Innovation-Briefing Nr. 27

28/01/2023

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8:30 — Graz, Linz, Nussbach/Ried im Traunkreis, Salzburg, Seeboden, Wien. Wir fragen nach Tokinisation von Gegenständen aller Art, nach dem Wertversprechen und ob Innovation durch zurückgehen gelingen kann. Das reizt! Warum ist Innovation immer etwas Neues und oft nicht Research von etwas bereits bestehenden?

Anders formuliert lautet es, gilt etwas als Innovation nur dann, wenn es absolut neu ist? Muss eine Sache immer neu erfunden werden, damit man sich darüber freut? Könnte man denn nicht auch durch umfassende und tiefgehende Recherche auf Altbewährtes stossen, es wieder sichtbar, gar populär machen und damit eine Verbeserung der aktuellen Stuation erreichen?

Die Innovation braucht es doch nur, weil eine vorgefundene, ungünstige Situation in eine gewünschte verwandelt werden soll. Es ist – das ist uns klar – eine Frage des Design. Wer Innovation sucht, der braucht Design! Aber ist dieses Design immer ein Erfinden einer neuen Lösung?

Neu würde hier bedeuten, derjenige, der die Erfindung macht, kennt alte Erfindungen nicht. Er kenn die gemachten Erfindungen jedenfalls nicht bewusst, muss man hier hinzufügen, denn auf transzendente Weise, haben wir ja alle Zugang zum Weltwissen. Profaner ausgedrückt liest man es in diversen Aufsätzen berühmter Designer: man kann nichts Neues erfinden, sondern nur das Existierende neu kombinieren. Naja, das ist klar, der Designer synthetisiert – etwas ist ja genau dadurch neu, weil es eine noch nie dagewesene Kombination von Existieredem ist. Das kann gar nicht anders sein. Synthese ist die Neukombination von Bekanntem und eben das ist die Innovation, denn durch diese Neukombination ergibt sich eine Verbesserung der gerade eben als ungünstig erlebten Situation.

Weil das Starten eines bezingetriebenen Autos mit einer Kurbel gefährlich und unbequem ist (ungünstige Situation) baue ich einen Elektromotor in ein Auto ein, dass diesen Startvorgang durchführt (neue Kombination bekannter Elemente).

Wir diskutieren aber anders: die Innovation verdrängt Altbewährtes, steht als These im Raum. Das Motorola RAZR verdrängt als erstes Klapphandy die anderen (mehr oder weniger); das iPhone verdrängt die Klapphandys.

Ja, eine Innovation (eben die Verbesserung) verdrängt das Altbewährte, das aber eben nicht optimal war — weil wir ja nie das Ideal erreichen, sondern ihm uns nur annähern können. Der E-Starter verdrängt die (bis dahin »bewährte«) Handkurbel. Der Startknopf verdrängt den Zündschlüssel bei unseren heutigen Autos.

Die Frage aber war, muss diese Innovation immer radikal neu sein oder könnte sie nicht auch gelingen (genügen), wenn wir gründlich recherchieren und wirklich Altbewährtes analysieren. Wenn wir dann feststellen, dass dieses Alte heute wieder nützlich wäre und nur vergessen wurde, dann müsste das doch auch als Innovation gelten.

Georg erwähnte die Wäscheklammer (österreichisch Kluppe). Es gibt, so berichtet er, in jedem Supermarkt 10 bis 15 verschiedene Kluppen, aus Holz, Kunststoff, mit und ohne Feder, etc. Man könnte auch (wie auf Segelbooten) die Wäscheleine doppelt führen und verdrillen und dann die Wäschestücke zwischen den Leinen einklemmen – ganz ohne zusätzliche Elemente, die man ja immer irgendwo zwischenspeichern muss, wenn die Wäschestücke abgenommen sind.

Genau, weglassen wäre die Innovation – insbesondere dieser Tage, den Tagen der »Nachhaltigkeit« (gemeint ist hier »ökologische Verantwortung«, nicht »wirtschaftlich sinnvoll«).

Georg sammelte einst hunderte Kluppen (und wird bei Gelegenheit Zugang zu seiner Bilder-Sammlung geben, ich werde berichten) und stellte fest: wenn Studenten neue Kluppen »erfinden«, dann recherchieren sie einfach zu wenig. Vieles gab es schon, manches ist einfach mutwillig neu, resourcenverschwendend, meere-verschmutzend (Plastikkluppen werden kaputt, haben Abrieb) und von 100 Jahren gab es brauchbare Lösungen, die heute höchst sinnvoll wären. Holzkluppen können heute rationell gefertig werden, bestehen aus nachwachsendem und CO2-bindendem Material und haben damit eindeutig mehr Punkte als die Kunststoff-Kluppen aus fossilen Material, die dann eben das Meer (die Umwelt) mit ihren Feinpartikel auf Ewig belasten.

Wir stellen sohin fest: es wird zu wenig sorgfältig recherchiert, man ist primär an einer Neuheit der Neuheit wegen interessiert und (das Fatalste) der gesamte Lebenszyklus wird nicht bedacht. C.Pauschitz und ich haben das bereits Anfang der 1990er in unserem Büchlein »integriert entwerfen« – das ich als »integriert entwerfen – reflektiert« überarbeitet und neu veröffentlicht habe – beschrieben: demnach muss ein »integriert entworfenes« Produkt drei Kriterien erfüllen, eines davon ist die Frage nach dem inneren Wert, dazu gehört auch, wie es entsorgt wird. Der Artikel findet sich hier.

Die Kluppe muss einen Wert versprechen! Sie hält das Wäschestück sicher an der Leine, beschädigt es dabei aber nicht, ist immer griffbereit, leicht zu bedienen, auch für ältere Menschen, günstig, so dass es sich jeder leisten kann, etc. oder es ist originell und besonders hübsch (für manche). 

Warum will man Altes nicht? Weil man sich satt gesehen hat, weil man Abwechslung wünscht. »Der Mensch leidet an Neophilia, der Lust am Neuen,« sagte Michael Leube, der Anthropologe in unserem Design-Thinking-Tank. Es ist also nur zu menschlich Neues einfach wegen der Neuheit dem Altbewährten vorzuziehen. Dann verändert sich das Umfeld, das ein ist Mode, dann das anderen – derzeit der Schutz unserer Umwelt –, dann besinnt man sich wieder des Altbewährten, der Holzkluppe. Ist sie unansehlich und kaputt, dann kann man damit einheizen (ein klein wenig). Der neue Rahmen lässt uns das Alte als Innovation präsentieren.

Freilich, anschlussfähig ist es dann mitunter dennoch nicht. An dieser Anschlussfähigkeit muss man trotzdem arbeiten, denn sonst wird aus der Neuheit keine Innovation, denn die muss auch verkaufbar sein.


PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:

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