8:30 — Salzburg, Seeboden, Spital/Drau, Velm, Wien, Zürich. Wir müssen den Dingen auf den Grund gehen, wenn wir verkaufbare Innovationen erschaffen wollen. Es reicht nicht – das haben wir letztens diskutiert –, wenn wir erklären, was an einer Innovation gut ist. Mit diesen Informationen allein, erreichen wir nicht alle jene Menschen, denen die Innovation – unserer Meinung nach – gut tun würde. Dann wundern (und manchmal auch ärgern) wir uns und jammern uns gegenseitig an. Tatsächlich müssen wir uns auch mit den Bedenken der Menschen befassen; müssen diese adressieren und auflösen. Wenn das nicht gelingt, dann ist entweder die Innovation noch nicht nützlich genug oder wir verstehen sie noch nicht vollständig.
Um die Bedenken der von uns definierten idealen Nutznießer unserer Innovation zu erkennen, können wir wieder die »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking« nutzen.
Freilich ist auch nicht immer klar, was »gut« für den Menschen ist. Darüber diskutierie ich im Büchlein über den dritten Satz der »6 Sätze über Design«: »Designen verbessert das Leben der Menschen.«
Das Gute war auch ein Thema beim letzten Mal, weil es eine Frage des Contents ist: Warum machen wir, was wir machen? Es sind die Gene, die uns manchmal in die Gier maximalen Umsatzes treiben, nicht der Kapitalismus. Der ist eher Ausdruck dafür, dass wir uns (jeder, aber vor allem die Unternehmer) in den Wettbewerb stellen, um einen Mangel zu beheben.
Um als Unternehmen bestehen zu können, braucht es auch Treibstoff. Das ist beim Unternehmen Geld. Unsere Gene treiben uns danach Mangel zu vermeiden – daher auch unsere Innovationslust, die Lust einen Mangel zu beheben durch eine Verbesserung, eine Neuheit. Allerdings bleibt dieser Mechanismus auch dann aktiv, wenn der Mangel längst behoben ist. Menschen werden fett, weil sie mehr Zucker und Fett zu sich nehmen. Die Gene sagen es ihnen, dass sie es zu sich nehmen sollen, denn wer weiß, wann das nächste Mamut erschlagen werden kann. Dabei könnten wir uns heute bewusst machen, dass wir an jeder Ecke »ein Mamut erhalten« können (wir hier, in der ersten Welt auf jeden Fall). Ein Restaurant oder Supermarkt im besten, ein Fast-Food-Möglichkeit im ungünstigsten Fall. Also müssten wir nicht jede Gelegenheit wahrnehmen.
Den Unternehmen geht es wohl ähnlich. Am Anfang – quasi die »Steinzeit des Unternehmens« – muss man jede Gelegenheit der Nahrungsaufnahme (= Umsatz) nutzen. Später gibt es den eigentlich in ausreichendem Maße, aber dennoch strebt man blindling nach Maximierung. Auf der Strecke bleibt der Content, das Why, der eigentliche ursprüngliche Grund des Unternehmers: die Verbesserung des Lebens der Menschen. Die wird verwässert, um den Gewinn zu maximieren. In diese Falle tappt man sehr leicht. Der Designer als Sparringspartner hilft einem wieder heraus – so er nicht selbst in diese Falle getappt ist (was auch immer wieder passiert, entweder weil der Umsatz lockt oder die Gestaltungslust zum Exzess ausgekostet wird).
In beiden Fällen – immer – lohnt sich die Besinnung auf den Ursprung. Es geht darum, durch passende Angebote das Leben der Menschen zu verbessern. Das gelingt durch Gestaltung/Design. Dabei entsteht die Innovation. Die muss nun so präsentiert werden, dass sie anschlußfähig ist.
Also erklären wir nicht nur, was gut und besser daran ist, sondern zerstreuen auch die Bedenken. Wir benutzen dazu die 6 Denkhüte des de Bonos und bemühen uns – als verantwortliche Manager – nicht nur darum zu überlegen, warum es nicht gelingen kann (schwarz und rot), sondern auch, warum es gelingen könnte (gelb und grün). Dabei nutzen wir auch die nackten Fakten (weiß).
In der Debatte taucht die Frage auf, warum wir überhaupt diesen Begriff »Innovation« so strapazieren. Überhaupt – so Peter – sind diese Begriffe wie »Innovation«, »Change«, »Digitalisierung«, »Transformation« etc. ein Problem. Bei Managern sind sie beliebt, bei den Mitarbeitern sind sie eher alarmierend, verängstigen häufig.
Dabei, so hält Martin dagegen, ist Innovation gleichbedeutend mit Wohlstand und Erfolg. Es sind die Innovationen, die uns unser heutiges Leben so viel einfacher, bequemer und lebenswerter machten als jenes unserer Urahnen aus der Steinzeit. Dabei war wohl auch ihr Drang nach Erneuerung und damit Verbesserung Auslöser dafür. Weil es an der einen Stelle zu knapp wurde, machten sich einige auf die Wanderung und so verteilte sich die Menschheit auf den Kontinenten.
Begriffe können Unbehagen auslösen, so Peter weiter, es ist daher klug sie nur da einzusetzen, wo sie eine positive Grundstimmung erzeugen. In allen anderen Fällen sollen wir eher nicht den Begriff verwenden, sondern uns auf die positive Wirkung des damit gemeinten konzentrieren. Dass die Beschäftigung mit diesen Themen in diesen Fällen positiv ist, nehmen wir als gegeben an, denn wäre das nicht der Fall, dann würde der gute Berater, der umsichtige Manager, der interessierte Unternehmer gar nicht damit anfangen. Das Problem ist ja, dass es (die Beschäftigung damit) grundsätzlich gut wäre, aber eben die Konnotation in den Köpfen der Betroffenen ungünstig. Also konzentrieren wir uns auf die Wirkung und nicht auf den Begriff. Wir schauen uns an, was ist, was gut gelungen ist, und wie wir das weiterentwickeln können.
Wir lassen es nicht zu, dass wir der Geschichte den Geruch des Missgeschicks und Unglücks andichten. Was bisher war, ist nicht schlecht gewesen; immerhin hat es uns in die heutige, meist eben positive Situation gebracht, aus der wir die nächste Innovation, den Wandel, die Weiterentwicklung schaffen können. Wir konzentrieren uns auf das Vorhandene, das bisher gut funktioniert hat, und prüfen, was wir erhalten und was wir weiterentwickeln wollen.
In diesem Zusammenhang betont Peter auch seine Vorliebe statt von »Fehlerkultur« lieber von »Entwicklungskultur« zu sprechen. Es erscheint ihm ungünstig, wenn wir von einer Kultur der Fehler sprechen, denn – sein Credo: Konzentration auf Stärken – es geht nicht um die Fehler, sondern um die Stärken, die Erfolge, das Geglückte. Davon wollen wir mehr.
Aus Martins Sicht bedeutet Innovation zwangsläufig Konflikt, denn Neues trifft auf Altes. Man muss den Konflikt und letztlich auch die Veränderung akzeptieren, muss danach trachten auszugleichen. Konflikt muss nicht Streit bedeuten. Marlene stimmt dem zu: der Konflikt ist auszugleichen und die Fehler sind als Lernschritte zu akzeptieren. Es ist ein Sprachproblem: der Begriff »Fehler« erzeugt im Allgemeinem Rechtfertigungsdruck, war hat etwas nicht gut gemacht? Wenn wir uns mit dem Wording und dem Sprachverständnis beschäftigen (Martin empfiehlt Friedlich Glasl): Konflikt ist eine Lern-Chance; Wörter sind nicht negativ behaftet, Wörter/Begriff klären; wir müssen nur vorher herausfinden, was jeder von uns unter einem bestimmten Begriff versteht.
Martin geht noch einen Schritt weiter. Ihn interessieren im Moment insbesondere »Innovations-Gemeinden«. »Gemeinde« bedeutet dabei das Umfeld in dem Innovation stattfindet, der Ort, die Menschen, die Gegebenheite, die stattfindenden Prozesse. Darüber werden wir noch sprechen.
Jedenfalls hat beides Wert, das Alte und das Neue. Das Alte hat das Neue erst möglich gemacht. Ronald Reagan erzählte einst eine Geschichte, wonach ihm ein junger Mensch erklärt, dass er ihn und seine Generation nicht verstehen könne, weil es all die Dinge nicht gab, als er, Reagan, jung war. Stimmt, antwortet dieser, wir haben es erfunden. Die Vergangenheit ist nicht schlecht und die Innovation hat nicht das Ziel sie als solche darzustellen. Die Geschichte ist notwendige Vorbereitung auf die Innovation der Gegenwart, die ihrerseits nur die nächste vorbereitet. Wir entwickeln uns weiter. Also ist die Frage, was wir vom Bisherigen gut gebrauchen können, die Frage danach, was wir davon weiterverwenden können und uns nützlich ist, eine die Vergangenheit bejahende.
Um eine Innovation anschlußfähig und damit erfolgreich zu machen, muss ich das Thema richtig inszenieren und der Zielgruppe die passende Sprache geben. Marlene erzählt in diesem Zusammenhang vom Wechsel, weg von Qualitätsmanagement (das sind nur einzelne Personen im Unternehmen, das betrifft – so meinte man – nicht alle), hin zu Qualitätszirkel an denen alle Abteilungen mitmachen. Auch sie startete mit Begriffsbestimmungen – nicht im Sinne von, was ist es, sondern im Sinne von, was verstehst du darunter und was bedeutet es für dich? Mir fällt in diesem Zusammenhang immer wieder Robert M. Pirsigs »Die Kunst ein Motorrad zu warten« ein, mit jener, mich als Student stark beeindruckenden Textstelle:
»Die eigentliche Häßlichkeit ist nicht das Resultat irgendwelcher Objekte der Technik. Und sie ist,..., auch nicht das Resultat irgendwelcher Subjekte der Technik, der Menschen, die sie herstellen, oder der Menschen, die sich ihrer bedienen. Qualität, oder ihr Fehlen,ist weder im Subjekt noch im Objekt. Die eigentliche Häßlichkeit liegt in der Beziehung zwischen den Menschen, die die Technik hervorbringen, und den Dingen, die sie herstellen, was zu einer ähnlichen Beziehung zwischen den Menschen, die sich der Technik bedienen und den Dingen, deren sie sich bedienen, führt.«
Und gleich danach dieser Stelle:
»Phaidros war überzeugt, daß es im Augenblick reiner Qualitätswahrnehmung, oder nicht einmal Wahrnehmung, im Augenblick reiner Qualität, weder Subjekt noch Objekt gibt. Es gibt nur einen Sinn für Qualität, aus dem dann die Wahrnehmung von Subjekten und Objekten hervorgeht. Im Augenblick reiner Qualität sind Subjekt und Objekt identisch.«
Wir sollten uns also immer vorher klarmachen, was wir unter bestimmten Begriffen verstehen und damit meinen. Wir sollten überlegen, betont Peter, was wir sagen, aber noch wichtiger, was wir bewirken wollen. Wenn ich weiß, was ich bewirken will, dann kann ich überlegen, wie es gelingen kann, dann ist die Sprache das Mittel zum Zweck. Der Zweck freilich, das ist die Verbesserung unseres Lebens. Die gelingt durch Innovationen, die die Menschen annehmen können, die gelingt mit Design.
PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
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