen, die alle Ablenkung ermöglichen. Echt langweilig würde es nicht, wenn ich es nicht erzwinge und sage: hier ist das Blatt Papier oder nur meine Schreibunterlage, und da soll nun die Idee her. Der leere Raum wäre eine Erleichterung. Aber wenn wir uns eine bestimmte Zeit nichts erlauben als diese Idee – also die Langweiligkeit –, dann wird sie erscheinen.

Weil das nicht so einfach ist und weil nicht alle, die sagen, sie wollen jetzt eine Idee haben und vom Designer-Coach angeleitet werden, das auf diese Weise schaffen, überlege ich andere Vorgangsweisen, die ich anwenden. Eine sehr erfolgreiche Methode, um mit einer Gruppe Ungeübter schnell eine enorme Menge an Ideen zu generieren ist mein Circle-Brainstorming. Aber wenn ich für mich arbeiten, dann versuche ich der Sache auf den Grund zu gehen.

Die Ursache erforschen.

Wissen wir, was der Mangel ist (was wir verbessern wollen), dann ist das relativ einfach. Wir wissen, wo wir beginnen sollen. Hingegen, wissen wir nur, dass wir für eine Sache einen Ersatz erfinden wollen, einen Nachfolger, der im Idealfall die Branche erschüttert und uns »über Nacht« zum Marktführer macht, dann ist das mit der Ursache schwieriger.

Wenn wir einen Mangel erkannt haben und beheben wollen, dann gehe ich der Sache auf den Grund.

Der Sache auf den Grund gehen bedeutet, dass wir uns überlegen, warum es überhaupt ein Mangel ist.

  • Wieso erscheint es uns als Mangel?
  • Warum besteht dieser Mangel?
  • Warum ist etwas so, wie es eben ist?
  • Wie würde die Situation aussehen, wenn es für mich besser wäre?
  • Und wie, wenn es für die anderen, die Zielgruppe besser wäre?
  • Was bedeutet dabei »besser«? (Auch über diese Dinge mehr im dritten Satz der »6 Sätze über Design«).

Jetzt könnte es sein, dass wir keinen Mangel erkennen, weil es keinen gibt. Die Dinge funktionieren, alle sind zufrieden, die Anbieter, die Konsumenten. Nur die Hersteller von etwas, wollen auch weiterhin verkaufen. Sie müssen also innovieren, wenn sie weiter im Geschäft bleiben wollen.

Dabei muss ich nun einschieben: wenn eine Sache ausgereizt ist, wenn etwas fertig ist, dann muss man sich der Wahrheit stellen und es annehmen. Dann gibt es in dieser Entwicklungslinie keine disruptive Innovation, sondern bloß eine evolutionäre. Manchmal stirbt dieser Zweig der Entwicklung auch einfach aus. Das ist ganz darwinistisch zu akzeptieren. Man braucht keine Buchsetzer mehr, keine Reprofotografen (mein Wörterbuch kennt das Wort nicht mehr), wir brauchen kaum mehr Hufschmiede, keine Gaslaternen-Anzünder, etc. Dafür brauchen wir heute Menschen, die passende Prompts (das kennt mein Wörterbuch noch nicht) für KI-Systeme schreiben, damit wir nützliche Auskünfte erhalten und richtige Texte und Bilder erhalten.

Doch selbst wenn eine Sache ausgereizt ist – wie die Hardware und der Formfaktor eines Smartphones (das muss nicht mehr schneller werden und die Form ist eine Null-Form, fertig, einfach nichthässlich) – gibt es ein Potential für evolutionäre Innovation. Zum Beispiel der Hammer. Der ist fertig. Der ist optimiert. Dennoch gibt es zum gut geformten Holzstiel-Hammer eine Innovation: den IsoCore von Fiskars

Ohne Mangel keine Ursache für Mangel

Wenn wir keinen Mangel erkennen, dann bedeutet das in vielen Fällen nur, ihn noch nicht erkannt zu haben. Welche Ursache gilt es dann aufzudenken. Eine Ursache wofür? Es gibt ja keinen Mangel.

Ja, das stimmt zunächst. Doch ist in diesem Fall der Mangel einfach nur abstrakter und auf einer Meta-Ebene zu suchen. Es mangelt an der ersehnte Idee, es ist der Wunsch nach einer Innovation.

  • Was ist die Ursache dafür, für den Wunsch?
  • Weshalb will man eine Innovation?
  • Was verspricht man sich davon, wie sähe die Welt aus, wenn dieser Mangel (hier, die fehlende Innovation) behoben wäre, was würde dann anders sein?
  • Und noch weitere Fragen, die sich aus den Antworten daraus ergeben.

Das erfordert freilich etwas mehr Übung, aber ich leite dich gerne an, bei diesen Gedankengängen. Es ist eine, nun ja, man könnte sagen, philosophische Vorgangsweise, eine Debatte, ein Diskurs an dessen Ende eine Idee, zumindest ein Lösungsfeld steht. Das ist gewiss.

Was wir in beiden Fällen machen ist, wir spielen mit dem Problem. Das geht freilich bei der Innovation (Idee) für einen Gegenstand einfacher als mit einem Prozess. Mit dem Prozess geht es einfacher als für eine Dienstleistung. Diese Produkte (Gegenstände, Prozesse, Dienstleistungen) zu innovieren ist insgesamt einfacher als in Strategie und Geschäftsmodell zu innovieren. Möglich ist es allemal.

Die Quellen

Die Quelle für Innovationspotential ist dabei immer die Ursache. Und Quellen für Ideen kenne ich vier:

  • Da ist zuerst die eigenen Erfahrung. Die ist natürlich größer je älter und je mehr man erlebt hat. Für Designer ist es eine entscheidende, eben die erste Quelle für Lösungsansätze.
  • Dann ist es die Erfahrung von anderen, vom Unternehmer, vom Techniker, vom Verkäufer und Marketeer und alle anderen des Entwicklungsteams. Unglücklicherweise trifft auf die meistens dasselbe zu, wie für die Kunden. So wie die Kunden nicht wissen, was sie vermissen, wissen die Experten häufig nicht, was sie wissen. Werden sie nicht gefragt, so sagen sie die wesentliche Information nicht. Nicht weil sie nicht kooperieren wollen, sondern weil sie nicht wissen, dass das entscheidende Informationen sind.
  • Die dritte Quelle sind Untersuchungen, Forschungsergebnisse, Studien und dergleichen. Wir können diese Quellen nutzen, um Voraussagen für »das Richtige« zu treffen. Die Praxeologie des Ludwig von Mises, die langsamen und schnellen Denksysteme des Daniel Kahnemann oder die Erkenntnisse über irrationales Verhalten von Dan Ariely sind wertvolle Hinweise, was wir tun müssen, um erfolgreich zu sein.
  • Schließlich gibt es noch die eigenen Forschung, die eigene Untersuchung und den Selbstversuch.

Der Designer muss daher geschickt fragen und gut zuhören können. Er muss die Informationen zwischen den Zeilen und den Worten herausfiltern. Das sind mitunter andere, oft sogar gegenteilige Informationen als jene, die hörbar gesagt werden. Das erscheint manchen manchmal als genaues Gegenteil von dem was es ist. Es erscheint als Ignoranz des Designers. Doch er der Kunde ist nicht immer König und hat nicht immer recht. In diesen Fällen muss der Designer, der Designende (der Design-Thinking-Anwender) stark und mutig die erkannte Wahrheit verfolgen und (für Testzwecke) realisieren. Er fungiert dann als »gutmütiger Diktator«, der mit der Überheblichkeit, sich nicht irren zu können, eine Lösung entwickelt, die er hernach mit der Demut sich geirrt zu haben, vom Kunden prüfen lässt. Und zwar auf eine Weise, indem er den Kunden dazu auffordert und anregt, die vorgeschlagene Lösung zum Scheitern zu bringen, also zu falsifizieren. Gelingt das dem Kunden nicht, dann ist es in der Tat die richtige Lösung, die gewünschte Innovation.

Die »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking« sind die entscheidenden Fähigkeiten, die man trainiert, wenn man »aus der Luft« Ideen generieren will, wenn man synthetisieren will. Das Whitepaper dazu kannst du dir gerne herunterladen.«

Weitere Hilfsmittel, die ich dir dafür anbiete sind mein von Dale Carnegie inspirierter »Problemlöser« und das NXTSTP-Arbeitsblatt, um in die Gänge zu kommen und Prokrastination zu überwinden. (Dazu auch dieser Beitrag.)


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