Zweitens, sein Umfeld kennen

26/08/2023

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Nach dem ersten Schritt folgt nun der zweite. Wenn wir wissen, wo wir stehen, dann interessiert uns als nächstes, wie es rund um uns aussieht, unser Umfeld.

Im Wirtschaftskontext heißt das, die Wirtschaftslage im Allgemeinen, der Status der Branche, meine Mitbewerber, die Roadmaps meiner Produktentwicklung und das Wissen darüber, welche Mitbewerber auftauchen könnten.

Wenn ich mein gutes Unternehmerleben weiterhin leben will und also alles so bleiben soll, wie es ist, dann muss ich mich verändern.

Viele von uns sind heute erfolgreich (hier, in diesem Kulturkreis). Die Aussicht auf »mehr Erfolg« lockt immer weniger Menschen, die Gesellschaft wird in mancher Hinsicht genügsamer. Die nächste (die letzte?) Generation zieht das einfache Leben der Verschwendung vor (sagen sie). Lieber weniger arbeiten und kein Auto, dafür Freizeit und Smartphone; das könnte als Klischee ausgemacht werden.

Wie auch immer, damit das Leben entspannt bleibt (wenn es das jetzt ist), auch dafür muss man Veränderungen, Einstellungen, Justierungen vornehmen. Man kommt um Innovation nicht herum. Der heutige Mensch ist eingebettet in vielfältigen Strukturen; die Organisationen sowieso. Verändern sich diese Strukturen, das Äußere, das Umfeld, so muss sich auch der darin Verstrickte verändern, damit seine Lage bequem bleibt.

Jener der den Erfolg steigern will, der muss noch mehr Veränderung in Kauf, nein, in Angriff nehmen. Der muss mutig voran preschen. Der will aber auch Risiko schultern und sich dem Wettbewerb stellen, wie es Hayek einst ausdrückte.

In beiden Fällen, bei Business-Model-Innovation und auch bei Business-Model-Evolution, muss man sich zuerst klar sein, wo man steht, seine Position kennen (siehe diesen Artikel) und dann erkunden, wie das Umfeld aussieht.

Die »Landkarte« der Unternehmerlandschaft ist die »Seekarte der Wirtschaftskapitäne«

Unser Ausgangspunkt ist unsere aktuelle Position, unser Ziel der Blaue Ozean (und später der Grüne – du weißt, mein neues Buch 😉)

Wenn ich wissen will, wie ich dorthin komme, dann muss ich mein Umfeld kennen, seine Eigenheiten herausfinden, Gefahren erfassen, Risken aufklären. Sonst weiß ich ja nicht, welchen Kurs ich setzen muss. Wo sind die Inseln, die Klippen, die Untiefen? Wo sind die anderen Schiffe und was ist deren Geschwindigkeit, welchen Kurs haben die genommen? Ich muss meinen Mitbewerb kennen! Wo ist der im Business-Model-Canvas? Drumherum! (siehe hier)

Dabei interessiert mich nicht nur mein unmittelbarer Mitbewerb, die eigene Branche, sondern auch die anderen »unsichtbaren« Mitbewerber, die das gleiche Ergebnis beim Kunden bringen, aber auf oft gänzlich andere Weise.

In meinen Vorträgen über das Business-Model-Canvas, in denen ich das Beispiel vom Tischler zur Erklärung der Funktionsweise nutze (siehe »9 Schritte zum besseren Business Model«), gibt es immer wieder Wortmeldungen, die zusammenfassen und erklären: Das Wertversprechen des Tischlers, der einen Tisch liefert, ist, dass die Familie einander trifft und beisammen sitzt.

Das ist zwar richtig ist, aber das allein – ohne der konkreten Benennung des Produkts, hier Tisch – ist nicht ausreichend. Dieses Wertversprechen erfüllt auch das Sofa, der Fernsehapparat oder das Lagerfeuer.

Die abstrakte Definition des Wertes, den das Produkt liefert, ist eine wichtige Erkenntnis – der soll dem Kunden versprochen werden –, aber für die Klärung des Geschäftsmodells ist das zu ungenau. Wir wissen dann ja nicht, ob es ein Tischler ist oder ein Pfadfinder.

Allerdings für die Erkundung unseres Umfelds ist diese weite Fassung unseres Produkts (aka Wertversprechens), diese Abstraktion, sehr nützlich. Wir wollen unser gesamtes Umfeld verstehen, nicht nur das unmittelbar nächste, die Nachbarschiffe, sondern auch die in größerer Entfernung einschätzen und auch den Küstenverlauf kennen.

Wir müssen uns somit überlegen, wer liefert den gleichen oder einen vergleichbaren, ähnlich wertvollen Nutzen an unsere Kunden (aktuelle und gewünschte zukünftige)? Wer in unserer Branche (nahe) und wer in anderen Branchen?

In welcher Branche, in welchen Branchen sind wir wirklich aktiv?

McDonald’s erklärte einstmals, dass sie sich als in der Unterhaltungsbranche tätig betrachten. Vor diesem Hintergrund sind deren Dienste völlig anders zu bewerten. Auch der Mitbewerb ist jetzt ein anderer, die Beschäftigung mit den Bedürfnissen der Kunden anders. Die Alternativen der Kunden sind jetzt das Kino, Fernsehen oder Netflix, lesen oder die Teilnahme an diesen staatlichen »Brot & Spiele-Veranstaltungen« (in Wien am Rathausplatz und der Donauinsel).

Indem wir unser Wertversprechen abstrakter formulieren, erkennen wir, wen, welche Firmen, welche Produkte unsere Kunden als Alternative zu unserem Produkt heranziehen könnten. So werden wir inspiriert, wie wir mit unserem Angebot attraktiver sind oder werden könnten. (Wieder gilt: »Produkt« ist ein Gegenstand, ein Prozess oder eine Dienstleistung; ev. sogar eine Mischung aus diesen drei Formen).

Damit ist die Abstraktion unseres Produkts der Schlüssel zur Innovation. Beschreibe ich mein Produkt für den Moment breiter, eben nicht produkt- oder branchenfokussiert, sondern wertfokussiert, dann zwingt mich das faktisch in die Kundensicht: Welchen Wert erkennen meine Kunden in meinem Produkt, welchen wünschen meine Kunden, welchen Wert muss ich daher versprechen? Und liefern! (siehe auch in »9 Schritte zum besseren Business Model« und im Folgeband »3-Sprung zum besseren Produkt« – ich arbeite noch daran, aber wenn du willst, dann schreibe mir und werde Beta-Leser).

Den Mitbewerb kennen, aber wie?

Inseln, Klippen, Untiefen, die anderen Schiffe und deren Geschwindigkeit, wie kann ich das erheben? Indem ich mir die mutmaßlichen Geschäftsmodelle auf weiteren Business-Model-Canvases notiere. Es genügt, das festzuhalten, was ich sehen kann, was ich interpretieren kann (natürlich inklusive dem, was ich als Insider vielleicht sogar sicher weiß oder plausibel vermuten kann). Das genügt. Die Kunden wissen ja auch nicht mehr. Im Gegenteil, die kennen meist die kleinen Marktteilnehmer, die uns Insidern in unserer Branche gut oder auch nur irgendwie bekannt sind, oft überhaupt nicht. Es gilt hier einen Überblick zu bekommen, grobe Informationen über das Umfeld – kein detailiertes 3D-Modell der Küste (wenn ich meine Metapher weiter strapaziere).

Diese Analyse soll ohne großem Aufwand durchgeführt werden. Lieber rasch, dafür öfter. Ich erkenne dabei meinen Vorteile, erkenne was mich unterscheidet und auch worin ich besser werden kann.

Mein Angebot muss besser sein, d.h. passender zum Bedarf meines Zielpublikums (!), als all die Angebote dieser anderen Anbieter, jener aus der eigenen Branche und jener aus den anderen Branchen, die mein Zielpublikum als Alternative einschätzt. Das sind in dieser Metapher aus der Seefahrt die Inseln, Klippen und Untiefen, die Schiffe, die vor und rund um mir bestehen und kreuzen; kurz, mein Umfeld.

Jetzt muss ich nur noch wissen, woher der Wind weht. In meiner Metapher wäre das die Regierung mit ihren Gesetzen. Da könnte ich dagegen aufkreuzen müssen, hart am Wind, oder ich habe Rückenwind. Die Trends sind die Strömung im Meer, die ich nützen kann um schneller ans Ziel zu kommen oder die mich ein wenig behindern könnten.

Kurs setzen

Aus all diesen Informationen leite ich nun ab, wie ich das Ruder feinjustieren muss, damit ich gemütlich weiter segle wie bisher oder wie ich schneller werden kann.

Jetzt kann ich meinen Kurs setzen – auf in den Blauen Ozean.

Fortsetzung folgt.


PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:

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