Dieser Tage könnte es sein, dass so mancher Designer (Design-Unternehmer) das Gefühl hat, dass die Nachfrage nach Design sinkt und sich fragt, wünscht man weniger Design? Ist das so, oder steigt zwar die Nachfrage nach Design, aber das Design-Angebot steigt ungleich mehr?
Wen würde es wundern, jährlich werden in Österreich 1.300 bis 1.400 Designer ausgebildet, in Deutschland sechs bis acht mal so viel. In Europa gibt es nach jüngsten Schätzungen 2,5 Millionen Designer, davon 1 Million allein in Großbritanien. In Irland sind 1 % der Bevölkerung Designer.
Oder es verändert sich das Designumfeld, die Designlandschaft, der Fokus des Design, die Aufgabe des Designers? Das ist meine Einschätzung.
Vielleicht trifft alles irgendwie zu und hat Effekte auf die aktuelle Lage, entscheidend scheint mir dennoch die Veränderung der Aufgabe des Designs zu sein. Weg vom bloßen »Formgeben« des vorigen Jahrhunderts (zwar mit Hausverstand, aber es ging um die gute Form, um das Schöne vs. das Häßliche, siehe Raymond Loewy), weg vom »fuktionalen Gestalten« (»Form follows Function« und Bauhaus), kein Bedarf mehr am »semantischen Design«, und auch »formale Innovation« dürfte sich verbraucht haben.
Es sind Apps, Webservices – nicht einmal mehr die Website-Grafik ist zentral –, es sind Prozesse und Services, die interessieren.
Vielleicht sind wir sogar so weit, wie wir es in meinem Studium (vor 30 Jahren schon) immer wieder diskutiert hatten – was meistens das Ende des Gedankenganges war –, »dass es jetzt (1990) darum ginge Systeme zu gestalten, die Organisationen, die Gesellschaft, die Politik.« Sind wir heute (2020) nahe dieser Spitze der Bedürfnispyramide (in unserem Teil der Welt) angelangt? Geht es den meisten Menschen nun um Selbstverwirklichung?
Zahlreiche Bücher über Selbstverwirklichung, Aufrufe, das zu tun, was man wirklich will, der immer lauter werdende Ruf nach dem bedingungslosen Grundeinkommen, all das könnte man auch als Hinweise auf die höchste Stufe interpretieren. Die Digitalisierung und die damit einhergehende Automatisierung scheint das zu begünstigen. Würde man darüberhinaus die natürliche Schrumpfung unserer Bevölkerung zulassen (die Fertilität sinkt ja), dann bliebe genug (»höhere«) Arbeit übrig und man könnte sich diese freie Gesellschaft leisten (und vielleicht auch alle Pensionen finanzieren). Aber ich schweife ab.
Nein, der Bedarf ist größer denn je! Unternehmen und andere Organisationen erkennen immer öfters, dass Design unabdingbar ist. Der Bedarf ist so groß, dass immer mehr Unternehmen (richtigerweise) damit beginnen diese Funktion in ihre Strukturen zu integrieren. Ein Parallele zu den Cossisten des 15./16. Jahrhunderts und Adam Riese, der den Leuten das Rechnen beibrachte, sodass man diese »Rechenleistung« im Betrieb integrieren konnte und keine externen »Berechner« (eben die Cossisten) mehr brauchte (siehe Taschner 2013, S.27). Der Bedarf am Rechnen ist damals so sehr gestiegen, dass es sich lohnte es selbst zu lernen (oder es nahe Personen lernen zu lassen). An das denke ich, wenn ich mir den Designmarkt und seine Veränderung ansehe.
Freilich kann es sein, dass große Designunternehmen wie Ideo, Designit, smartdesign, etc. strategische Kooperationen proaktiv angehen (wie sie es nach aussen kommunizieren); es kann aber auch sein, dass der wirtschaftliche Druck solche »strategische Veränderung« erzwingt. Es könnte sein, dass es das letzte Aufbäumen eines externen Spezialistentums ist, kurz bevor es in den designnachfragenden Organisationen (und das sind so gut wie alle) aufgeht. Die großen Unternehmensberatungsfirmen jedenfalls rüsten sich bereits für diese Zukunft und kaufen ein Designbüro nach dem anderen (Fjord Design an Accenture, Lunar Design an McKinsey, etc.).
Das ist eine schlechte, aber auch gute Nachricht. Schlecht daran ist, dass das Konzept der externen Designstudios offenbar ein Ablaufdatum hat. Gut an dieser Entwicklung ist, dass es eine dramatisch steigende Nachfrage nach Design-Experten erwarten lässt.
Die Nachfrage steigt in zweierlei Hinsicht. Einmal muss man die interne Kapazität aufbauen. Man braucht neue Mitarbeiter für diese neuen, jetzt internen Funktionen: Designer unterschiedlichster Design-Disziplinen und auch Design-Generalisten, dazu ein paar Design-Manager und Design-Thinking-Experten für die konkrete Arbeit.
Zum anderen muss eine Organisation neue Strukturen entwickeln, in denen eine Designabteilung funktionieren kann; sie braucht also externe Berater (Designer), die wissen, wie man designfreundliche Strukturen aufbaut. Designfreundliche Strukturen sind solche, die eine Organisation und ihre Mitarbeiter in die Lage versetzen, von den neu vorhandenen, internen Funktionen – diese neuen Angebote des Designs – auch Gebrauch zu machen. Wenn man nie (oder so gut wie nie) Designfunktionen genutzt hat, weiß man nicht, wie man diese Designfunktionen mit dem gewohnte Arbeitsablauf integrieren und diesen dadurch verändern soll.
Diese Veränderung in der Organisation wird auch etwas Irritation bei den bestehenden Mitarbeitern hervorrufen, die ebenso nach Designexpertise (Design-Thinking, Design-Management) verlangt, die intern bereitgestellt oder extern hinzugezogen werden muss.
Das ganze ist sogar etwas kniffliger, denn die neue interne Designleistung soll gar nicht durch eine explizite Designabteilung erbracht werden, sondern durch ein Design-Netzwerk, dass die gesamte Organisation durchzieht – eine Art »Design-Myzel«. Design ist nämlich eine Querschnittsdisziplin und muss zentral dezentralisiert funktionieren.
Philips hat das im abgelaufenen Jahrzehnt berichtenswert vorgeführt. Design-Studios sind weltweit verteilt und bieten ihre Leistungen dezentral an, werden aber vom CDO (vom Chief Design Officer) zentral in Abstimmung mit den anderen Kernfunktionen koordiniert.
So ein Design-Myzel entwickelt dann zur richtigen Zeit am richtigen Ort einen »Design-Pilz«. Das heißt, in einer ideal-designfreundlichen Struktur wird die Designleistung genau dann wirksam, wenn sie gebraucht wird, ohne dass der Nachfrager das aktivieren muss. Es passiert einfach. Wenn die »Luftfeuchtigkeit« und das Umfeld passen, ist der Pilz da und gedeiht prächtig. Ein Fiskars-Designmanager drückte es einst so aus: »Sind die Designer erst ständig verfügbar, entdeckt man, wie viel es im Unternehmen zu gestalten gibt.« (designreport 4/2014, S.19).
Ich stelle fest, am Ende meines Gedankenganges: keine Sorge um die Zukunft des Design, man wird uns in Hülle und Fülle nachfragen. Aber in anderer Form, für andere Aktivitäten. Offenbar sind die Designer tatsächlich die »McKinseys und Accentures« der Zukunft.
Wer den Gedankenaustausch dazu sucht, dem biete ich gern ein Erstgespräch an – hier klicken und einfach Termin aussuchen.