Schnell beantwortet: weil wir das BMC (das Business-Model-Canvas) als Leitfaden nutzen. — Als Leitfaden? Wozu? — Für mich ist das Business-Model-Canvas (BMC) das »Schweizer Taschenmesser der Managementtools.« Ich nutze es vielfältig, für die Sparringsgespräche, für die Analyse, als Verkaufsunterlage und freilich: als Quelle der Inspiration für die Innovation.
Das Bild, das uns am Innovation-Briefing Teilnehmende vor den vielen BMCs diskutierend zeigt, symbolisiert die Innovationsvielfalt, die wir daraus schöpfen können; Inspiration für ...
Das Ziel ist natürlich die verkaufbare Innovation. Aber die Innovation muss nicht nur verkaufbar, sie muss auch eine leistbare Innovation sein.
»Verkaufbar« heißt, dass die Kunden meine Innovation auch annehmen, also kaufen wollen. Das erfordert zum einen die »richtigen Kunden«, also eine sorgfältige Auswahl der Zielgruppe. Diese Kundengruppe muss die Innovation verstehen, sie in ihr Lebensumfeld integrieren können und sie haben wollen. Anders ausgedrückt, die Innovation muss anschlußfähig (!) sein. Das ist letztlich eine Frage der Kommunikation. Eine Innovation muss, damit sie anschlußfähig ist, so präsentiert werden, dass die Zielgruppe versteht, wie sie sie annehmen können.
Mit »leistbare Innovation« meine ich, dass ich mir als Unternehmer diese Innovation auch leisten kann, dass ich sie mit den mir verfügbaren Mitteln umsetzen kann.
Das BMC hilft mir in beiden Fällen. Auf der rechten Hälfte beschäftige ich mich mit meinen Kunden und wie ich sie erreiche; auf der linken Hälfte sehe ich meine Mittel, Fähigkeiten, Kontakte. Osterwalder nennt die rechte Hälfte die »Backstage«, ich sehe da die 4 Prinzipien des Effectuation (das »fünfte Prinzip« realisiere ich mit dem BMC selbst, mein Dashboard für informiertes Steuern auf Sicht, ohne Vorhersage).
Mein Produkt kann ich klar benennen; habe ich mehrere, so mache ich das je Produkt. Die Produkte werden von Kunden gekauft. Die kaufen es, weil sie daraus einen Nutzen ziehen, funktionalen, emotionalen oder sozialen Nutzen. Das Produkt ist praktisch und nützlich, es macht Freude oder steigert das Wohlbefinden im weitesten Sinn oder/und es bringt mir Anerkennung und erhöht meine Reputation. Im Gespräch mit den Kunden, indem ich sie beobachte, erfahre ich den Wert, den sie in meinem Produkt sehen. Das ist der Wert, den ich im Folgenden verspreche zu liefern.
Freilich brauche ich dafür bestimmte Fähigkeiten, die »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking« (Download).
Nun könnte es sein, dass Kunden in meinem Produkt einen Wert wahrnehmen, der mir noch gar nicht bewusst war. Dann könnte das – also ein dezidiertes Produkt, das diesen Wert direkt liefert – ein Hinweis auf eine akzeptable, eine gewünschte (und damit anschlussfähige) Innovation sein.
Das bedeutet aber gleichzeitig, dass meine derzeit angepeilte Zielgruppe nicht exakt jene ist, die mein Produkt bedienen könnte, denn ich erkenne ja offenbar einen anderen Wert in meinem Produkt als die aktuelle Zielgruppe. Wer ist die Zielgruppe, die den gleichen Wert in meinem Produkt sieht? Das könnte ein potentiell neues Kundensegment sein, dass ich nur noch nicht erreicht habe.
In der Beschäftigung mit den Kundensegmenten und der Erkenntnis des Werts, den diese in meinem Produkt sehen, entstehen mitunter auch Ideen für neue Einkommensströme. Ist der Wert ein anderer als ich meinte zu liefern, dann ist auch die Bezahlung mitunter anders zu gestalten: ein anderer Euro-Betrag, eine andere Form des Kaufs, eventuell ein Abonnement, eine Miete, eine Mitgliedschaft. Der Wert, den die Kunden im Produkt sehen, dient als Inspiration.
Daraus, aus dieser konkreten Definition des Werts eines Produkts für den Kunden, lassen sich auch neue Formen der Beziehung formulieren. Die können persönlicher werden oder anonymer, regelmäßig oder situativ, herzlich oder distanziert. (Die Notiz in der Klammer ist ein Hinweis, dass der Designer diese Überlegungen ohne weiteres auch auf das private Leben ausdehnen kann; in gewisser Weise sind wir immer ein »Geschäftsmodell«, bloß sind das Produkt und die Bezahlung anders als in der klassischen Wirtschaft, nicht Geld.)
Wenn ich mehr über den Wert weiß, den meine Kunden durch mein Produkt erfahren, wenn ich neue Formen der Zusammenarbeit etablieren kann, dann verändern sich auch die Kanäle. Indem ich dieses Feld fokussiert betrachte und mit meinen Möglichkeiten abgleiche, entdecke ich Alternativen zum Gewohnten. Oder ich vergleiche die hierzulande üblichen Kanäle zum Kunden mit jenen in anderen Ländern und Kulturkreisen.
Das erste Feld der Backstage und sofort denke ich an Effectuation, das erste Prinzip, die Mittelorientierung: Welche Ressourcen habe ich, welche stehen mir zur Verfügung, welche könnte ich mir erschließen. Allein diese Fragestellung kann ein Feuerwerk an Ideen liefern. Die Ressourcen sind die verfügbaren Rohstoffe, aber auch Fähigkeiten, die in meinem Unternehmen vorliegen. Dieser Tage ist der Unternehmer in diesem Feld gefordert, wenn nämlich Lieferengpässe und Rohstoffmangel alternative Lösungen erzwingen. Mit dem BMC bereite ich mich auf solche Phasen der Wirtschaft vor, indem ich einen Mangel simmuliere. Ergebnis: ein Plan B für den Notfall oder gar einen bessere neue Lösung.
Analog zu den Ressourcen kann ich auch meine Aktivitäten, interne Prozesse und die Handlungen im Unternehmen betrachten, überlegen, wie diese anders gemacht werden können. Die »Digitalisierung« (präziser, die IKT) erzwingt das derzeit zum einen und ermöglicht zum anderen enorme Arbeitserleichterung – wenn es richtig gemacht wird. Auch dieses Feld ist mindestens einen Workshop-Halbtag wert.
Das »Crazy Quilt« aus dem Effectuation – wen kenne ich, welche Partnerschaften und Allianzen kann ich bilden, welche Netzwerke anzapfen, um mein Angebot zu optimieren? Es ist auch Gelegenheit festzulegen, wie ich mit Partnern umgehen will, nach welchen Kriterien ich sie auswähle und in welche Abhängigkeiten ich mich begebe. Eine Facette, die einige unserer Gesellschafts-Manager (die Politiker) nicht ausreichend oder nur einseitig betrachtet haben.
Die Kosteninnovation als Wortschöpfung meint natürlich keineswegs, neue Kosten zu generieren, die es vorher nicht gab, sondern innovativ mit der Kostenstruktur umzugehen. Klassisch ist das einsparen – aber nicht unbedingt bei der Mitarbeiterzahl, sondern auch bei so profanen (aber wirksamen) Lösungen, wie die Beleuchtung des Nachts abzuschalten. Effectuation findet sich hier als der »leistbare Verlust«. Die Kostenstruktur kann ich auch als Ausgangspunkt, nicht als Ergebnis von Ressourcen, Aktivitäten und Partner sehen. Ich kann innovativ damit umgehen, indem ich den leistbaren Verlust definiere und dann – sozusagen von hinten – die möglichen Ressourcen, Aktivitäten und Partner bestimme.
Das sind nicht umsonst 9 Felder für Innovation-Inspiration, das sind jene des BMC, denn wir sind ja immer nur »9 Schritte zum besseren Business Model« entfernt. (Im Buch erläutere ich den Umgang mit dem BMC, im persönlichen Gespräch, im Innovation-Sparring besprechen wir es im Detail.)
Letztlich ist jeder von uns ein Geschäftsmodell, ich habe das oben in Punkt 4 angedeutet. Wir müssen uns befreien die Begriffe »Geschäft« und »Profitgier« gleichzusetzen. Ein Geschäft ist es immer dann, wenn jemand etwas anbietet, das jemand anders haben will (gut gebrauchen kann) und dafür etwas gibt. Das Gegebenen ist den jeweiligen Gebern weniger wert, weniger wichtig, als das Erhaltene. Die Differenz ist wohl die Freude.
Die Mutter gibt Fürsorge und Liebe ihrem »Zielgruppen-Segment Kind« und erhält dafür Gegenliebe und Respekt. Erhält sie nichts, dann schenkt sie ihr Produkt, ihr Wertversprechen her. Eine Zeit lang geht das, irgendwann wird wohl die Qualität der Lieferung an diese nichtzahlenden Kunden sinken.
Die Differenz zwischen der gegebenen Liebe und der erhaltenen höher empfundenen Gegenliebe ist die eigene Freude. So könnte ich meine Darstellung des Modells noch hinbiegen.
Zugegeben, alles auf Geschäftsmodell-Darstellung zu trimmen, wirkt sehr technokratisch. Falsch ist es deshalb nicht. Die Darstellung komplexer Systeme mit einfachen Modellen kann unser Verständnis dieser komplexen Systeme erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen oder uns die Tatsache, dass es eine komplexe zwischenmenschliche Beziehung gibt bewusst machen.
Das Business-Model-Canvas ist so ein einfaches Modell, mit dem ich auch diese komplexen Beziehungen oder Bedingungen darstellen kann. Auf diese Weise werden die einzelnen Facetten, die (vermutlich) bloß einen Teil sichtbar machen, einfacher handhabbar. Man könnte sich auf diese Weise in bestimmten Situationen einfacher für eine Lösung oder eine Vorgangsweise entscheiden.
Tim Clark hat damals, als Alexander Osterwalder sein Buch »Business Model Generation« vorstellte, erkannt, dass das auch für seine Studenten eine nützliche Hilfe sein kann, damit sie ihren Platz in der Berufswelt finden. Tim Clark arbeitete als Lektor an der ersten Version mit. So erschien ergänzend zu Osterwalders Buch einige Zeit später »Business Model You«. Ein Buch über das wichtigste Geschäftsmodell in jedem Leben, dem eigenen.
Im Innovation-Briefing nutzen wir das Modell, um die Felder für Innovation zu bearbeiten. Nicht immer exakt mit dem Modell, aber potentiell. Melde dich an und sei dabei, beim 14-täglichen Innovation-Briefing.
PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
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