(Logbuch-Eintrag 20240109.0638) — Während die anderen gestern erst begonnen haben zu arbeiten ... oder erst heute langsam Fahrt aufnehmen ... bin ich schon mit voller Geschwindigkeit unterwegs. Ich merke das auch daran, dass der Stress wieder steigt. Das ist offenbar eine Reaktion auf ein weniger freundliches Arbeitsumfeld. Es gibt da einen Auftrag, mit einer höchst interessanten Aufgabenstellung. Ich mache dort gute Fortschritte, bedenkt man, wie katastrophal die Lage vor einem und eineinhalb Jahren war. Aber die Vorgangsweise ist eine gehetzte. Es gibt keine Zeit für grundlegende Konzepte, sondern es ist laufend zu optimieren, denn man will umsetzen. Es ist Interaction Design oder, wie es heute lieber genannt wird, UI/UX-Design. Das kann man (so meint der Laie) schnell aufzeichnen und dann gleich programmieren. Allerdings übersieht man oft, dass es auch und insbesondere auf die Details ankommt. Die agile Vorgangsweise macht schlampig. Indem monatlich neue Versionen veröffentlicht werden ist die Arbeit an der Bedienoberfläche der App (UI – User Interface) eine Operation am offenen Herzen, sodass das Bedienerlebnis (UX – User Experience) darunter zwangsläufig leidet. Wenn es keine Chance auf ein sauberes UX-Konzept gibt, weil es dafür keine Zeit gibt, weder für die Überlegungen zum Design, noch für die Etablierung einer Software-Basis, dann kann man laufend nur in kleinen Schritten optimieren. Die großen Würfe würden eine (manchmal zumindest) grundlegende Änderung der Software-Strategie erfordern. Datenbankstrukturen verhindern besseres Nutzererlebnis. Ich erfinde Einstellmöglichkeiten für ungünstige Zustände, weil es derzeit technisch nicht anders machbar ist. Details (wie z.B. Schatten oder Interaktionen) werden nicht so umgesetzt, wie sie designt wurden, weil das die eingesetzte Software nicht erlaubt, weil manche Plugins nicht verfügbar sind, weil Entwicklungsumgebungen falsch gewählt (eben ohne UX-Konzept) wurden.
Das ist alles auszuhalten. Das ist Fakt und ein Designer kann mit den Umständen leben und daraus das beste machen. Eine ideale Vision verfolgend, nähern wir uns ihr den jeweils technischen Möglichkeiten entsprechend an. Steve Jobs hatte wohl eine Vision in den 1980ern, wie es einst sein würde oder sein sollte, aber erst ab den 2000ern war die Technik so weit, dass wir seiner von mir angenommenen Vision signifikant näher kamen. 1969 visionierten die Designer ein iPad im Film »2001 – Odysee im Weltraum« und 2010 war es dann möglich so etwas den Menschen anzubieten. 2020 auch in der Dicke, Leichtigkeit, Größe, ... selbst HAL, der Supercomputer aus dem Film, könnte heute tatsächlich mit uns sprechen. Wir arbeiten mit den verfügbaren Mitteln und machen das Beste daraus.
Soweit gäbe es nichts zu beklagen. Woher also der Stress?
Vom mangelnden Leadership. Technische Rahmenbedingungen (Softwareumgebung, Zeit, Budget) verhindern größere Würfe und gleichzeitig klagt man über mangelndes Design!!! Anstatt dass die Führung das Team schützt, wird der Druck durchgereicht. Das vergiftet die Stimmung. Ein wenig. Ich lasse sie mir mich nicht verderben. Ich will durch Design (hier UI/UX) das Leben der Menschen (App-Anwender) verbessern! Das ist meine Motivation. Aber das hat auch seinen Preis: Der Stress, der sich als Druck auf der Brust spürbar macht. Dem ich will entgehen. Aber wie?
Heuer konzentriere ich mich auf mein Kerngebiet, auf Businessdesign-Coaching.
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