Das fürs letzte Briefing geplante Thema steht im Raum: »Vom Lieblingskunden zum Wertversprechen«, aber auch die anderen Werkzeuge hängen im Interessens-Ether: Open-Space-Technology von Harrison Owen, Circle-Brainstorming und freilich Designsprint. Herbert fragt auch gleich nach: kann man mit einem Designsprint auch Algorithmen und Software-Lösungen entwickeln?
Die Frage ist witzig, weil ja die Methodik »Sprint« aus der IT-Welt kommt. Die Quelle ist das Scrum-Manifest, das ich Ende der 90er las (siehe mein Quellmaterial). Die Designer (ich damals) und designnahe Personen (Jake Knapp und John Zeratsky in 2010) haben es »entliehen«, modifiziert und nun geht das Pendel wieder zurück zum Ursprung.
In der Tat könnte es sein, dass mit dieser modifizierten Vorgangsweise Idee auch in der IT-Welt beschleunigt generiert werden können. Scrum und die Vorgangsweise in Sprints in der IT hat ja zum Ziel, Software schneller und vor allem fehlerfrei zu entwickeln. Es sind fertige Produkte, Teilprodukte, die am Ende eines Sprints vorliegen sollen. Ideengenerierung betrifft das nur insoweit, als es notwendige ist eine gute Idee zu haben, wie man ein Programmierproblem löst. Im Designsprint ist es das primäre Ziel. Das Modell ist so verändert und mit anderen Methoden ausgerüstet, dass die Teilnehmer eines Designsprints garantiert und zügig Ideen haben, konkretisieren und dann soweit ausarbeiten, dass wir valide Daten über deren Nützlichkeit und Wert erhalten. Valide soweit, dass wir entscheiden können, ob wir eine Idee weiterverfolgen sollen oder nicht.
Unter diesem Aspekt ist es denkbar, dass man mit dieser Vorgangsweise auch diese Software-Fragen bearbeiten – erfolgreich bearbeiten und lösen kann.
Da fragt Petra: Ist es möglich bei Lebensmittel zu innovieren, gibt es dort auch Innovation? Bei Schokolade war die letzte Innovation 1879 als Rodolphe Lindt die Conche erfindet mit der es gelang heute übliche Fondat-Schokolade herzustellen. Wie könnte sie heute bei Schokolade innovieren? Schokolade wird in der Regel nicht geplant gekauft, sondern spontan. Dann auch meist gleich verzehrt. Höchstens wenn man sie als Geschenk vorsieht, plant man den Einkauf. Aber wie oft kann man Schokolade verschenken? Als Schokolade-Hersteller sieht man das Heil in der Produktneuheit. Das bedeutet eine neue Geschmacksrichtung. Die dient dann wieder den Kunden als (Selbst-)Entschuldigung für den Neukauf.
Die Innovation bei der Schokolade beschränkt sich daher im Moment auf neue Geschmacksrichtungen (keine wirkliche Innovation) und auf neue Vertriebsformen – ein Schokolade-Abonnement. Doch ist es fraglich, ob jemand eine Abonnement bucht, damit er monatlich (oder gar wöchentlich) eine bestimmte Menge Schokolade nach Hause geliefert bekommt.
In diesem Fall könnte wohl auch ein Designsprint die notwendige Befreiung aus eingefahrenen Denkmustern bewirken.
Werner verweist auf den Business-Model-Navigator – ein Modell, dem ich weniger erfreut zustimme (im Moment und bislang). Es wirkt auf mich sehr grob und eher Verwirrung-stiftend. Ein »holisitisches Bild«, wie Oliver Gassman meint, ist das keineswegs. Das Business-Model-Canvas leistet das viel eher – wenn auch nicht vollständig. Er formuliert vier Dimensionen, in denen ein Business-Model greifbar wird (Was, Wie und Warum) und postuliert, dass Innovation dann gelingt, wenn man mindestens zwei davon verändert. Das will ich bei nächster Gelegenheit genauer untersuchen und darüber werde ich berichten. Vielleicht ist es für die Schokolade-Thematik anwendbar? Interessant am Gassmannschen Modell sind vielleicht die 55 Modelle – Muster, die man kombinieren kann. Das erinnert mich stark an [[Triz]]. Auch bei dieser Ideenfindungs-, und daher Innovationsmethode, wurde Prinzipien aus hunderten von Patenten isoliert, die man neu kombiniert um zu neuen Ansätzen zu kommen. Das gelingt auch, ist aber recht komplex, erfordert Training und unbedingt (so meine Erfahrung) einen versierten Triz-Trainer.
Bevor sich jemand am Business-Model-Navigator probiert möge er sich dem Business-Model-Canvas widmen. 😉 Das ist griffiger, alltagstauglicher, insbesondere in meiner speziell für Unternehmer formulierten Darstellung in den »9 Schritte zum besseren Business Model«.
Unser Gespräch führt schließlich zu einer gut brauchbaren Vorgangsweise. Die kannst du sofort anwenden. Mit meinem Arbeitsblatt »Vom Lieblingskunden zum Wertversprechen« bekommst du auf jeden Fall Hinweise darauf, wo du die Innovation suchen musst und höchstwahrscheinlich wirst du auch davon zu neuen Ideen inspiriert.
Du machst zunächst eine Liste der 10 umsatzstärksten Kunden, markierst dir darin deine drei liebsten Kunden und notierst dir zu jedem, warum sie dein Lieblingskunde ist. Dann überlegst du, was diesen Personen vermutlich an deinem Produkt, an deiner Leistung besonders gefällt und warum sie sich so verhalten, dass sie deine Lieblingskunden sind.
Ein Lieblingskunde ist ja jemand, dem die eigene Arbeit besonders gefällt, der als Markenbotschafter, als echter Fan agiert, der immer wieder einkauft. Es muss als gute Gründe dafür geben. Versuche die herauszufinden. Von jeder dieser drei Personen.
Schließlich versuchst du einen gemeinsamen Wert dieser drei spekulativen Annahmen zu formulieren. Das ist wahrscheinlich der Wert, den deine Lieblingskunden in deiner Arbeit entdecken, den sie erwarten, den du also versprechen musst. Das ist dein Wertversprechen. Das ist also das Zentrum deines Business-Model-Canvas.
Ob du richtig geraten hast, musst du freilich überprüfen. Du wirst diese erst – informierte! – Spekulation laufend nachjustieren müssen. Das gelingt dir, wenn du mit deinen Kunden ein Gespräch führst. Das ist kein (!) Interview, mit Frageleitfaden, etc., es ist ein Gespräch in das du bei Gelegenheit Fragen einstreust mit denen du deine Annahme verifizierst.
Paralle dazu überlegst du wie diese drei (und die anderen) Lieblingskunden zusammengehören: woran erkennst du sie, was ist ihnen wichtig und welche Gepflogenheiten haben sie? Das ist das Identity-Aim-Mores Segment der Brand-Commitment-Matrix des Marty Neumeiers (aus »The Brand Flip«).
Claudia hatte dann noch die Idee zu einer Kundenbewertung: sie markiert ihre Kunden mit je 1–3 Herzen, Sternen und Euro-Zeichen für angenehm, wichtig und umsatzbringend.
Ich schließe dieses Mal mit dem Hinweis, dass die Achse der Gaußschen Glocke, mit der uns Geoffrey Moore in »Crossing the Chasm« die Zielgruppen-Segmente erklärt, die Kategorie darstellt. Ist die Kategorie »Schokolade«, dann sind die Innovators die Schokolade-Enthusiasten. Die muss man erreichen, wenn man erfolgreich sein will, denn die informieren die Visionäre und Vorreiter, die Early-Adopters. Wenn diese 16 % gewonnen sind, dann steigen die Pragmatiker ein.
In ungefähr vierzehn Tagen gehts weiter. Melde dich an unter https://rudolfgreger.at/innovation-briefing
PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
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