heute abend ging ich über die mariahilferstraße spazieren. enorm breite gehsteige, menschen eilen nach hause, autos zuckeln stadteinwärts. städtisches getriebe. es war nicht mehr allzuviel los und die gehsteigen waren luftig gefüllt. ich stellte mir vor, wie das wohl aussehen würde, wenn es eine fußgängerzone wäre – öde. der sprung wird wohl ähnlich drastisch sein, wie seinerzeit die oberirdische fußgängerfreundliche straßenbahn durch die unterirdische durch die stadt hetzende u-bahn ersetzt wurde. abgesehen davon, dass die beiden ausgänge einer station früher der abstand zweier straßenbahnstationen war (dh die versorgung hat abgenommen) kann ich nun nicht einmal aus dem straßenbahnfenster sehend inspiriert werden ein geschäft zu besuchen – ich sehe die geschäfte aus der u-bahn nicht mehr.
ich stelle mir also vor, die mariahilferstraße ist eine fußgängerzone und denke an die ödnis dieser riesenbetonfläche auf der sich die wenigen menschen, die heute um 18:00 noch unterwegs waren verlieren. wie das am wochenende aussieht? ist ja jetzt schon wüst.
es gibt da eine politische idee, die lautet: das leben in der stadt muß wieder lebenswerter werden.
man meint, wenn die innere mariahilferstraße eine fußgängerzone wäre, wäre sie lebenswerter.
der siebente bezirk ist ein beliebter bezirk. man findet nur schwer ein wohnung, insbesondere eine, die man sich leisten kann. also 12 €/qm wäre schon ein guter wert. wenn ein bezirk gerne besiedelt wird, weil die nachfrage nach wohnungen größer ist als das angebot und damit die mieten steigen, könnte man daraus schließen, dass es menschen gibt, die das lebenswert empfinden.
es gibt andere bezirke mit niedrigeren mieten. da wollen die menschen lieber nicht wohnen. das bleibt dann für die weniger begüterten und für die helfer aus dem ausland über.
wo sollte man nun investieren? in einem bezirk mit hohen mieten (weil von vielen lebenswerter eingeschätzt) oder in einen bezirk mit niedrigen mieten (weil eher gemieden)?
verbessert man die lebensqualität in einem bezirk, der bei den mietern schon den ruf des lebenswerten hat, dann macht man diesen bezirk noch beliebter.
was könnte die folge sein? mehr nachfrage.
ich habe kein wirtschaftsstudium absolviert, aber mehr nachfrage treibt die mieten nach oben, oder?
die der wohnungen, ist ja nun lebenswerter, mit den cafes und den bäumen und so, und natürlich die der geschäftslokale. die können sich die gewerbetreibenden ohnehin kaum mehr leisten. auf einer fußgängerzone ist ein geschäftslokal mehr wert, weil fußgängerzonen die fußgänger anziehen, wie autobahnen die autos, somit steigt die frequenz und damit der wert des geschäftslokals, damit also auch die miete.
ergebnis: menschen mit höherem einkommen wohnen in einem lebenswerten bezirk, der durch die fußgängerzone noch lebenswerter wurde. nur noch große retailketten können sich die mieten leisten und verdrängen die kleingewerbestruktur. der ganze bezirk wird teurer.
wenn man die stadt lebenswerter machen will, dann sollte man an jenen stellen arbeiten, die vielen noch nicht lebenswert erscheinen. zb den gürtel (eine spur weniger) oder die thaliastraße oder die äußere mariahilferstraße oder die hernalser hauptstraße oder die obere wiedner hauptstraße oder die reinprechtsdorferstraße oder die währingerstraße oder die ottakringerstraße oder …
diese ehemaligen prachtvollen (im sinne belebt und beliebten) einkaufsstraßen der grätzl haben alle verloren, veröden, weil die menschen in einkaufszentren (ja, das auch) und in fußgängerzonen shoppen.
ausgestorbene einkaufsstraße, dh solche mit vielen leeren geschäften, machen die gegend unattraktiv. das verstärkt sich, weil in die leer stehende geschäfte wettlokale u.ä. einziehen, weil die menschen, die sich nur die mieten in diesen gegenden leisten können, ihr glück auf dumme weise versuchen wollen. das macht die gegenden noch unattraktiver und die mieten sinken weiter.
wenn man will, dass wohnungsmieten unter 7 €/qm liegen, dann muß man das angebot erhöhen. aber wer will schon weit draußen auf der thaliastraße, ottakringerstraße, hernalser hauptstraße wohnen? lieber in mariahilf, in neubau und in der josefstadt.
mir scheint, da wird den bobos die stadt, dh ihr grätzl, verschönert, mit dem vorwand, die stadt müßte lebenswerter werden. dort wo wirklich etwas zu tun ist, in den äußeren bezirken, dort kümmert man sich nicht drum. klar, dort wohnen keine bobos, sondern migranten. man tut zwar so, als ob man diese mag, aber man setzt sich nicht wirklich für sie ein. man wertet ihre wohngegenden nicht auf, sodass auch bobos diese interessant finden. man buttert geld in ein prestigeprojekt, das viele, geschäftsleute und bürger, nicht wollen, um zu zeigen, dass man jetzt an der macht ist. so scheint es.
bitte laßt mir die mariahilferstraße am leben. ein stadt braucht auch autos, adern in denen blut fließt.