Innovation-Briefing Nr. 22

14/11/2022

Kommentar

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8:30 — Sankt Pölten, Salzburg, Seeboden, Wien. Wir setzen (in einer klein wenig neuen Besetzung) unsere Betrachtungen zur aktuell notwendigen Veränderung unser selbst fort.

Von Sinek gibt es eine Aufzeichnung eines seiner Team-Huddles aus der Zeit vom Beginn der Pandemie 2020. Darin bekräftigt er, dass wir keine beispiellosen Zeiten erleben, sondern einfach in Zeiten der Veränderung leben. Wir (die Menschheit) leben immer in Zeiten der Veränderung, nur passieren diese Veränderungen heutzutage deutlich schneller. Der Anthropologe würde mir nun wieder bestätigen: »Wir sind noch immer Steinzeitmenschen und leben im falschen Film.« Sinek hat aber einen Lösungsvorschlag – das ist der Anknüpfungspunkt zum letzten Treffen – und nennt die entscheidende Frage: Wie machen wir, was wir machen, in einer neuen (veränderten) Welt? Wie können wir uns ändern, statt wie können wir »das« (die Veränderung) ändern (rückgängig machen)?

Fazit: Wir sollen die Veränderung begrüßen. Das ist das dritte Prinzip von George Eastmans vier »Unifying Principles«, dass seine Manager in den 1990er offenbar gestrichen haben. Stattdessen haben sie auf ihrer Kernkompetenz beharrt.

Das Internet hat den Video-Verleih verändert und man hätte das, was man macht, unter neuen Umständen machen sollen, statt auf die alten Verfahren zu beharren.

Uber schöpfte die Möglichkeiten der Technik aus, die Kunden fanden das gut, die Taxi-Unternehmen verhinderten es (für kurze Zeit wird das ihren Untergang verzögern). 

Viel klüger, eben innovativer (!), wäre es gewesen, sich diese Technik anzusehen und zu überlegen, wie man sie sich aneignen könnte. Der Wiener wäre lieber mit einem Wiener Taxi gefahren, wenn es gleich guten Service geboten hätte wie Uber. 

Die SBB bietet quasi »Uber für die Bahn« an. Man erzählte mir, als Schweizer hätte man die SBB-App, würde in den Zug einsteigen, der App den Einstieg signalisieren und dann auch den Ausstieg und die App würde den günstigsten Tarif für die gefahrene Strecke berechnen und auch von der Kreditkarte abbuchen. Wie angenehm und toll ist das? Sensationell! Bitte kopieren!!! (Ja, ihr ÖBB seid gemeint.) Man muss nichts eigenes erfinden, wenn es bereits eine dramatisch bessere Lösung gibt, die man wohl in Jahrzehnten nicht erreicht. (Genau, in AUT ist das Schienensystem viel komplizierter und die Tarife sowieso – Hahaha.)

Die Londoner haben es vorgemacht: Oyster-Card. Ich fahre mit einer Prepaid-Karte mit den öffentlichen Verkehrsmittel. Habe ich durch Einzelfahrten den Preis einer Tageskarte erreicht, wird nichts mehr abgebucht. Die Wiener Linien sollten sich schämen, dass sie weiter abzocken, wenn man nicht vorausschauend alle eventuell notwendigen Fahrten in der Früh überlegt hat und dann statt einer Tageskarte vier Einzelfahrten (die in Summe teurer sind) kaufen muss.

Freilich, aus Unternehmersicht (wer ist der engagierte Unternehmer bei den Wiener Linien?) ist es nachvollziehbar. Besser einen Euro mehr verdient als nach der dritten Fahrt die Tageskarte freizuschalten (wir reden klarerweise von der Mobil-Telefon-App, die das können könnte). Das Argument, man könne nicht die Fahrzeuge umrüsten und das Verkehrssystem ist zu komplex greift nicht. Wien ist ein Witz verglichen mit London. Ja, wir haben mehr Straßenbahnen, aber die Busse, das U-Bahn-Netz, die Anzahl der Zonen in London, ... an Komplexität kann da Wien nicht mithalten.

Es scheint mir ein Symptom für mangelnde Kundenorientierung zu sein. Man behauptet zwar, der Kunde stehe im Zentrum, aber gelebt wird das nicht. Kurzsichtige Gewinnmaximierung oder Bequemlichkeit (denn das IT-Projekt wäre bestimmt herausfordernd). Dabei wäre es nicht bloß kundenfreundlich, es würde auch gewinnbringend sein, denn wenn ich wüsste, dass ich in Wien genauso bequem fahren könnte, wie in London (mit einer Prepaid-Karte), würde ich öfters schnell die Straßenbahn nutzen. Die Bequemlichkeit schafft den Nutzungsbedarf. Das würde der Umwelt zum Vorteil gereichen. Das ist doch der Grund, warum wir alle lieber öffentliche Verkehrsmittel benutzen sollen

Der Jammer ist, dass wir etwas tun sollen, weil es (irgendwann? bald?) notwendig, unabdingbar ist.

Nicht jeder kann die Neuerung umarmen.

Um etwas umarmen zu können, muss ich es erkennen können, sagt Wolfgang. Ich muss auch die Möglichkeit haben, die Neuerung zu nutzen, setzt er fort. Was wenn einem nichts dazu einfällt? Der Klimawandel wäre so eine Neuerung. Da gibt es die Brüder und Schwester der Dummen, die Ignoranten, und es gibt die Innovativen, jene die es längst erkannten, dass die Formel »je mehr Ressourcen-Verbrauch, desto mehr Umsatz« nicht mehr passt. Vielleicht niemals passte. Jemand, der mehr Strom verbraucht, erhält diesen dann auch noch billiger. Das ist falsch verstandener Mengenvorteil, denn da kann man keine Verbilligung durch Mehrproduktion erzielen. Die zweite kWh wird nicht billiger als die erste und knapp ist diese Ware ohnehin.

Der Mehrverbrauch, so erklärt Wolfgang, soll nicht belohnt werden. Schon gar nicht der überflüssige Mehrverbrauch. Verbraucht die Lackiererei mehr Lack, weil die Maschinen oder die Mitarbeiter die Hälfte daneben sprühen, bekommen sie einen besseren Preis (das kann kein Gewinn sein, denn wenn sie die Hälfte nicht daneben sprühten, würden sie nur die Hälfte einkaufen müssen – allerdings brauchten sie dafür präzisere Maschinen und Mitarbeiter; die sind wohl teurer). Vielleicht ist dem Verbraucher das technisch nicht möglich (Fachkräfte gibt es ja kaum). 

Wenn es so wäre (oder einfach, weil es klug ist), könnte man dem Lack-Hersteller diese Verantwortung übertragen. Man kauft nicht x Liter Lack, sondern ein lackiertes Objekt, definiert Oberflächenqualität und Schichtdicke (all das gibt es auch genormt) und bezahlt nicht für Rohstoff, sondern Ergebnis. Der Lack-Hersteller wird nun – aus Eigeninteresse – danach trachten mit möglichst geringem Aufwand und Rohstoffeinsatz das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Dafür brauchen wir keine CO2-Steuer, denn am Ende so eines Systems würde die Natur weniger belastet sein. Der Lack-Hersteller würde die neue Situation umarmen, neue Perspektiven entwickeln, um weiterhin wirtschaftlich zu sein und damit sein Ergebnis erhöhen.

Peter hält dagegen, denn es ist eine Frage der Kultur der handelnden Personen. Innovationen können in großen Strukturen die Menschen überfordern. Dazu erzählt er uns das Beispiel einer Firma, die Holz-Pellets mit Holzmelasse (ein Nebenprodukt aus der Papierindustrie (? – Bitte um Hinweise)) angereichert hat. Damit stieg der Heizwert von 5 kWh auf 8 kWh pro kg Holz-Pellets. Die Folge waren überhitzte Kessel, weil die auf 5 kWh/kg eingestellt waren, und der Hersteller musste sein Produkt wieder vom Markt nehmen. Auf Wien übertragen: Die Wiener Linien kann man nicht mit der Oyster-Card vergleichen, weil das gravierend unterschiedliche Unternehmenskulturen sind. 

Wolfgang nennt mit Hilti Maschinen, die nur noch verliehen werden, Miele Waschmaschinen, die Konsumenten nur benutzen, aber nicht besitzen, zwei weiter Beispiele wo es gelang und betont: Innovation heißt, weg von »das geht nicht«, hin zu »wie könnte es gelingen?«

Genau, aber das muss alles ohne Zwang passieren, muss auf Freiwilligkeit fußen! Wir müssen herausfinden, wie wir passend zur Psyche des Menschen diese Veränderung hin zu einem ressourcenschonenden Verhalten schaffen. Es ist ja nur mittelbar ressourcenschonend, es ist in Wahrheit, den eigenen Lebensraum erhaltend.

Der eigentliche Zweck der Rohstoffe

Dazu noch ein Wolfgangsches Beispiel: Was ist, wenn ein Hotel keinen Strom mehr beim Stromlieferanten einkauft, sondern Helligkeit und Wärme? Wir wollen doch in Wahrheit nicht Rohmaterial (also auch Strom) einkaufen, wir wollen heißes Wasser für den Tee, Hitze für die Eierspeise, Helligkeit um Lesen zu können. Wir wollen das Ergebnis, nicht die Vorstufe dazu. Was würde also passieren, wenn ich eine bestimmte Helligkeit einkaufe, für bestimmte Zeiten? Dann würde der Stromlieferant sich um die Beleuchtung kümmern, die richtigen Leuchtmittel wählen, könnte vermutlich auch gut sein System so einstellen, dass die Netzlast in Balance ist.

Wesentlich dabei ist, dass es eine Wahlmöglichkeit bleibt, eine Freiwilligkeit. Da sehe ich etwas Gefahr, denn schnell ist der Verordnungszwang da. Das ist immer einfacher. Also müssen wir das vorsichtig angehen. Mit einer Innovationskultur, die das Faktum Mensch-sein berücksichtigt, könnte so eine Bewegung der Gesellschaft gelingen (ganz ohne Klebstoff!😉).

Wenn du mit uns mitdiskutieren willst, dann melde dich an. Alle zwei Wochen, freitags um 8:30, online. Unsere Debatten entwickeln sich manchmal aus Gedanken vom letzten Treffen, sind aber immer eigenständig, lösen sich meist von meinem Eingangsstatement und drehen sich dann vornehmlich um die Themen, die die Teilnehmer einbringen. Ein Einstieg ist also jederzeit möglich und ob der zwangsläufig frischen Sichtweise eines neuen Teilnehmers höchst erwünscht. Ich freu mich auf dich.


PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:

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