Ein Lektor, das ist jener, der Struktur-, Stil-, Grammatik- und Rechtschreibfehler aufdeckt. Eine Armada an Servicedesignern gestaltet, aber einer muss den Überblick behalten – der Service-Editor, eine Berater- und Führungsfunktion.
Es ist ein Lektor/Editor und kein Kritiker, weil eben nicht nur kritisiert, sondern analysiert wird und Verbesserungen vorgeschlagen werden. Kleine Fehler (vergleichbar mit Rechtschreibung und Grammatik) bessert man gleich aus, man kritisiert komplexere Sachverhalte/Abläufe (vergleichbar mit Stil) und schlägt Alternativen vor und man feuert den Servicedesign-Verantwortlichen zu Höchstleistungen an (vergleichbar wie es der Verleger/Editor beim Autor macht) und unterstützt ihn dabei Ideen zu entwickeln, Struktur zu finden, Selbstzweifel zu überwinden.
Ich bin Designautor und SDL, oder SDE (Lektor/Editor). Editor = Lektor, Redakteur, Herausgeber.
Designer bin ich ununterbrochen. Ich beobachte Verhaltensweisen der Benutzer, der Menschen in meinem Umfeld, auch mich selbst. Es sind die »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking«, die da zur Anwendung kommen.
Das ist ein Segen und ein Fluch, denn ich bin ja auch dann Servicedesigner, wenn ich bloß Kunde sein will. Zum Beispiel, wenn ich mit dem Zug verreise. Das probiere ich immer wieder (weil es ja den Klimawandel zu stoppen gilt), aber es wird einem nicht leicht gemacht. Zum Beispiel ist der neue Wiener Hauptbahnhof immer wieder gut, wenn es darum geht die Leistung eines Service-Lektors zu illustrieren. In zahlreichen meiner Vorträge muss er als Beispiel einer vertanen Chance herhalten.
Der »kleine Fehler« (der Rechtschreibfehler), der den Blick auf die großen Ungereimtheiten verstellt, war die Bezeichnung des Fahrkartenschalters. »War«, weil der mittlerweile behoben wurde. Offensichtlich nutzt es, wenn man jahrelang in unterschiedlichen Vorträgen über Servicedesign, Managementdesign und Design-Thinking dieses Beispiel präsentiert. Irgendwann sitzt jemand im Publikum, der das ändern kann, entweder weil er jemanden kennt oder selbst dafür verantwortlich ist. Der Fahrkartenschalter war immer als »Reisezentrum« bezeichnet, dabei konnte man dort keine Reise buchen, sondern eben nur Fahrkarten kaufen. Englischsprachige Reisende hatten es leichter, denn die suchten (und fanden) die Beschriftung »Tickets«. Das war eindeutig und klar und weil die jüngeren Menschen heute sowieso alle Englisch sprechen ist das nicht gleich sichtbar gewesen. Der Service-Lektor hätte nun den Service-Autor (den Architekten und den Verantwortlichen ÖBB-Manager) gefragt, warum das »Reisezentrum« heißen soll und nicht kristallklar »Fahrkartenverkauf«. Ja, das klingt weniger sexy, aber es geht um einen Service.
Das war ein Auslöser. Am Hauptbahnhof gibt es aber noch ein paar Stilfehler, die man nicht mehr korrigieren kann – das Buch ist sozusagen schon gedruckt.
Der neue Hauptbahnhof ist ein Jammer. Welche Fragen stellte sich der zuständige Planer? Hatte er das große Bild im Kopf? Worum geht es bei einem Bahnhof? Verreisen und Ankommen, Fahrkarte kaufen, der Rest ist Zusatz.
Der Hauptbahnhof präsentiert sich hingegen als Shopping-Center mit angeschlossenem Bahnhof statt umgekehrt. Der repräsentative Eingang kann nur erlebt werden, wenn man mit der Straßenbahn, dem 13A-Autobus oder zu Fuß kommt; kommt man mit Auto (die Freunde bringen einem) oder Taxi oder mit der U-Bahn, dann betritt man den Bahnhof »von hinten«, vom Süden, unspektakulär, unübersichtlich oder von unten.
Wo kaufe ich Fahrkarten? Komme ich von unten ist es leicht, gleich rechts, aber für alle anderen am anderen Eingang – also quer durch den Bahnhof, besser gesagt, quer durch das Shopping-Center marschieren, Karten im Reisezentrum kaufen (nein, jetzt bei »Fahrkarten«) und dann wieder retour. Wir hätten das im Lektorat besprechen können.
Der Westbahnhof ist wesentlich besser angelegt – leider auch etwas verwässert, weil der Haupteingang nicht für Privatautos zugängig ist, die dürfen am Vorplatz nicht vorfahren, um Verwandte ein- und aussteigen zu lassen, aber die meisten Menschen kommen von dort in den Bahnhof: Taxi, U-Bahn, Straßenbahn, zu Fuß. Man geht über den Vorplatz, kommt in den Kassensaal, kauft seine Fahrkarte und geht dann hinauf zu den Gleisen, den Bahnsteigen.
Der alte Südbahnhof (der Vorgänger vom Hauptbahnhof, mit dem integrierten Ostbahnhof) war genauso viel besser: mit Straßenbahn, Schnellbahn, Taxi, selbst mit Privatauto konnte man ankommen, ging in den Kassensaal, schließlich hinauf zu den Gleisen. Das ist ein natürliches, logisches Erlebnis, das ist am Hauptbahnhof in den Hintergrund gedrängt. Es ist kein Bahnhof, sondern eine Shopping-Mall, die auch einen Bahnhof beherbergt. Die Geste des Bahnhofs ist verloren, und doch bemühte man sich darum: von vorne, vom Gesicht, vom Haupteingang her, aber in dieser Weise kaum nutzbar/erlebbar, und von oben, da sieht man das preisgekrönte Dach, diese stilisierten Züge (ich glaube, so war das gedacht).
Die Lounge am Hauptbahnhof ist unspektakulär. Die Lounge ist ein besonderer Service für die Erste-Klasse-Reisenden. Sollte es sein. Früher war das so, Loungen waren etwas Besonderes und ließen am aufregenden Geschehen am Flughafen oder Bahnhof (da gab’s das nicht, oder?) teilhaben. In München am Hauptbahnhof ist (war?) es doch so, die Lounge hat Blick auf die Bahnhofshalle — zu erreichen ist sie (damals, als ich dort war) eher ungünstig (über einen kleinen Eingang seitlich, aber vielleicht war da ein Umbau im Gange). Jedenfalls, wenn man dann in der Lounge war, da hatte man die doch imposante Bahnhofshalle durch große Fenster gesehen, das Treiben auf den Bahnsteigen, das Ankommen und Abfahren der Züge beobachten können.
Wir wollen mehr Menschen auf die Schiene bringen, den Zug als attraktive Alternative zum Auto machen und dann scheitern wir immer wieder mit schwachem Service. Ich könnte ein Buch schreiben, über die »Rechtschreibfehler« und «Stilblüten« der Bahn. Es kommt einem die »Justice League« in denn Sinn — das wäre hier die »Service League«: ich als Service-Batman gegen den ÖBB-Joker. Naja, die Bundesbahnen bemühen sich, aber eine Außensicht des Profi-Kunden erscheint mir nützlich. Eben die Sicht eines wohlmeinenden Service-Lektors oder Servicedesign-Lektors.
Weil man als Servicedesigner rasch tief in eine Organisation einwirkt (einwirken müsste) braucht man den passenden Gesprächspartner; jenen, der sich in der Materie bestens auskennt und der die Veränderung, die Verbesserung, die Innovation auch erschaffen kann. Wenn es um das Design von Gegenständen geht, dann ist der Industrial Designer Sparringspartner des Technikers, inspiriert diesen zu Höchstleistungen. Der Servicedesigner, jener der umfassend arbeiten will (ich), ist Sparringspartner des Unternehmers oder des Managers, am besten auf C-Level. Es geht um umfassende, essentielle, das Unternehmen robust machende Gestaltungsarbeit. Es ist – wie ich es seit 2021 nenne: Managementdesign.
Managementdesign heißt es, weil es um Design geht, weil die Fragen aus dem Design stammen, weil wir die Denkweise des Designers (Design-Thinking) aktiv ins Management, in die Organisationsstruktur, in das Organisationsdesign hängen lassen, weil wir damit inspirieren, nicht weil wir aus den Managern Designer machen wollen. Mehr darüber in »Managementdesign, what?«
PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
#BusinessModelCanvas #Managementdesign #DesignThinking #Servicedesign #Innovation
Also published on Medium.