Innovation-Briefing Nr. 28

13/02/2023

Kommentar

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8:30 – Bad Driburg, Berlin, Graz, Hamburg, Ramsau, Rostock, Salzburg, Seeboden, Wien, Zelle/Hanover, Zürich – eine sehr große Runde.

Ein Fragenkomplex ist aufgetaucht, hat sich in den letzten Monaten gebildet. Ursprünglich fragte Petra nach Innovation in der Werbung, dazu gesellten sich die Fragen, wie man partizipatives Innovationsmanagement betreiben könnte und wie man mit Innovationen mit Potential aber Null-Nachfrage umgeht. Dennis will ergänzend dazu wissen, wie sich technische Innovation von anderen unterscheidet und was dabei explizit zu berücksichtigen ist.

Ich nennen das einen Fragenkomplex, einen Fragen-Cluster, weil diese Fragen zusammenhängend beantwortet werden können. Es gibt eine These, die, wenn man sie annimmt, in jedem dieser Fälle sofort Lösungsansätze aufzeigt.

Diese Grundannahme haben Werner und ich in einem unserer Sparrings im Rahmen einer Innovation-Mission entdeckt. Damals ging es darum, ob eine bestimmte Information, die wir in einem Text oder einer Präsentation unseren Zuhörer aufdrängen, stört. Die Antwort ist kristallklar: Nein, Informationen mit Bedeutung (für mich als Kunden) stören nie. Informationen, die relevant für mich als Kunden sind, sind wertvoll. Die will ich hören, dafür bin ich dankbar.

Ist eine Information für den Kunden relevant, dann hat sie Bedeutung für ihn. 

Was für Information gilt, gilt freilich auch für Innovation. Unabhängig, ob es eine technische oder eine prozessuale Innovation ist (einen Prozess betreffend). Ist sie relevant für mich, dann will ich sie kennen, dann will ich mich mit ihr befassen.

Jetzt fragt sich freilich, woher weiß ich als Anbieter, ob eine Innovation (oder Information) für meine Kunden relevant und von Bedeutung ist? Ich weiß es nicht, ich kann es nicht wissen, aber ich kann es erraten, ahnen, darüber spekulieren. Das ist Thema des Designens, des Design-Thinkings. Die »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking« sind essentiell, um genau diese Frage nach der Bedeutung zu beantworten. 

Mit meinem Einfühlungsvermögen versetze ich mich in die Lage meines Kunden, interpretiere es und entscheide mutig, wie ich die Anschlussfähigkeit herstelle. Ich muss erkennen, dass meine Innovation relevant für meine Kunden ist – weil sie die Arbeitsweise, die Welt verändern wird – und muss das auf eine Weise präsentieren, die der Kunden annehmen kann. Das ist die Antwort auf Iljas Frage wie man eine Innovation, die großes Potential hat (also die Welt verändern wird, z.B. Multi-Touch auf Glasplatten, Tablet-PCs) aber keine Nachfrage generieren kann.

Wir müssen als Unternehmer die Innovation so darstelllen, dass sie anschlußfähig ist und also in der Welt der Kunden andocken kann. Der Kunde muss verstehen können, wie diese Neuheit das Gewohnte besser weiterführt. Mein Paradebeispiel ist Apples iPhone. Steve Jobs präsentierte 2007 eben genau kein iPad, also diese neue Technik des Multi-Touch als neuartigen, wirklichen Tablet-PC. Das hätten die meisten Menschen damals nicht verstanden, das wäre zu neu gewesen – die »Anhänger-Kupplung« hätte nicht gepasst. (Es haben ja manche Journalisten – also eher neugierige Menschen und dem Neuen aufgeschlossen gegenüber – 2010 das iPad nicht richtig deuten können.)

Stellte ich mir damals die Frage, was anschlussfähig gewesen wäre, dann hätte ich erkannt: telefonieren. Blackberry war höchst erfolgreich, der Nokia Communicator im Management beliebt, man will unterwegs telefonieren und eMails beantworten, aber die Tastaturen sind so klein, die Tasten passen nicht zur Software, die Menschen (so zeigten es die Marktforschungen) wünschen sich bessere Blackberrys (und Nokia versuchte das auch). Wenn ich also eine neue Technik für bessere Interaktion mit transportablen Computern einführen wollte, dann würde ich den Menschen sagen: hier habt ihr ein neues Telefon, das ist auch ein iPod und ein Communicator fürs Internet-Surfen. Alle – so war’s auch; naja, genaugenommen alle Enthusiasten und Early Adopter/Visionäre – haben das angenommen, wollten mit diesem Gerät und der neuen Art Telefonnummern einzutippen telefonieren. So gelang die Integration einer neue Interaktionsform in die Alltagswelt. Als die Menschen dann nach drei Jahren erkannten, dass man damit hervorragend unterschiedliche Software nutzen und im Web surfen kann (weil man dafür eigentlich keine ausgefeilte Tastatur braucht, man tippt ja nur die Web-Adresse ein und surft dann per Fingerklick immer weiter), da erkannten sie, dass ein größerer Bildschirm günstiger wäre. Telefonieren müsse man nicht damit, das machte man sowieso seltener auf diesem – jetzt wirklichem – Smartphone, die nun auch von Samsung und anderen angeboten wurden. Jetzt war die Innovation im Markt, in der Gesellschaft angekommen. Die Early Majority hat die innovative Bedienform angenommen, der Massenmarkt war geknackt und entwickelte sich.

Der Trick ist die Anschlussfähigkeit.

Diese Anschlussfähigkeit schaffe ich, wenn ich über meine Kunden gut Bescheid weiß (siehe oben, der Hinweis auf die »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking«). Petra weist uns darauf hin: das ist eine Frage einer gut fundierten »Customer Insight«. Ilja ergänzt mit dem Rat, dass man dazu auch wissen müsse, wer man ist.

Das ist mein Stichwort, denn in der Tat ist der Ausgangspunkt, die genaue Kenntnis meines WHY, meines Warum. Wir lasen es bei Simon Sinek: er erzählt in seinem Buch auch die Geschichte von Tivo, diesem Videorekorder, der »ein paar Jahre zu früh am Markt war«. Nein, er war nicht zu früh, er wurde nur nicht anschlussfähig präsentiert. Indem man in der Kommunikation nicht dort begann, wo die (interessierten, die Innovators und Early Adopters) waren, indem man die Gedanken nicht »vorkaute«, wurde man nicht gehört. Die potentiellen Kunden erkannten nicht, dass hier relevante Information, eben eine bedeutende Innovation vorlag.

Wir (Unternehmer, Manager) müssen wissen, warum wir machen, was wir machen, dann gelingt es uns leichter, die zu uns passenden Kunden anzusprechen (die ersten sind immer die Enthusiasten, also jene mit gleichem Motiv). Die locken dann die Early Adopter (die Visionäre) und dann können wir uns überlegen, wie wir den Massenmarkt mit unserem – dann bereits »vollständigen« – Produkt überzeugen.

Wenn ich weiß, warum ich mache, was ich mache, dann kann ich auch selbst besser verstehen, was meine Innovation ausmacht. Oft ist es so, dass der Erfinder berauscht ist, von der vollbrachten Leistung. Das ist gerechtfertigt und verdient, keine Frage, aber die Kunden erreiche ich nicht (oder nicht ausreichend viele) in diesem Rausch, die erreiche ich nur mit einer nüchternen Darstellung, warum etwas relevant ist und Bedeutung für den Alltag hat. Telefonieren, zum Beispiel, das ist relevant und mit so einer Glasplatte als Interaktionsfläche, da lassen sich die Telefonnummer schöner heraussuchen (scrollen) als mit diesem hunderte Male auf eine Taste klicken, damit ich beim richtigen Name ankommen. Zack, schon waren die ersten Kunden gewonnen. Einige Europäer jetteten nach USA, um als erste hier ein iPhone zu haben.

Doch ist es häufig so, dass die Innovatoren selbst nicht genau wissen, warum eine Erneuerung besser sein soll. Es sind die Aussenstehende, meist der Designer, der diese vernetzende Funktion ausübt, der erkennt, wie gewisse Handlungen mit dem Neu-Verfügbaren einfacher und bequemer werden könnten, und dann diese Innovation – vielleicht unorthodox – anwendet und so den entscheidenden, den relevanten Use-Case offenlegt. Dann wissen wir Anbieter es, aber der Kunde versteht es noch nicht. Jetzt müssen wir mit unseren »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking« die passende Geschichte, die richtige Sprache finden und »den Kunden abholen.« Das ist schon richtig erkannt, der Kunde will abgeholt werden. An der Anschlussstelle. Die Kupplung, die passen muss.

Experten lieben das Bekannte und Gewohnte

Ilja merkt an, dass es oftmals die Experten sind, die sich nicht für neue Dinge öffnen, die Innovationen bremsen, schlecht machen, ihnen feindselig gegenüber stehen. Das ist verständlich. Die Österreichische Schule zeigt uns Lösungsansätze, auch die Verhaltensökonomie, wir müssen akzeptieren, was ist und dann überlegen, wie wir damit zurechtkommen, wie wir dieses Faktum der zurückhaltenden Akzeptanz einer Innovation für uns nutzen können. Es ist schon wieder eine Gestaltungsaufgabe, eine Frage des Kommunikationsdesigns. Auch da braucht es eben Innovation – womit wir wieder Petras Frage nach Innovation in der Werbung bearbeiten. Innovation in der Werbung sind relevante Storys, Informationen mit Bedeutung, Fakten, die mich (den Kunden) weiterbringen. Es geht um die »Form dieser Kupplung«, der Anschlussfähigkeit. Eine Kupplung gibt es immer, auch bei den Experten.

Ilja erzählt ein Fallbeispiel: die Landwirtschaft ist konservativ, man will nichts Neues, schon gar keine Agrar-Roboter; man versteht sie nicht: Die Anschlussfähigkeit würde bedeuten, dass man sich geistig öffnet und darüber nachdenkt. Aber der Standpunkt der 50+ ist wenig beweglich.

Jetzt beobachte ich, was da gesagt wurde: die Landwirte versteht diese Innovation nicht. Das ist ein klarer Hinweis, wo ich beginnen muss. Die Anschlussfähigkeit stelle ich her, indem ich erkläre, was sie nicht verstehen, auf eine Weise, die sie verstehen. Vielleicht muss ich mehrere Fach-Ebenen tiefer beginnen. Ganz eindeutig, meine Annahmen muss ich zurückstellen.

Ein Volksschullehrer ist ein erwachsener Mensch, kennt sich mit der Welt aus, kann Auto fahren, weiß, wie man die Mehrwertsteuer berechnet und liest Romane. Dennoch muss er den kleinen Kindern das malen von Buchstaben beibringen und wie sie rechnen können. Er und Sie schaffen das, weil sie ihr eigenes Wissen nicht voll ausschöpfen und nicht davon ausgehen, dass die Kinder auch wissen, was sie wissen. Das ist uns in diesem Fall völlig klar, bei Volksschülern. Nun, bei unseren Kunden ist es auf andere Weise genau so. Weder weiß der Bauer, was das Tolle am Agrar-Roboter sein soll, noch weiß der Entwicklungschef, wie Design funktioniert und auch der Unternehmer weiß nicht, warum Marken funktionieren – im Allgemeinen und zunächst. Der Techniker, der Designer, der Markenexperte, sie alle müssen auf einer anderen Ebene mit ihren Erklärungen beginnen. Auf einer Ebene ihrer Kunden. Sie machen es nicht. Nur selten. (Ich weiß es auch von meinen Kollegen, die sich darüber beschweren, dass Kunden keine Ahnung von Design haben, vermutlich auch aus meinen Selbstbeobachtungen. Gottlob wissen die Kunden zu wenig, denn sonst wären ich und meine Kollegen entbehrlich. Ich weise dann immer darauf hin, dass auch wir Designer einfach und für unsere Gesprächspartner nachvollziehbar über unser Gewerk sprechen müssen.)

Experten verlangen Innovationsrechtfertigung. Wirklich?

Jetzt platzt Balazs mit seiner Erfahrung in die Diskussion: Experten sind am Status quo fixiert, meint er, sie seien vom eigenen Wissen stark belastet, könnten es nicht in Frage stellen. Dinge wurden schon immer so gemacht, man wolle nicht sehen, wie es anders gemacht werden könnte und man will auch nicht über den Sinn dieser Änderung nachdenken. 

Aber Experten erleben auch die Probleme des Status quo. Die müsste man adressieren, kommt Iljas Einwand.

Ja, der Bauer will sich Arbeit ersparen. Das muss dieser erkennen. Dazu müssten »die Experten« zusammenarbeiten, der Bauer, der Berater, der Erfinder, der Landwirtschaftsexperte, etc. Es müsse leicht sein.

Petra widerspricht richtigerweise: Es muss nicht easy sein, es muss – erraten – relevant sein. Das ist diese Anschlussfähigkeit, die wir Anbieter herstellen müssen, wenn wir verkaufbare Innovationen erschaffen wollen. (Das ist mein Angebot: mit Innovation-Ramp-Up und der neuen Innovation-Mission erschaffen wir gemeinsam diese verkaufbaren Innovationen.)

Genau das ist auch der Anschlusspunkt an Dennis’ Thema: das partizipative Innovationsmanagement. Wenn ich will, dass möglichst viele Menschen an einem Prozess teilnehmen, wenn es »inclusive« sein soll, dann nützt es nichts, wenn ich eine tolle Plattform anbieten und mich wundere, warum niemand dieses tolle Angebot annimmt. Ich muss mich zunächst mit den Möglichkeiten und den Interessen der Zielgruppe, die ich einlade mitzumachen, auseinandersetzen. Ich muss meine Plattform, die Teilhabe an meiner Plattform für die anderen relevant und interessant machen – und bedienbar. Das klingt jetzt vielleicht selbstverständlich – ist es aber nicht. Wir können nicht davon ausgehen, dass alle, die mitmachen sollen, den gleichen technischen Wissenstand und die gleiche Lust mitzuarbeiten haben.

Wir müssen uns mit den Umständen, den Gegebenheiten und den Zielen befassen, müssen unsere Kunden kennen und die passenden Andockpunkte erkennen. Das erinnert uns an unser »Schweizer Taschenmesser der Managementtools«, nicht wahr?

Das Business-Model-Canvas ist wieder da.

Im Business-Model-Canvas kann ich all diese Themen adressieren. Ich nutze es als Framework, um diese Themen zu bearbeiten und ich nutze es mit den »3 Kerneigenschaften für Design-Thinking«. Ich akzeptiere die Tatsachen und klage nicht darüber. Dann verändere ich mit meiner Innovation nicht nur das Fachthema, sondern ich entwickle dabei auch mein Geschäftsmodell.

Ilja weist zum Schluss noch darauf hin, dass das notwendig sein wird. Unglücklicherweise im Moment durch gesetzlichen Zwang, den wir offenbar noch immer brauchen/wünschen (das ist wohl eine Frage der Erziehung). Wir überlegen also, wie wir in die Zukunft kommen – mit Innovation, mit freiwilligem Change. Mit anschlussfähiger Kommunikation erschaffen wir verkaufbare Innovationen.

Im Innovation-Briefing diskutieren wir darüber.


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