Jetzt sind zwei Wochen der Testung in Wien fast vorbei (heute ist der letzte Tag) und man hörte allerlei Nachrichten darüber. Von Erfolgen und auch von Pannen. Ganz klar erkennbar ist: Das (die Anmeldung) wurde nicht designt!
Vor Ort ist es gut gelungen. Zumindest ich erlebte da keinen Mangel, die Linien, auf denen man sich fortbewegen muss, funktionierten gut – das schaffen auch die Schwächsten. Die Menschen, die dort arbeiteten, leisteten prima Arbeit. Sehr freundlich, nett, hilfsbereit und gut informierend.
Aber davor? Jene, die die Anmeldung planten haben offenbar noch nie etwas von Design-Thinking gehört, auch nicht daran gedacht, dass so ein Prozess auch »schön gestaltet« sein kann. Damit meine ich nicht schöne Buttons, sondern einen Ablauf, den man zweifelsfrei versteht.
Man ist so vorgegangen, wie man immer vorgeht: klassische Plannung. Was soll herauskommen (breit angelegtes Screening wie in anderen Ländern, siehe Regierungswebsite), warum macht man es (um jene Kranken zu finden, die sich wohl fühlen) und dass es nach einem Paragraphen des Epidemiegesetzes ablaufen muss.
Design-Thinking würde da etwas anderes vorgehen. Wir würden zunächst überlegen, was der durchschnittliche Bürger und was der unterdurchschnittliche Bürger verstehen und annehmen können; würden die Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie und aus eigener Erfahrung anzapfen, würden überlegen, was jemanden behindern könnte hinzugehen und würden dann eine einfache Vorgangsweise entwickeln, die hernach von Juristen und Organisationsexperten technisch optimiert würde; freilich in einem Regelkreis, der immer wieder die Interessen des »typischen Kunden« berücksichtigen lässt.
Die einleitenden Worte auf der Regierungswebsite, auf die man von »Österreich testet« weitergeleitet wird, wenn man mehr darüber wissen will, (wer hat die eigentlich gelesen, ruft die jemand auf?) halte ich nicht für die wichtigsten. Da hätte ich lieber gelesen: »Wir alle müssen wissen, wer ist krank ohne dass er es weiß?« und warum wir das wissen müssen (»... damit wir die Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen«).
Antworten dazu findet man implizit in diversen Texten und in den FAQs zu bevölkerungsweiten Testungen des Gesundheitsministeriums. Wissen eh alle, was »FAQs« sind? Naja, vermutlich wir (Sie und ich) schon, aber auch unsere Eltern? Warum sind es nicht »Häufig gestellte Fragen zu den bevölkerungswei...«?
Warum soll man hingehen? Weil ich auf mich und auf dich schaue? Das lockt nicht viele hinterm Ofen hervor, die Teilnahme war überschaubar (am Samstag Morgen las ich von 63.750 Personen einer fast 2-Mio-Stadt). Warum ist es wichtig, dass wir jetzt eine Momentaufnahme für jeden Einzelnen machen? Am nächsten Tag könnte man ja trotz negativem Testergebnis schon positiv sein. Der Sinn der Aktion bleibt »geheim«. Als Designer wäre das die erste Aufgabe, vermutlich die zentrale Aufgabe: diese Fragen im Kunden vorab aufzulösen.
Man hat für die Massentests (wie für hundert andere Dinge auch) kein Design-Thinking angewendet. Dabei hätten auch hier die essentiellen Eigenschaften des Design-Thinkings genutzt werden können: Empathie, Interpretationskompetenz und Entscheidungsmut.
Die Denkweise, die Designer anwenden, um kommerzielle Projekte – einen neuen Tisch, einen Bestellprozess, einen Personentransport – bestmöglich entstehen und erleben zu lassen, kann auch genutzt werden, für die Information über Sinnhaftigkeit des Massentests, die Anmeldung, die Organisation vor Ort, die Durchführung des Tests, das »After-Sales«.
Der Servicedesigner steht den Experten zur Verfügung, achtet immer auf die Kundensicht und versucht diese Interessen zu vertreten und mit jenen des Auftraggebers zu vereinen. Am Ende ergibt sich ein kunden-, ein bürgerfreundlicherer Prozess als es jetzt der Fall ist. Dabei muss man froh sein, dass sich die Beteiligten vor Ort so anstrengen; so wird es noch erträglich.
Dazu auch noch ein Beitrag aus der Serie: »Der Designer auf Fact-finding-Mission.«