Immer wieder das Gleiche mit diesem Design-Thinking-Gesülze

29/08/2022

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(Logbuch-Eintrag 20220829.0808) — Ich les’ ein Buch von einem sogenannten Design-Thinking-Experten (z.B. aus St.Gallen) und ich kann seitenweise schreiben, was der alles (erstaunlicherweise und offenbar) nicht verstanden hat. Da werden Übungen anders als im Original präsentiert, in anderen Kontexten (zum Aufwärmen und zur Belustigung) und fernab der ursprünglichen und höchst sinnvollen Didaktik. Ich bin dann erstaunt und verärgert zugleich.

Erstaunt, weil ich mich ja der Publikation des Professors von St.Gallen (oder sonst einer Universität oder eines Instituts in Potsdam) ehrfürchtig nähere, in der Erwartung einer großartigen Erkenntnis, die ja ein Universitätsprofessor hier zum Besten geben müsste. Ich bin »bloß« Praktiker, sagen die Akademiker; meine Kollegen bezeichnen mich hingegen als »Theoretiker«. Beides ist ein Irrtum. 

»Es ist nichts praktischer als eine gute Theorie«, sagte einmal jemand. Das ist der Grund, warum ich mich mit der Theorie beschäftige. Weil ich verstehen will, warum ich mache, was ich mache und wie ich das besser machen kann. Ich kann nur etwas besser machen, wenn ich weiß, welche Elemente das Ergebnis beeinflussen. Das ist die Theorie.

»Es ist aber nichts wertloser als Theorie ohne Praxis«, sage ich. Das ist der Punkt der mich verärgert. Denn lese ich die »klugen« Texte, ist klar erkennbar: die Person hat ihr Leben lang diese Theorie niemals praktisch angewandt, also unmittelbar ein verwendbares Ergebnis damit erschaffen, sondern nur theoretisch.

Ja, da werden zwar gelegentlich die vielen abgehaltenen Workshops in großen Firmen als Ergebnis erfolgreicher Anwendung der »Methode« gefeiert, aber die Frage ist doch, was ist dabei herausgekommen? Und damit meine ich nicht, was ist aus dem Workshop, am Workshop-Abend herausgekommen, sondern was davon hat den Markt erreicht? Der Markt kann auch die Organisation sein, also der interne Markt. Was ist aus den Ideen im Workshop geworden und wurden die tatsächlich realisiert und mit welchem Erfolg? Das ist es, worum es im Design-Thinking geht, um die Verbesserung des Lebens der Menschen (Satz Nr. 3 der »6 Sätze über Design«). Design-Thinking IST designen!!!

Ein Designer ist per definitionem ein Design-Thinking-Anwender. Ein Design-Thinking-Anwender ist demnach ein Gestaltender. Jemand, der gestaltet, macht das mit einem Ergebnis. Dieses Ergebnis soll ihm selbst und den Menschen, die damit konfrontiert sind, nützlich sein, einen Vorteil bringen, das Leben erleichtern!

Man kann gestaltend tätig sein, also etwas planen und realisieren, ohne Design-Thinking anzuwenden. Eine Brücke baut man eher auf diese Weise. Man kann diese Arbeit befreien von Kreativität und sie prozessual abarbeiten (eine 0-8-15-Brücke, kein architektonisches Meisterwerk). Auch eine Seilbahnanlage würde man auf diese Weise bearbeiten. 

Aber wenn ich so nachdenke, irgendwann, ganz am Anfang solcher Ideen, da muss jemand kreativ an die Sache herangehen. Auch der Techniker, der eine neue Technik erfindet, wendet Design-Thinking an. Ein Manager, der sich einen neuen Prozess ausdenkt, der über eine neue Vertriebsstruktur nachdenkt, ist in diesem Augenblick Gestalter, Designer, Design-Thinking-Anwender. Wenn es etwas Neues ist! Ist es »bloß« das Abarbeiten eines Rezepts, um ein vorhersagbares Ergebnis zu erzielen, z.B. die Fahrtenroute der Müllmänner, dann ist es »ein Rezept abarbeiten«. 

Moment! Wenn ich überlege, wie ich meine Zusteller schneller durch die Stadt schicken kann und darf man in meiner Stadt bei Rotlicht rechts abbiegen, dann könnte ich auf die Idee kommen, die Route so zu planen, dass möglichst wenig Rotlicht bremst, weil mein Fahrer eben häufig rechts abbiegen soll, weil die Route dahingehend optimiert ist. In diesem Fall ist Design-Thinking in Anwendung: die Rahmenbedingung generiert eine neue Sicht auf das Thema »Routenoptimierung« und meine Kreativität findet Alternativen, die diese Rahmenbedigungen günstig ausnützen.

»Ich les’ ein Buch«, hab ich begonnen und wollte eigentlich erklären, dass es fast egal ist, welches der Bücher des Design-Thinking-Mainstreams man zur Hand nimmt. Bei den meisten (insbesonderen den Deutschen) hat sich nach ein paar Seiten so eine Masse an Ärger ob des Unverständnisses der Autoren aufgestaut, dass ich selbst ein Buch darüber schreiben könnte, in dem ich mich nur über das Unverständnis dieser Personen mokiere. Das bringt freilich niemanden etwas, auch nicht mir. Es ist vermutlich nur der Ausdruck meiner Frustration, dass diesen Menschen Aufmerksamkeit zuteil wird, die mir (bislang) versagt scheint – jedenfalls in deren Dimensionen. Was kann ich dagegen tun? Das ist einfach! Carlos A. Gebauer sagte mir das einmal in seinem Seminar: »Sie müssen einfach schreiben. Schreiben Sie. Immer wieder. Irgendwann kommt die Welle zurück, die Sie mit jedem Text aussenden.«

Na gut, ich schreibe ja. Und ab Herbst 2022 gibt es meine Sicht auf Design-Thinking auch als Lehre: an der FOM, der DUK, an der TÜV-Akadmie, bald auch Online. Vielleicht kommt dann noch das Joanneum und das Wifi Graz dazu, da geht es um System Thinking und Markentheorie; Design-Thinking, Business-Model-Canvas und Designmanagement sowieso.

Und wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:

#BusinessModelCanvas #Managementdesign #DesignThinking #Servicedesign #Innovation


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