8:30 — Sankt Pölten, Salzburg, Seeboden, Wien. Vision, Mission, das Why und die Ursache des Handelns, darüberhinaus das Gestalten und Machen als Motor. Letztes Mal sprachen wir noch davon, dass Mannesmann eine Innovation entwickelte und sich aus ihrem Kerngeschäft wegentwickelte. So erfolgreich, dass das Unternehme am Ende ihre knapp über 130.000 Mitarbeiter abbauten und sich (vom Maschinenbau- zum Telco-Tech-Riesen gewandelt) an Vodafone verkaufte. Da möchte man fast sagen, es wäre für die Mitarbeiter eventuell besser ausgegangen, wenn sie keine Innovation entwickelt hätten.
Man möchte das nur fast sagen, denn sofort fällt einem die Kodak-Geschichte ein, die – ganz anders als Mannesmann (und irrtümlich) – an ihrer »Kernkompetenz« (belichteter Film) festhielten. So lange (und obwohl sie angeblich die Innovation »Digitalfilm« hatten), dass sie Pleite gingen. Mit knapp über 140.000 Mitarbeitern! Also ist es ungünstiger, wenn man einer Innovation nicht folgt als wenn doch.
Wir kennen die Hintergründe und die Details der beiden Deals nicht, auch nicht die Rahmenbedingungen. Ich kenne sie nicht.
Werner hakt aber gleich gekonnt ein: wenn das Kerngeschäft nicht mehr ganz gesund ist, dann ist es immer besser der Innovation zu folgen als an diesem Kerngeschäft festzuhalten. Wenn es schon kränkelt, wenn der Trend sich immer deutlicher abzeichnet, dass sich die Welt ändert, dann muss man das akzeptieren und diesem Wandel folgen. Warum? Weil die Marktverluste im alten Geschäft (im vermeintlichen Kerngeschäft) nicht verhindert werden können. Man kann diesen Wandeln nicht verhindern, bekräftigt Werner, und präzisiert:
Große Unternehmen ersinnen mitunter Strategien, um die aufgetauchte Veränderung zu verhindern, zu behindern. Aber das ist bloß der Anfang vom Ende.
(Taxis kamen nicht unter Druck, wegen Uber, sondern weil sie sich gegen den Wandel wehrten. Ich habe darüber geschrieben: würden Taxis den Service bieten, den Uber bot, dann hätten sich Konsumenten für das Taxis entschieden. Die Taxi-Gewerkschaft in AUT ging den anderen Weg, beschreitet diesen Anfang vom Ende, und erzwingt eine Lex Uber, die den gesamten Limonsinen-Markt diktatorisch einseitig reguliert. Behinderung statt Innovaion – eine kurzsichtige Strategie. Eine Intervention, der wohl weitere folgen werden; Taxis und Mietwagen sind zu einem Einheitsgewerbe zusammengelegt und ein Taxischein ist Voraussetzung; angeblich für Sicherung der Stadt- und Sprachkenntnisse (mit geringer Wirkung, denn »du sagen, ich fahren« vom Taxifahrer klingt noch in mancher Ohren); dafür können Studenten sich nichts mehr durch Limosinen-Fahrten dazu verdienen (außer sie machen diesen Taxischein. Behindern statt innovieren.)
Wir leben in keinen beispiellosen Zeiten, wir leben in Zeiten großer und schneller Veränderung. Aber wir wissen das doch nun, wir können uns also laufend überlegen, wie wir unser Geschäft in der neuen Zeit erledigen. Das ist die gesuchte Innovation.
Wir müssen uns überlegen, wie wir das, was wir machen, ab jetzt machen werden, in dieser neuen Welt. Die Pandemie war dafür unser Boot-Camp. Einige haben das geschafft, andere sind froh, dass sich die Wellen etwas glätteten. Aber dem ist nicht so. Die Rezession, die Inflation, das sind neue Rahmenbedingungen, die drastisch sind, und die von uns Innovationskraft verlangen. Die Welt, und mit ihr die Märkte, verändert sich. Wenn man die (durch den Wandel des Marktes) notwendige Innovation nicht schafft, dann ist es gelaufen. Verhindern kann man es nicht, behindern zögert das Drama nur hinaus. Spätestens wenn die selbstfahrenden Autos verfügbar sind, reden wir von anderen Formen des Fahrservices oder der »Öffis«.
Da ist es doch besser, schon jetzt über diese neue Welt und die darin benötigten und gewünschten Produkte nachzudenken (zur Erinnerung: ein Produkt ist ein Gegenstand, ein Prozess oder eine Dienstleistung; neuerdings meist eine Mischung aus allen dreien).
Wir kommen auf unser »Schweizer Taschenmesser der Business-Tool«, auf das Business-Model-Canvas zu sprechen. Werner erkennt ganz richtig, dass es auch in diesem Fall, dem Fall der Beurteilung einer guten Idee, gewinnbringend eingesetzt werden kann.
Die Grundlage für eine Innovation, darin sind wir uns einig, ist eine gute Idee. Aber was ist eine »gute Idee«, woran kann ich sie erkennen?
Manch einer von uns meint vielleicht, er oder sie hat die gute Idee im Kopf, denkt sie hin und her und das müsste »nur noch« umgesetzt werden. Schon würde Ruhm und Reichtum winken. Doch im Kopf ist alles möglich. Das Aufschreiben, das Reflektieren (im Text, auf Papier, als Prototyp) gibt erst Bewusstsein. Ein probates Hilfsmittel ist das Business-Model-Canvas (BMC). Wenn es gelingt alle Felder des BMC auszufüllen, wenn man sich über alle Felder klar ist, wenn alle Felder inhaltlich sauber ineinandergreifen, dann erst kann man sagen, »das ist eine tolle Idee«. Hat man alles sinnvoll ausgefüllt und auch geprüft, dass die Kostenstruktur niedriger ist als die Einkommensströme, hat man Klarheit über die Kundensegmente und positives Feedback von ihnen zum Preis dafür (gibt es also Zahlungsbereitschaft), dann ist man »1 m vor der Realisierung«.
(Für den einfachen Einstieg in diese Technik bietet sich »9 Schritte zum besseren Business Model« an. Kompakte, dichte Information; schnell zu lesen.)
Ein vollständiges BMC ist zwar keine Garantie, dass es ein Markterfolg wird, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass es ein gutes Geschäft wird.
Mit meinen Kunden arbeite ich an solchen Strategien, formen wir die Idee solange, bis wir positive Marktresonanz erleben oder uns eingestehen müssen, dass eine Idee in der ursprünglichen Form nicht oder nicht jetzt greifen wird. Das ist kein Scheitern, das ist Erkenntnis. Experimente scheitern nie!
Stephan ist nicht ganz überzeugt vom Reflexionsbedarf durch Aufschreiben, -zeichnen oder prototypisieren. Er meint – und damit schwimmt er im Kielwasser von Nikola Tesla –, dass die intensive Beschäftigung mit einem Thema sehr wohl die erforderliche Gewissheit generieren kann. Je mehr ich mich mit etwas beschäftige, desto eher könnte dieses Etwas möglich sein. Das gelingt vielleicht nicht bis ins letzte Detail, aber im Wesentlichen, bekräftigt er.
Das erinnert eben an Nikola Tesla, der ja einst meinte, hätte Edison mehr über die Dinge nachgedacht, hätte er sich 90 % seiner Prototypen ersparen können (siehe hier).
Dazu ein Konzept, das mir einst Mischa Erben nahegebracht hat: die Ideen fallen einem ein, sie »fallen« ein, oft mehreren Menschen gleichzeitig. Das sei ihr Weg in die Welt zu gelangen. Die Menschen hätten nun die Aufgabe, die Idee zur Welt zu bringen. Machen sie das nicht, gelingt es ihnen nicht, dann »suchen sich« die Ideen andere Realisierer.
Im Buchhandel – auch im größten – findet man hauptsächlich Bücher über erfolgreiche Ideen. Die gescheiterten Ideen werden nicht sichtbar. Ja, es gibt diese Versuche über die gescheiterten Geschäftsmodelle zu sprechen, aber das ist nicht das, was wir hier meinen. Es gibt keine Bücher über gescheiterte Ideen, so der Tenor der Teilnehmer. Nur die »tollen Ideen« finden Wertschätzung in Publikationen.
Und was ist mit »normalen« Ideen? Reicht denn nicht auch eine »normale« Idee, muss es wirklich immer »toll« sein?
Wir sind einig: mit dem BMC können wir auch »normale Ideen« in die Welt bringen und damit Innovation wahrscheinlicher machen. Die angebotene Struktur erleichtert die Konkretisierung und erhöht die Wahrscheinlichkeit der Realisierung. Das BMC zur Prüfung der Idee leitet an sie durchzudenken und macht sie damit wirtschaftlich erfolgreich. Auch eine kleine Innovation (die »normale Idee«) reicht aus, um Geld zu verdienen.
Auch die Ideen sind in der Normalverteilung sortiert. Die normalen Ideen gibt es häufig (die mittleren 68 %), die tollen Ideen sind die oberen 5 % (ab 95 %il). Warum also exorbitanten Aufwand leisten, um diese 5 % zu erreichen, wenn ich mit geringerem Aufwand die 34...68 % der Mitte erreichen kann. Noch dazu werden diese mittleren Ideen auch eher von den mittel begeisterten Menschen angenommen, während die tollen Ideen besonders interessierte brauchen. Das sind die 2,5 % Innovators und vielleicht, wenn man Glück hat, auch die 13,5 % Early Adopters.
Die Motivation zur »normalen« und zur »tollen« Idee speist sich aus dem Why, dem Ursächlichen, dem Grund, warum wir tun wollen, was wir tun. Dieses Wissen um den innersten Antrieb ist enorm wertvoll.
Weiß ich, warum ich machen, was ich mache, dann verhalte ich mich so, dass es auch andere erkennen. Dann erscheint die Idee, die Realisierung der Idee als Innovation eher zum passenden Augenblick. Manche Ideen, das wissen wir, sind einfach zu früh (so sagt man später, wenn sie dann doch von anderen zum Erfolg geführt wurden). In Wahrheit aber war wohl eher die Kommunikation der Idee unpassend. Eben aus Unwissenheit seines Whys und jenen der Kundensegmente. Man muss auch wissen, was der großen Zielgruppe zugemutet werden kann. Wir dürfen mit unserer Idee, der tollen, nicht zu weit der Parade voraus sein.
Peter wirft dann die Frage auf, ob man das BMC nicht missbraucht, wenn man bereits eine Lösung hat und die nun mit dem BMC bloß abbildet. Man würde dann die Felder so ausfüllen, dass die erdachte Lösung erfolgreich ist.
Ja, wenn man unehrlich zu sich selbst ist, dann könnte man das BMC mit (wie man heute sagt) gefakten Daten ausfüllen und behaupten, man hätte das untersucht und im BMC stellt sich das Kundensegment, seine Zahlungswilligkeit und die Kosten so und so dar. Aber man weiß dann selbst, dass man es halbherzig und zur ungünstigen Manipulation gemacht hat. Das Werkzeug selbst ist unschuldig – immer. Es ist die handelnde Person, die ein Werkzeug (Geld, ein Sniper-Gewehr, das BMC) gut oder schlecht macht.
Wenn wir mit dem BMC ein Geschäftsmodell, eine Idee, eine potentielle Innovation entwickeln, dann gehen wir vom Konkreten aus – das Produkt, also die oben genannte Lösung. Dann definieren wir unsere Zielgruppe und finden heraus, warum die das Produkt haben wollen würde, welchen Wert sie darin sehen könnte. Das ist unsere Vorgabe für das Wertversprechen und daraus können wir auch den erzielbaren Umsatz ableiten. Dann prüfen wir, was wir für die Erstellung dieses Wertes durch unser Produkt brauchen, füllen also die Felder der Backstage mit Key-Acitivities, -Ressources und -Partners aus und stellen fest, welche Kosten da wohl anfallen. Damit gelingt uns eine erste kaufmännische Absicherung. Und so weiter. (Detailierter wird man das im Buch »3-Sprung zum besseren Produkt« nachlesen können.)
Während dieser Arbeit – und das ist uns auch schon passiert – könnte man feststellen, dass die Idee (oder die Lösung) doch nicht so gut ist, wie man sich es (im wahrsten Sinne) erträumt hat. Im Traum ist die Realität verzerrt, da gelingen Dinge, die uns im Wachzustand völlig verrückt erscheinen. Träumt man bloß von einer Innovation, von jener Lösung, und benutzt (missbraucht) man die Werkzeuge, die einem eigentlich zum Erkenntnisgewinn dienen sollen, dann gibt es ein »böses Erwachen«, man erlebt eine Ent-Täuschung – also Material für die Fuck-up-Night.
In der Arbeit mit mir prüfen wir die Annahmen, die Ideen, mit nüchternen Blick, fast wissenschaftlich, jedenfalls neutral. Zwar mit Begeisterung, aber mit trockener Objektivität. Wenn die Ergebnisse nicht so sind, wie sie sein müssten, dann müssen wir überlegen, wie wir die Idee/Lösung verändern, damit sie erfolgreich ist. Wie gesagt, Experimente scheitern nicht und im Design-Thinking scheitern wir auch nie, denn es sind immer Experimente; wir stellen Hypothese auf und testen und gelangen zu Erkenntnis.
Haben wir die Erkenntnis, dass die Idee doch nicht so toll ist, wie wir es uns erträumten, dann haben wir enorm Geld gespart und die Chance herausgearbeitet, sie passend zu adaptieren, sodass es trotzdem zu einem Erfolg führen kann. Dazu muss man aber auch mutig sein und etwaige »sunken costs« als solche erkennen und akzeptieren und einen Rückzug, eine Korrektur durchführen.
Den Zug zurück nehmen, auch wenn wir dadurch einen verlieren, wie es der berühmte Schachgroßmeister Anatoli Karpov machte, erklärt uns Werner. Der reagierte auf neue Tatsachen so, dass er manche seiner Züge wieder zurücknahm. Das irritierte die Gegner, weil ja nun ein Zug verloren war, aber es war immer eine Entscheidung, die der aktuellen Situation, die ja nun, nach dem Zug des Gegners, eine andere war, als zuvor, wo er dran war.
Stephan verweist dazu noch auf Æsops »Der Fuchs und die Trauben« und meinte, man müsste auch in der Lage sein, eine Niederlage einzugestehen.
Ja, es ist ja bloß eine Frage der Darstellung, der Definition. Ist es die Lösung, die Trauben zu schnappen, dann ist man gescheitert. Ist es ein Experiment, dann hat man ein Ergebnis. Das kann man bewerten und dann erkennen, was zu tun ist, damit das Ergebnis dem gewünschten angenähert werden kann. Das erfordert Reflexion.
Diese Reflexion kann ich dir bieten.
Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
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