Das Problem ist, dass man Wissen nicht sehen, riechen, hören oder spüren kann. Es ist sogar so schlimm, dass man selten (nie?) weiß was man alles weiß.
Jetzt steh ich hier unter der Dusche und da fällt mir ein Gedanke ein. Ich muss ihn schnell notieren, damit er mir nicht entwischt.
Das Problem des Wissensarbeiters ist, dass niemand sieht, ob und was er arbeitet. Ja nicht einmal er selbst erkennt das immer.
Da sitzt man vorm Computer und schreibt vor sich hin; oder man geht sinnierend die Straße entlang und plötzlich fügen sich Ideen und Gedanken und auf einmal sind Probleme gelöst. Plötzlich ist Wissen geschaffen.
Aber damit man es erkennen kann, muss man etwas damit machen.
Man muss es aufschreiben, vortragen, publizieren, anwenden.
Wissen kann man nicht sehen, riechen, hören oder spüren, höchstens angewandtes Wissen.
Ja, genau, das war der Gedanke unter der Dusche.
Angewandtes Wissen kann man erkennen, kann man selbst und können die anderen erkennen.
Anerkennen.
Aber dafür muss man es anwenden.
Das bedeutet, man muss zusätzliche Arbeit verrichten. Man muss, nachdem man die Denkarbeit (die Wissensarbeit) erledigt hat, nochmals manuelle Arbeit verrichten: schreiben, reden, vorzeigen, was weiß ich.
Das ist notwendig, weil man sonst selber nicht sieht, was man geschaffen hat. Man sieht nicht wieviel man geschafft hat.
Wobei, anders als beim Maurer, ist die Menge (bei ihm die Länge der Mauer, beim Wissensarbeiter vielleicht die Anzahl der geschriebenen Seiten) kein Indikator für die geleistete Arbeit und deren Qualität.
Naja, die Länge der Mauer macht auch nur eine Qualität sichtbar, die Länge. Ob die Mauer stabil ist, erfordert eine andere Untersuchung. Manchmal sieht man es, lässt es die Optik erahnen, manchmal wartet man auf oder fürchtet den ersten Sturm.
Bei der Wissensarbeit ist das grundsätzlich anders und daher frustrierend.
Ja, man könnte sagen, kann das Erdachte in einfachen Worten kurz und prägnant wiedergegeben werden (vgl. Richard Feynman), dann weiß man es. Aber wie »gut« ist dieses Wissen? Das ist unklar.
Ob etwas zu wissen nützlich ist, erkennt man erst in der Anwendung. Also wieder »angewandtes Wissen«.
Doch ich kann häufig erarbeitetes, erdachtes Wissen nicht sofort anwenden. Als Wissensarbeiter bleibt mir die Genugtuung abends erschöpft mein Tageswerk anzusehen verwehrt.
Der Maurer raucht sich eine Zigarette an und sieht die 10 m lange und 2 m hohe Mauer vor sich, schön geschlichtete Steine, ein regelmäßiges Muster, gerade und lotrecht. Das gibt innere Befriedigung.
Die Wissensarbeit ist in dieser Hinsicht undankbar. Sie erscheint bequem und ist gleichzeitig nicht nachvollziehbar, zuweilen wirkt sie sogar überheblich, weil sie sich manchmal den Anschein des »Besseren« gibt.
Doch es ist eine Qual, wenn man nicht sieht, was man gearbeitet hat. Man arbeitet dann oft mehr als einem gut tut.
Vielleicht ist das (auch) ein Grund für steigende Burnout-Fälle. Die Wissensarbeiter, und wir sind heutzutage mehrheitlich Wissensarbeiter (ist das tatsächlich so oder ein Bias, eine Wahrnehmungsverzerrung?), wir sehen unsere Arbeit nicht und arbeiten daher immer mehr. Dazu gesellt sich der Wahn des permanenten Wachstums ins Unendliche.
Womit wir wieder (wenn auch anders) bei Otl Aicher sind: »wer hält das aus?«
PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
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Also published on Medium.
Ich sage dazu:
1. Wissen, das ich nicht nutze (entweder in seiner Anwendung oder, weil ich es für eine Gegenleistung weitergeben kann und damit ein Bedürfnis versorge) ist nutzlos.
2. Nutzloses Wissen produzieren mag als Hobby Freude machen, beruflich ist es Verschwendung von Ressourcen.
3. Wissen schützt davor, etwas glauben zu müssen.
4. Wissensarbeiter sind Menschen, die mit Wissen so arbeiten, dass Wertschöpfung für sich und/oder andere entsteht.
5. Aus Pkt. 4 ergibt sich, dass Wissensarbeiter sehr wohl das Ergebnis ihrer Arbeit sehen, nämlich den Mehrwert, der sich darin zeigt, dass ihnen selbst dadurch mehr möglich geworden ist oder andere den erhaltenen Mehrwert honorieren.
6. Denken und Wissen sind zwei paar Schuhe. Denken kann zu Wissen führen, muss aber nicht.
7. Denken kann zu Erkenntnis führen. Erkenntnis ist wie Wissen noch nicht per se zwingend wertschöpfend.
7. Der begabteste Wissensarbeiter ist der menschliche Körper. Er weiß immer, was ihm gut tut/tun würde, Leider ist er bei der Umsetzung nicht autonom, sondern weitgehend abhängig vom Ich.