Wenn ich weiß, wo ich stehe und auch mein Umfeld kenne, dann kann ich den Kurs bestimmen. Erst jetzt, im dritten Schritt, kann ich beurteilen, wo ich tatsächlich hin will und ob ich das schaffen kann. Erst jetzt weiß ich, wie ich vorgehen muss.
»Wissen, wo ich hin will«, das ist die Richtung, die ich einschlage. Ich spreche hier von »Richtung«, nicht von Ziel. Es ist der Leuchtturm, den ich für mich definiert habe, an dem ich mich ausrichte.
Eine Richtung einzuschlagen, anstatt ein Ziel anzustreben, hat den Vorteil, dass ich für Gelegenheiten am Weg aufnahmefähiger bin. Würde ich konzentriert, stur, mit Scheuklappen ein Ziel anstreben, dann könnte ich die lukrativen Angebote am Weg dorthin übersehen. Abgesehen davon wäre so eine Reise ein Qual statt Freude.
Stell dir vor, du bist in Wien und willst nach Hamburg. Hamburg wäre dein Ziel und es gilt nichts anderes als schnell dieses Ziel zu erreichen. Dann wäre die gesamte Fahrt auf der Autobahn reine Qual. Auch jene im Zug wäre es. 10 Stunden Langeweile – zu lange.
Alternativ dazu würdest du die »Richtung: Hamburg« festlegen und dann, am Weg dorthin, eine Menge Erlebnisse genießen. Du wärst nicht eingeengt, sondern würdest eine Bereicherung erleben. Ein Stopp in Brünn, in Prag; vielleicht schaffst du es gar nicht bis Hamburg, weil du Dresden für dich entdeckt hast.
Daher spreche ich vom Leuchtturm, denn ein Schiff würde den auch nicht direkt ansteuern, sondern sich davon nur die Richtung angeben lassen. Immerhin steht der Leuchturm an den Klippen, also wäre das Erreichen eher Schiffbruch als Freude.
Der steht in deinem Blauen Ozean. Dein blauer Ozean ist jener Markt, der wenig (oder gar nicht) umkämpft ist. Dort sind deine Lieblingskunden, die echten Fans, die Enthusiasten, die von niemanden sonst kaufen wollen. Und noch ein paar andere, die vielleicht auch von jemand anders kaufen würden.
Wir definieren unseren Blauen Ozean so klein als möglich. Gerade so, dass wir damit ausreichend Umsatz machen. Ein kleiner Markt (groß genug für uns) ist für große Fische (größere als wir es sind) uninteressant und wir streben an, der größte Fisch in jenem Teich zu sein. Aber dieser Teich (dieser blaue Ozean) muss eben auch groß genug sein, dass wir überleben können.
Ist die ideale Zielgruppe, diese Fan-Gemeinschaft, zu klein, kann sie nicht so viel von uns einkaufen, dass wir ausreichend verdienen, dass das Unternehmen gedeiht, dann müssen wir den Markt, unseren Zielmarkt, etwas »vergrößern«. Vergrößern können wir ihn, wenn wir die Zielgruppe größer, allgemeiner definieren. Das sind dann die »paar anderen« Kunden. Das sind dann nicht exakt die Lieblingskunden, nicht hunderprozentige Fans, aber Sympathisanten und Interessierte. Die kaufen gerne bei uns, aber eventuell auch bei jemand anders; bei unseren Mitbewerbern.
Ein Beispiel: die echten Apple-Fans interessieren sind nicht für Samsung-Smartphones, kennen deren Leistungsdaten nicht, und kaufen nur iPhones. Umgekehrt ist es genauso. Ein Wechsel ist so gut wie ausgeschlossen. Aber die nur Sympathisanten studieren iPhone- und Samsung-Spezifikationen und auch jene von Google-Pixel und machen vielleicht Preis-Leistungsvergleiche. Die kann man mit solchen Argumenten, die die großen laufend bieten, vielleicht umstimmen einmal einen anderen Brand auszuprobieren. Um die muss man sich auch kümmern – wenn man auf sie angewiesen ist, weil der Markt der reinen Enthusiasten zu klein ist.
Kenne ich den Leuchtturm, also meinen Zielmarkt, dann muss ich festlegen, wie ich dort hin komme. Mein Umfeld zeigt mir, in welchem Markt ich …
Im zweiten Schritt habe ich mein Umfeld analysiert, dabei festgestellt, wo ich die gleiche Zielgruppe wie meine direkten (gleiche Branche) und indirekten (gleiches Wertversprechen) Mitbewerber anspreche. Direkte Mitbewerber sind Mitbewerber aus der eigenen Branche, die das gleiche oder ein ähnliches Produkt anbieten (z.B, Fastfood). Indirekte Mitbewerber sind jene aus anderen Branchen, die andere Produkte mit gleichem oder ähnlichen Wert für die Kunden anbieten (z.B. Unterhaltung – du erinnerst dich an dieses Beispiel).
Meine Argumentation gelingt mir deshalb, weil ich mir die Geschäftsmodelle meiner Mitbewerber angesehen, sie mit dem Business-Model-Canvas analysiert habe und nun ahnen kann, wie sie ihre (und daher auch meine potentiellen) Kunden von ihrem Angebot informieren, wie sie ihnen beim Beurteilen helfen, zum Kauf anbieten, liefern und wie sie die Käufer nachbetreuen (die Kanäle). Ich kann es als Kunde erleben oder beobachten.
Schritt 3 »Kurs setzen« heißt demnach, dass ich durch diese Kenntnisse so argumentiere, dass meine Zielkunden mich, mein Produkt (den Gegenstand, Prozess oder die Dienstleistung) als beste Lösung für ihr Problem erkennen. Mein Produkt ist aus Sicht der Kunden am vielversprechendsten für den von ihnen gewünschten Wert.
Zwischen diesen »Inseln, Untiefen und anderen Schiffen« muss ich mit meinem Schiff (meinem Unternehmen) durchmanövrieren. Der Kurs ist meine Strategie und den lege ich fest, indem ich meine Zielgruppe, die erreichen will, klar definiere und weiß, was meine Kunden wünschen (das Produkt) und warum sie es wünschen (der Wert, den sie für sich erwarten). Indem ich überprüfe, ob ich diesen Wert mit dem, was ich kann (meine Aktivitäten) und mit meinen Ressourcen liefern, und also auch versprechen kann. Ich prüfe, ob ich das auch anbieten will(!)?
Passen Selbstdefinition (Identity) meiner Kunden und mein Unternehmeszweck (Purpose) zusammen? Habe ich eine Einzigartikeit anzubieten, die den Zielen meiner gewünschten Kunden helfen? Sind meine Werte und die Gebräuche meiner Zielgruppe miteinander kompatibel? Wie gut gelingt es meinen Mitbewerbern diese »Brand-Commitment-Matrix« zu erfüllen? Wie erreichen sie ihre Kunden, wie könnte es mir besser gelingen?
Ich definiere die von mir gewünschte Beziehung zu meinen Kunden und leite die dafür notwendigen Maßnahmen in meiner Organisation ab: welche Art der Kommunikation, welche Kanäle sind entscheidend für mich?
Mitunter bin ich für das Wertversprechen auf Schlüssellieferanten angewiesen. Schlüssellieferanten sind jene (das drückt der Begriff »Schlüssel-« aus), ohne die ich mein Produkt nicht fertigstellen kann. Eine »Untiefe im Wirtschaftsmeer« könnte ja auch sein, dass mehrere meiner Mitbewerber nicht nur meine Kunde umwerben, sondern auch genau denselben Lieferanten brauchen. Auch das bestimmt den Kurs, den ich einschlagen kann.
Kritische Felder am Business-Model-Canvas markiere ich entsprechend, z.B. indem ich sie einfärbe (nach einem Ampel-System oder mehrstufiger). So erkenne ich alle meine Engpässe und kann den kritischsten benennen.
All diese Informationen lassen mich nun kurz- und mittelfristige Ziele ableiten, die mich, meine Organisation in die gewünschte Richtung segeln lassen.
Im Idealfall suche ich mir einen Kurs aus, der auf einer Strömung liegt. Strömungen sind in dieser Metapher vorherrschende Trends. Ich nutze diese Trends nicht blindlings, nur weil sie vorliegen; Trends, die mich in eine andere Richtung treiben würden, meide ich – die würden mich nur im Erreichen meines Blauen Ozeans aufhalten. Ich nutze freilich nur jene Trends, die meiner Richtung entsprechen, die meinem Geschäftszweck dienen. Die beschleunigen mich, auf diesen, nur auf diese soll ich aufgreifen und in meiner Kommunikation nutzen.
Am Ende des dreistufigen Vorgangs (Position bestimmen, Umfeld erkennen, Kurs setzen) habe ich Klarheit und Orientierung gewonnen. Jetzt, wo mein Geschäftsmodell vor mir sichtbar ist (im Kopf hatte ich es ja die ganze Zeit), kann ich viel leichter Potentiale erkennen. Ich sehe klarer, wer meine Zielgruppe ist, kann sie direkter adressieren, weiß auch worauf sie Wert legen und kann durch neue Werte (und Wertversprechen) auch neue Zielgruppen entdecken, an die ich noch gar nicht gedacht hatte. Jetzt kann ich über Innovation nachdenken, die Erneuerung meiner Wertversprechen. Es kann intensiver oder besser oder erweitert werden. Vielleicht erkenne ich neue Werte, die den alten vorgezogen würden, wüsste man davon.
Das nun eingefärbte Business-Model-Canvas zeigt mir, wo Engpässe bestehen, welche besonders »eng« sind und also als erstes gelöst werden müssten und welche danach. Strategische Entscheidungen fallen nun deutlich leichter, Innovation anzutreiben sowieso.
Innovation heißt aber nicht nur neue Produkte, nicht immer, es kann auch eine Erneuerung in der Kundenansprache sein, in der Argumentation des Wertes, bei den Kanälen, im Service. Weil ich mein Geschäftsmodell und auch jene der wichtigsten Mitbewerber parat habe, kann ich Chance erkennen und Gelegenheiten für Weiterentwicklung aufdecken.
PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
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