Es gibt zwei Fragen, die man uns beim Buffet des Networking-Events immer wieder stellt: was machen sie und wer kauft/braucht das?
Was man macht, kann man meistens sagen. Eher ist die Frage, ob der andere versteht, was das bedeutet. Wir wissen meistens Bescheid über unser Produkt, wir können es nur manchmal nicht gut beschreiben. Wenn es abstrakt ist, eine Beratungsleistung oder Arbeiten der Computerwissenschaften zum Beispiel. In anderen Fällen ist es klar: ein Tisch, Installateurarbeit, Kellner.
Aber wer sind die Kunden?
Ich meine, die Kunden?
Da wird dann ausgewichen oder groß aufgespannt: alle und jeder.
Naja, vielleicht nur alle Klein- und Mittelunternehmen.
Manche sind findiger und nennen die Kleinunternehmer bis 8 Mitarbeiter in Wien, Niederösterreich und Burgenland. Schon besser, aber dennoch unbefriedigend.
Wenn wir unsere Zielgruppe so allgemein beschreiben, dann ist sie trotz demografischer oder vielleicht auch psychografischer, meist jedoch »firmografischer« Definition ... eben ... allgemein.
Das bedeutet: wir erkennen kein deutliches Muster, warum unser Produkt treffender ist als das des Mitbewerbs. Wir finden nichts, das auf den Wert unseres Produkts hinweist. Die Masse findet sich wohl im mittleren Preissegment, im mittleren Qualitätssegment, in der mittleren Farbwelt, Materialwelt, etc.
Manche behelfen sich nun damit, dass sie einen Idealkunden modellieren. Eine Persona.
»Persona« ist ein Werkzeug, das wir aus dem Marketing kennen und das dort wohl nützliche Dienste liefert. Man braucht den Konsumenten so breit und ... allgemein beschrieben. Man muss wissen, wie alt die Person ist, alleinerziehend, wieviele Kinder, welches Einkommen, welche Lebenssituation, etc.
Brauchen wir diese Daten wirklich für unser Produkt? Helfen uns gewisse Aussagen dabei unser Wertversprechen zu optimieren? Oder ist das bloß Beschäftigungstherapie, die gleichzeitig beruhigt: wir haben uns mit dem Markt auseinandergesetzt, jetzt gehen wir verkaufen.
Viel klüger erscheint es mir, echte Kunden als Role-Model zu nehmen. Da sind die Eigenschaften nicht willkürlich (der eigenen Vorstellung vom Wunschkunden entsprechend) zusammengewürfelt, die es so gar nicht gibt, sondern das sind die Eigenschaften eines echten Kunden.
Wen wählte man dazu aus?
Das ist leicht. Am liebsten hätten wir nur Lieblingskunden, also nehmen wir die als Vorlage für unseren ... Lieblingskunden, für unser Role-Model.
Manchmal aber weiß man die Details eines Lieblingskunden nicht, kann sie nicht erheben, will sie nicht erheben.
Dann muss man diese Person eben doch erfinden. Eine Persona ist ja bis zu einem gewissen Grad auch eine Erfindung. Eine für das Marketing nützliche.
Für die Produktentwicklung brauche ich eine andere »künstliche« Person.
Eine, die »lebt«.
Da bin ich über eine Methode aus dem Romanschreiben gestolpert.
Wenn ich schon eine Person erfinde, die es nicht gibt, dann kann ich das auch mit einer Methode machen, die aus anderen Wissensgebieten, eben aus der Roman-Schreibe-Welt kommt. Randy Ingermanson beschreibt das in seinem Buch »How to Write a Novel Using the Snowflake Method«
Er erklärt in dem Buch nicht nur, wie man eine Geschichte entwickeln kann (was wir heute, in einer Story-Telling-Welt gut brauchen können), sondern auch, wie wir eine glaubwürdige Figur formen. Das ist deshalb so wichtig, weil wir als Leser sonst keine Kontakt zum Roman aufbauen und in Folge das Buch rasch beseite legen würden. Ich schreibe im folgenden gleich für unser Vorhaben: unsere »Romanfigur« ist unser Idealkunde.
Im dritten Schritt dieser Snowflake-Methode drängt uns Ingermanson (mit seiner Lehrer-Romanfigur Baby Bear) dazu, eine Charakter-Kurzzusammenfassung des Idealkunden zu erstellen.
Dabei überlegen wir uns von unserem Idealkunden: Name, Rolle, Ziel, Ambition, Werte (zwei oder mehr) und beschreiben die Figur in einem Satz und zusätzlich, etwas ausführlicher, in einem Absatz.
(An der Design-Thinking-Akademie haben wir ein Arbeitsblatt dazu. Wer es haben will, schreibt mir eine kurze eMail.)
Wir beschäftigen uns deshalb mit den Werten unseres Idealkunden, weil die meisten Menschen mehrere Werte haben und die sich manchmal gegenseitig im Weg stehen oder eigentlich nicht zu den Zielen und Absichten passen.
Die Ambition ist ein Ehrgeiz, ein Streben, ein Traum. Diese eifrige Bemühung nährt die Ziele, bedeutet den Zweck für eine Handlung.
Im Buch hat die Hauptdarstellerin Goldilocks das Ziel, die Luft für zwei Minuten anzuhalten, denn das lässt sie eine Million Dollar gewinnen. Dieses Ziel entspringt aus ihrem Streben danach geldreich zu sein, ihr Ehrgeiz, ihre eifrige Bemühung, ihre Ambtion ist es wohlhabend zu sein.
Warum hat sie diese Ambition?
Weil einer ihrer Werte (ihrer Überzeugungen) lautet: es gibt nichts wichtigeres als Geld.
Was können wir daraus schließen?
Wenn wir uns mit den Zielen unserer Kunden beschäftigen, können wir ihre Ambitonen entdecken und daraus ihre Werte ableiten.
Wir bekommen auf diese Weise wertvolle Hinweise auf unsere Romanfigur, unseren Helden.
Das ist er nämlich, unser Kunde, er oder sie ist der Held unserer Geschichte. Wir sind bloß Mentor (ein Guide), der dem Kunden dabei unterstützt, seine Ziele zu erreichen.
Gemäß meiner Überzeugung, wonach »richtiges« Design-Thinking auch das Vermischen, das Vernetzen unterschiedlicher Wissensgebiete, Methoden und Ansätze ist, wodurch das Neue synthetisiert wird, vermische ich jetzt verschiedene Ideen und Tipps aus einem Buch von Randy Ingermanson zu einem neuen Ansatz. (Die Design-Thinking-Forschung könnte das jetzt als brandneueste Design-Thinking-Technik erkennen und gleich im nächsten Hype verwenden).
Ingermanson meint, man möge sich für seinen Roman eine bestimmte Zielgruppe aussuchen, die man begeistern will, sagen wir 10-jährige Buben (nicht gerade die typischen Leseratten).
Dann schreibe man die bestmögliche Geschichte für diese kleine Zielgruppe.
Nach der Veröffentlichung konzentriere man alle Vermarktung ausschließlich und spezifisch wieder auf diese Zielgruppe.
Und die erzählen es dann dem Rest der Welt.
Ingermansons Beleg ist der Erfolg der Harry Potter Serie.
So wurde (so Ingermanson) aus einer Startauflage von 500 Stück ein Weltgesamtauflage von über 500.000.000 Stück und angeblich an die 8 Mrd. $ Filmumsatz.
Nagut, ein Einzelfall. Aber ein guter Ansatz für Produkterfolg.
Ich konzentriere mich auf eine kleine Zielgruppe und begeistere die, damit die es weitererzählen. Das ist dann der Schnellball aus dem die Lawine wird.
Indem wir uns auf einen bestimmten Menschen, dem echten Lieblingskunden oder einer plastisch formulierten Romanfigur beziehen, können wir konkrete Wertversprechen abgeben.
Jedenfalls konkreter als wenn wir vom Markt oder vom Zielgruppensegment sprechen. Es gibt kein Kollektiv, das handelt, es ist immer der einzelne Mensch. Der hat Ziele, Ambitionen, Werte. Er will seine Bedürfnisse erfüllt und befriedigt bekommen. Dort muss ich mit meinem Produkt, meinen Werten, meiner Einzigartigkeit, mit meinem Why andocken.
Dieser Artikel ist wohl der Beginn einer Serie. Denn jetzt muss man über den »Brand Flip« schreiben, über Storybrand-Brandscript und über Start-With-Why.
Ein Business-Model-Canvas ist leicht auszufüllen. Aber es ist immer erst der Beginn.
Wie man mit dem Business-Model-Canvas weiterarbeiten kann, das kannst du auf vier Arten erfahren:
#Business-Model-Canvas #Managementdesign #Design-Thinking #Servicedesign