8:30 – Graz, Linz, Salzburg, Seeboden, Velm, Wien, Zürich. Die Gruppe wächst, das Einzugsgebiet, genauer das Teilnehmergebiet auch. Aktuell beschäftigt den einen die Sache mit der Kluppensammlung, den anderen nachhaltiges Ausstellungsdesign, den dritten (und eigentlich alle) wie man Menschen dazu bringen könnte, Innovationen anzunehmen.
Da ist es wieder, unser Thema: Es ist eine Frage der Anschlußfähigkeit!
In einem meiner Sparrings (und in Folge immer wieder in diesen Treffen) bemerkten wir, dass Information, die für mich als Konsument relevant ist, nicht stört. Wenn eine Information, also z.B. ein Hinweis auf ein neues Produkt, für mich bedeutend ist, dann bin ich nicht genervt von dieser Werbung, sondern erfreut über die wertvolle, die nützliche Nachricht.
Wir informieren am besten, wenn es passt – auch unsere Mitarbeiter über unsere Innovationsvorhaben im neuen Jahr. Das muss nicht am ersten Arbeitstag nach Neujahr sein, sondern ... wenn es passt. Da ist die Information dann meist auch bedeutend und relevant und die Aufnahmebereitschaft gegeben. Sie ist ... anschlußfähig.
Ja und Nein. Es ist ein Jammer für jene, die es verstehen. Es ist keiner, weil sich offenbar die wenigen, die es verstanden haben – die Innovators und ein paar Early Adopters – nicht in der Lage oder zuständig fühlen, es ihnen zu erklären. Wir können uns nicht einfach hinstellen und postulieren: »Das Geldsystem ist am Anschlag, alle müssten nun Blockchain anwenden.« und dann davon ausgehen, dass sich alle die notwendigen Informationen holen.
Wie letztes Mal auch erwähnt, selbst jene, die uns helfen soll (so betonte letztlich ein übereifriger Student) »Informationen einzuordnen« (die Journalisten, die deshalb seiner Meinung nach auch faktenbefreit und tendenziös berichten dürfen), selbst diese Informationseinordner verstehen manche Dinge und Entwicklungen nicht. Letztes Mal strapazierten wir wieder das iPhone, das die Anschlußfähigkeit des iPads herstellte und konstatierten, dass das auch nicht ohne kleines Hickup gelungen ist, weil eben auch ein paar Journalisten (die Informationsversteher) es eben doch noch nicht einordnen konnten.
Also ist es ausgeschlossen, dass die bloße, von ein paar Wissenden (Experten?) erkannte Notwendigkeit ausreicht, dass sich die Mehrheiten (die frühe und auch die späte) mit dem Thema beschäftigt. Vielmehr ist es notwendig, dass ein paar integre Menschen (eher nicht jene der Art FTX die Thematik anschlussfähig uns »einfachen Leuten« vortragen. Dann würden wir erkennen, dass es Blockchain-Technik gibt und dass Bitcoin zwar damit funktioniert, aber das eben nicht das gleiche ist, worauf uns Ahmed hinweist.
Innovationen sind etwas Neues, sie verändern Bestehendes, mitunter sogar alles, also sind sie gelegentlich disruptiv (erschütternd); kurz: man eckt damit an und erreicht die Masse nicht. Ahmed bringt das auf den Punkt.
Daher müssen wir überlegen, wie wir die Menschen »abholen« können. Die Metapher der Kupplung: Da ist ein Eisenbahnwagon der heisst »so arbeiten wir heute« und da kommt ein neuer, der heisst »Bitcoin« oder »Blockchain« oder einfach allgemein »Innovation«. Der neue Wagon ist bequemer, sicherer, neutraler, etc., aber die Kupplung, die an ihn geschraubt ist, die passt nicht mit dem alten Wagon zusammen, die müssen wir erst anpassen. Dann erst kann die Neuigkeit im Alltag ankoppeln.
Das Problem ist, dass der alte Wagon von anderen Personen beherrscht wird und die mögen den neuen manchmal nicht – noch nicht. Entweder verstehen sie ihn nicht oder sie haben Sorge, dass dann ihr Wagon ausrangiert wird (was durchaus häufig der Fall ist). Also wehren sich die Experten gegen diese unnötige (und »gefährliche«) Neuerung. Zu Unrecht. Wie wir schon häufig festgestellt haben: das Neue kann man nicht verhindern, maximal hinauszögern, behindern. Aber am Ende setzt sich das Bessere durch.
Eine Industrie akzeptiert das Neue nicht, versteht es vielleicht nicht, versucht es zu vereinnahmen (e-Euro und Co) und verwässert (unwissentlich oder bewusst?) das Konzept.
Ahmed hat ein Beispiel: Ein neues Produkt wird entwickelt. Es wirkt besser, ist günstiger herstellbar, einfacher verbreitbar, auch kopierbar. Es gefährdet die eigenen Produkte. Es wird vom Medikamentenhersteller strikt abgelehnt. Was ist das Why dieses Pharma-Konzerns?
Menschen vergessen Content. Steve Jobs hat das großartig erklärt. Nach viel Erfolg passiert es immer wieder (und ich vermute auch Apple ist es passiert), dass sie ihren Content, ihr Why, vergessen und dann nur noch Prozesse optimieren. Der ungünstigste ist jener der Renditesteigerung. Das ist keine kapitalistische Krankheit (ich betone, das ist kein Fehler des Kapitalismus), sondern das ist die genetische Gier nach mehr von etwas, das (ursprünglich) überlebensnotwendig war. Fett, Zucker, in unserer Zeit Geld. Wir modernen Menschen der ersten Welt haben in aller Regel keine Fett- und Zucker- und Wassernot, aber unserer Vorfahren in Urzeiten. Daher ist es in unseren Genen (so erklärt mir immer wieder der Michael Leube, Anthropologe). Mir scheint, den Unternehmen geht es ähnlich. Geld war am Anfang so rar und überlebensnotwendig, dass sie es horteten. Später, man ist längst marktbeherrschend und erfolgreich, hat man dieses Geld-gieren-Gen noch immer aktiv, dabei könnte man nun großzügig sein. Man hat den Content vergessen, man hat vergessen, warum das Unternehmen gegründet wurde und trachtet nur noch nach dem Treibstoff, den es aber mittlerweile in rauen Mengen hat.
Dazu passt auch ein weiteres Credo, das wir auch bei Steve Jobs immer wieder hörten/erlebten: Wenn nicht wir uns kanibalisieren – durch neue Produkte unsere alten obsolet machen –, dann macht es jemand anders. Das ist bereits tausende Male passiert in der Wirtschaftsgeschichte.
Peter weist uns nun auf eine Grundlage unseres Zusammenlebens hin: Wir vertrauen einem Menschen, nicht einer Technik oder einer Information! Der konkrete Mensch (oder eine Anzahl) ist letztlich immer unser Anker. Es ist nicht die Technik, nicht eine Nachricht, ein Gesetz, eine Institution oder Organisation, es ist ein Mensch.
Doch genau das – diese Loslösung vom Menschen – ist der Vorteil der Blockchain-Technik. Das ist das Paradox: Die Befreiung vom Bedarf nach Vertrauen in einen Menschen. Das ist die Innovation! Genau der Verstoß gegen diese Regel, die artgerecht wäre (unserer Art gerecht: Menschenvertrauen), genau der ist der Vorteil und das Ziel. Genau weil dieser Verstoß missachtet wurde, weil man sich »artgerecht« verhielt und (mehrheitlich, vermutlich, you know: Unschuldsvermutung besteht) einem Menschen vertraute, genau deshalb konnte ein FTX-Desaster eintreten. Menschen vertrauten einem zentralisierten System. So gesehen war das de facto Anti-Blockchain, denn die ist anonym und dezentral. Um damit betrügen zu können, müsste man mehr als die Hälfte jener Schürfer, die diese Blockchain schreiben, auf seine Seite ziehen. Selbst wenn man das schaffen würde, das wäre wohl teuer, weil ja kaum jeder freiwillig und einfach so falsche Einträge produzieren würde und dann müssten die auch noch alle ident-falsch (also die gleichen) sein. Richtig angewendet erscheint es mir de facto unmöglich in der Blockchain zu betrügen. Aber zum einen steht da »richtig angewendet« und zum zweiten bitte ich die Experten um ihre Meinung dazu – das ist mein Laienverständnis.
Damit sind wir wieder am Ausgangspunkt. Wir Laien wissen nur manche Details und die Experten (die Banker) sagen vielleicht nicht alles. Sie wissen es nicht oder es stört, zerstört, ihr System, ihr Einkommensstruktur, ihre Arbeitsweise, jedenfalls vorerst potentiell Existenz... naja ... verändernd, mindestens.
Peter wirft ein, dass das Problem der Bitcoins die enormen Kursschwankungen sind. — Ja, ich weiß, wir drifteten in unserer Debatte ein wenig weg vom konkreten Innovationsthema hin zu Crypto-Debatte, aber das hängt eng zusammen und könnte uns im Verständnis helfen. — Die Kursschwankungen – und das könnten uns die Experten gut erklären, aber machen sie nicht – bestehen nicht gegenüber den Werten (also den Gegenständen und unserer Produktivität, unserer Arbeit), sondern gegenüber einer künstlichen Einheit, dem Fiat-Money, dem Euro und dem Dollar. Wir können immer sagen, meine Stunde kostet 1.105.000 Satoshi. Wieviel das in Euro oder Dollar ist, könnte uns nicht interessieren, denn diese Beträge werden ja künstlich gesteuert. Ich könnte auch sagen, sie kostet 5 Gramm Gold. Aber wir haben uns hier (für den Moment) auf Euro und Dollar geeinigt und uns einverstanden erklärt, dass eine Zentralbank ... nein, das gehört hier nicht her.
Die Bitcoin-Unsicherheit ist nicht der schwankende Wechselkurs gegenüber über dem Fiat-Geld, sondern die Abhängigkeit vom Strom. Aber diese Abhängigkeit ist die Bequemlichkeit unserer Zeit. Vom Strom sind wir auch abhängig, wenn wir unser Fiat-Geld der Bank borgen, dort hinterlegen (also eigentlich bloß eine Forderung gegenüber der Bank halten). Unabhängig vom Strom wären wir nur dann, wenn das Geld daheim läge. Riskant und ... naja, kaum erlaubt. Robert erklärt, dass man in Deutschland für nicht mehr als für 2000 € Gold in bar kaufen darf. Bei Einkäufen über 500 € in Spanien, die man bar bezahlen will, muss man die Steuernummer hinterlassen. Etc. Die Freiheit, die man uns vorgaukelt, gibt es nicht. Wie auch immer, auch die Bank, der Geldausgabeautomat brauchen Strom. Ein Stromausfall (ein Blackout) wäre für Bitcoin, aber auch für Fiat-Geld katastrophal. Wir Menschen würde auch das schaffen, das ist klar, wir sind ... innovativ.
Warum wir in der Bitcoin-Sache nicht weiterkommen liegt daran, dass es eine disruptive Innovation ist. Sie ist (noch) nicht anschlußfähig und sie wird behindert, weil es letztlich ein Ersatz für das Bankensystem insgesamt darstellt. Die Dezentralisierung macht einen zentralen Buchhalter (wie es die Banken letztlich sind, sie führen Buch darüber, wer wem etwas gibt) überflüssig. Doch die wehren sich. In Schweden (das erste Land mit Geldschein) ist voraussichtlich das erste ohne Bargeld. Ahmed ergänzt, in London könne man kaum mehr bar bezahlen, man nimmt es nicht. Dabei ist es für Peter das einzige Mittel für Unabhängigkeit.
Werner ergänzt, in China wollen selbst Bettler digitales Geld, die Regierung konstruiert ihren e-yuan (der zwar Blockchain-Technik nutzt, aber eben nicht dezentral, sondern zur Superüberwachung), die Schweden gehen wieder weg vom digitalen Geld, und führt uns letztlich wieder zum Kern unserer Debatte: die Nicht-Akzeptanz von Innovation.
Es ist eine Angewohnheit der Etablierten, so Werner weiter, dass sie sich an innovativen Ideen immer zuerst die Probleme ansehen. Man konzentriert sich auf das, was offenbar am leichtesten ist, nämlich man setzt den schwarzen Hut auf und erklärt, was daran nicht funktioniert.
Das ist der Grund, warum uns de Bono die Sechs-Farben-Technik (oder in Deutsch) bescherte. Dass wir das machen, was sich auch Werner wünscht, dass wir uns in der Debatte, ob eine Innovation zu verfolgen ist oder nicht, intensiv auch mit dem gelben und dem grünen Hut beschäftigen, dass wir den weißen aufsetzen und den blauen benutzen. Wir sollen nennen, was gut an einer neuen Sache ist, was wir damit alles machen könnten, welche Fakten damit verknüpft sind und das sollten wir gut steuern.
Und Peter ergänzt großartig und damit den Kreis schließend: Wenn wir Innovation verbreiten wollen, dann sollen wir nicht nur die Vorteile betonen, sondern wir sollen auch die Vorbehalte der Menschen adressieren.
Damit schaffen wir die Anschlussfähigkeit: Wenn wir erklären, wie die Innovation aktuell den vertrauten Alltag ergänzt (wenn die Kupplung passt) und wenn wir uns die Vorbehalte anhören, sie ernst nehmen und erörtern. Wir brauchen also auch hier wieder die »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking«.
Wer Innovation will, der braucht Design (also Design-Thinking). Designen verbessert das Leben der Menschen. — der dritte Satz.
Robert gefiel die Moderation, das Format gedeiht, melde auch du dich an, zum Innovation-Briefing.
PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
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