Warum prokrastiniert man?

07/05/2021

Kommentar

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Wenn ich ganz genau hinspüre auf die Situation, wenn ich mich dabei ertappe, dass ich beginne zu prokrastinieren – also die eigentlich zu erledigende Aufgabe zu verschieben – dann kann ich folgendes erkennen.

ich will etwas tun

ich meine, genau das sei jetzt dringend zu tun

ich mache es nicht

ich finde andere Dinge, die ich vorziehe, die ich noch schnell vorher mache

damit sie erledigt sind

das Häkchen setzen, diese Liste abarbeiten, ist erfreulich und schüttet Dopamin aus

aber ich bin gleichzeitig wenig befriedigt, denn das Große, das Wichtige ist noch nicht erledigt

und das zieht sich, das Große, das Wichtige

dauert immer länger

es geht kaum etwas weiter

warum ist das so?

weil es so groß erscheint

weil es viel ist

aber das wäre kein Problem

es ist groß und viel und unübersichtlich und daher gefährlich anzugehen, weil ich nicht weiß, was auf mich zukommt, weil die Aufgabe zu groß formuliert ist

die wird nicht fertig

das heisst, sie wird schon fertig, ich mache ja Fortschritte, doch die sind im Vergleich zur Gesamtaufgabe unsichtbar, das Verhältnis ist (noch) ungünstig.

Sie kennen die Frage von Claus Ulmann, dem Vater von Tyll im Roman von Daniel Kehlmann? Wenn man von einem Haufen Korn immer wieder ein Korn wegnimmt und daneben legt, ab wann ist der Haufen kein Haufen mehr?

So ist des mit der »großen, wichtigen« Aufgabe.

Die ist ein Haufen und meine konkrete Tätigkeit, die ich jetzt gerade mache, ist ein Korn. Ist das Korn weggenommen (also diese Teilaufgabe erledigt), dann ist der Haufen unmerklich kleiner geworden.

Aber er ist kleiner geworden!

Doch ist er noch immer klar und deutlich vor einem – also darf ich diese Aufgabe noch nicht abhaken – kein Dopamin und die Aussicht es bald zu können ist gering.

Was aber, wenn ich die einzelnen Körner als Aufgabe formuliere und auf meine ToDo-Liste setze?

Dann kann ich mit jedem Korn, das ich wegnehme, eine Aufgabe auf der ToDo-Liste abhaken.

Ich muss also »nur« die große Aufgabe in kleinere zerteilen.

Das ist die uralte weise Empfehlung sämtlicher Organisationsratgeber seit Lothar Seiwerth. Vermutlich hat das auch Peter Drucker schon gepredigt.

Mein Problem – nein, mein Gedanke dazu: ich weiß oft noch gar nicht, was die Teilaufgaben sind.

Erinnern Sie sich, Design-Thinking ist ja eine zwar zielgerichtete, aber chaotisch ablaufende Denkweise, die durch wildes Durcheinander das für den Moment beste Ergebnis erzielen lässt.

Als echter Design-Thinker, als Designer, kannn ich nicht alle Aufgaben bis zum Ende kennen. Ich kann mir vorstellen, welche das sein werden, aber ich bin bereit – und das ist das Wesen des Designers – diese Ordnung und Reihenfolge, ja sogar die einzelnen Aufgaben zu verändern, wenn neue Erkenntnisse andere Vorgangsweisen als sinnvoller erscheinen lassen.

Bleibt also wieder nur das Gesamtprojekt auf der ToDo-Liste, oder?

Nein!

Wenn es keine Prokrastination geben soll, dann muss ich mir die große Aufgabe in kleine zerteilen. Und wenn das nur die nächsten drei sind. Dann plane ich wieder eine Planungsaufgabe ein.

Genau, alle drei, vier Aufgaben (soweit ist ein Projektsystem in aller Regel stabil) plane ich eine Planungsphase ein und danach kenne ich wieder die nächsten drei oder vier Schritte.

Diese Schritte sind kleine Aufgabe. Sehr kleine. Aus zweierlei Gründen.

Mein Freund, Rahim Taghizadegan, hat das einmal im Studium Generale am Scholarium vorgetragen. In unserer schnelllebigen Zeit haben wir kaum mehr lange Phase der Muße verfügbar. Laufend kommen Störungen, von außen, aber auch von innen. Jede Störung wirft uns auch ein wenig zurück in unserer Gedankenarbeit (wir sind ja heute viele Wissensarbeiter) und wir brauchen wieder etwas Zeit, um dort fortsetzen zu können, wo wir unterbrochen wurden. Längere Aufgaben dauern daher deutlich länger als wenn ich auch diese in sehr kleine, z.B. 5-Minuten-Aufgabe, zerteilen.

Überlegen Sie. Sie haben 20 oder 30 5-Minuten-Aufgaben. Fünf Minuten finden sich im Stück mehrmals am Tag. 

In diesen fünf Minuten erledigen Sie eine dieser Aufgaben. 

Hakerl. 

Dann wieder. 

Hakerl. usw. 

Am Ende des Tages ist der Haufen auf der anderen Seite.

Es waren dann in Summe nur 100 bis 150 Minuten, also 2 bis 3 Stunden. Aber Sie hätten eine Zwei-Stunden-Aufgabe nicht in zwei Stunden erledigen können, weil Sie diese zwei Stunden selten unterbrechungsfrei verfügbar haben.

Und wenn Sie sie haben, dann arbeiten Sie eben alle Fünfer-Aufgaben nacheinander ab. Auch gut. Das geht ratzfatz.

Fazit:

Viele kleine Aufgaben sind eher zu erledigen als eine große. Daher – alte Binsenweisheit – muss man die große Aufgabe in kleine Aufgaben zerlegen. Das mache ich nicht oft. Selten. Ich will gleich loslegen. Nicht lange herumplanen. Aber es braucht diese Planung, weil man sonst nicht weiß wohin man steuern soll. Dann segelt man hierhin und dorthin und schon geht nichts weiter.

Das ist auch der zweite Punkt, der entscheidend mithilft, schneller voranzukommen und den ich hier nicht ausführlich dargestellt habe: man muss wissen, warum man etwas macht. Die Buchhaltung, weil man ein ordentlicher Bürger sein und nicht bestraft werden will; die Antwort an den Rechtsanwalt, damit dieser nicht klagt, etc. Aber das Projekt X, warum das machen?. Manche meinen, das sei überflüssig. Es macht mir bloß Freude, daran zu arbeiten und es soll bald fertig sein. Da fehlt dann der Zug. Es ist ja nicht so wichtig. Oder andere Aufgaben drängen sich vor, weil sie für den Moment mehr Freude in Aussicht stellen, weil sie neu sind.

Oha, es wirft mich auf den Anfang zurück.

Eine neue Aufgabe erscheint.

Mein Produktivitätssystem entwickelt sich und ich unterstütze meine Kunden beim Designen der ihren. Lesen Sie auch hier. Wer mit mir an seiner Produktivität arbeiten will, wer es auch designen will, der trifft sich mit mir zum Managementdesign-Espresso.


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