Eine Serie über die Designleiter.
In diesem Artikel gebe ich einen Überblick über die Stufen der Designleiter, in den folgenden dieser Serie werde ich auf jede einzelne Stufe im Detail eingehen.
Es gibt eine Menge Artikel über die Designleiter und es gibt eine Vielzahl von Ausformungen dieser »Designleiter«. Eine Wurzel all dieser Überlegungen ist die Arbeit von SVID, der Schwedischen Stiftung für Industrial Design.
Aber was ist die Designleiter, warum ist es wichtig sich als Organisation (als Unternehmer) damit zu beschäftigen, welcher Vorteil entsteht durch die Selbsteinschätzung seiner Position auf dieser Designleiter und was hat es mit all diesen unterschiedlichen Varianten (die es dann doch nicht sind) auf sich?
Das zu klären und zu erklären ist meine Absicht in dieser Serie. Ich will keine Definition anbieten, sondern eine einfache Möglichkeit der Selbsteinschätzung, klare Kriterien mit denen ich erkennen kann, wo ich als Unternehmer stehe, mit Hinweisen, wie ich eine Stufe höher klettern kann – und warum ich das überhaupt soll.
Das Modell der Designleiter klingt zunächst plausibel und scheint – schnell überflogen – einfach anwendbar. Doch ist es ein kniffliges Modell, betrachtet man es im Detail. Gelegentlich macht es auch Fachwissende etwas ratlos: Was ist denn nun genau mit »Prozess« oder »Strategie« gemeint, warum lesen wir da auch etwas von »Innovation« und dort von »systematischer Nutzung« von Design (auf Stufe 1)?
Wozu brauchen wir dieses Modell, was habe ich als Unternehmer davon und wer sagt und warum ist Stufe 4 besser als Stufe 1? Ist das so? Ist es immer so?
Irgendwie ja, es wird impliziert, denn Null-Design kann kein Vorteil gegenüber Design als Styling sein.
Ist es vorstellbar, dass ein Unternehmen einer bestimmten Kategorie schon mit Stufe 2 oder 3 ausreichend gut bedient ist? Wenn Stufe 1 nur bedeutet, dass Design nicht systematisch* angewandt wird, dann müsste es eine Stufe 0 geben, auf der wirklich absolut kein Design praktiziert wird.
* Das sagt z.B. die Dänische Ausprägung – in manchen Publikationen.
Gibt es diesen Fall überhaupt? Kein Design, also keinerlei bewusste Gestaltung von etwas? Das erscheint mir im Moment undenkbar, denn so viel designt jeder, dass er sich überlegt, wie etwas sein muss, damit ein Ergebnis in gewünschter Weise eintritt.
Woher wissen wir, dass »Design als Strategie« besser ist als »Design als Prozess«? Ist es das? Und wenn ja, für wen? Wie zeigt es sich?
Das will ich in dieser Serie untersuchen. Dieser Wille nährte sich während meiner Arbeit am Design-Index für die Creative Industies Styria. Der Design-Index CDX besagt, dass Organisationen mit höherem CDX erfolgreicher sind; Wirtschaftseinheiten wirtschaftlich erfolgreicher, soziale Einheiten sind sozial erfolgreicher, etc. Es besteht eine Korrelation wonach Firmen auf höherer Stufe auf der Designleiter wirtschaftlich erfolgreicher und auch robuster sind.
Der CDX ist ein »persönlicher«, kein universeller Wert. Er setzt sich aus mehrere Faktoren zusammen, aus einem CDXa (der äußeren Wahrnehmbarkeit der Designaktivität) und einem CDXi (nur durch direkte Befragung erfahrbare Details zur Designhaltung einer Organisation, kann also nur intern beantwortet werden). Ein Teil des CDXi ist die Selbsteinschätzung (oder eine objektiv feststellbare) Position auf der Designleiter. Aber wie macht man das, wenn man sich nicht berufsmäßig mit Design – und spezifischer, mit Designtheorie und ihrer Anwendung – auseinandersetzt? Es braucht eine nachvollziehbare und einfach anwendbare Erklärung, ein fundamentales Verständnis. Organisationen sollen damit sich selbst und ihre Entwicklung bewerten. Auch auf der Designleiter.
Man sagt, die Designleiter sei wichtig, nützlich, also muss sie auch einfach erklärbar sein. Auf eine Weise, dass ich als Unternehmer (oder als Leiter einer anderen Organisationsform, eines Vereins, eines Amtes, eines Ministeriums [ja, auch die könnten und sollten Design nutzen, es wäre ein Traum]) ohne langem Studium Nutzen aus dieser Theorie ziehen kann.
Meine Serie mündet in der Design-Stiege, einem Modell des Design-Thinking-Tanks, das ich in meiner Zeit bei GP designpartners entwickelt habe. Es sind sechs Stufen und am Ende dieser Serie werde ich konkrete Hinweise geben, wie man sie »hinaufgeht« und darüberhinaus auch ein Werkzeug vorstellen, mit dem jene Person, die in der Organisation die Designmanagement-Funktion ausübt, diesen Fortschritt auch steuern kann. (Wenn du mehr darüber wissen willst, so schreibe mir.)
Die Designleiter ist ein Modell, mit dem man den Grad der Nutzung von Designfunktionen in einer Organisation beschreiben kann. Man nannte es auch »die Designreife eines Unternehmens.«
Im Buch »Appetitanreger für Designmanagement« habe ich im Abschnitt »Die Designleiter als Lackmustest für die Organisation« die vier Stufen des schwedischen Modells angerissen. Sie lauten:
Diese Überschriften geben zwar einen groben Eindruck, aber eben nur grob. Wenn jemand kein Design verwendet, ist die Selbsteinschätzung leicht möglich, bei »als Styling« beginnen Gesprächspartner etwas zu stutzen – so meine Erfahrungen – und bei »als Prozess« oder »als Strategie« ist man häufig ratlos. Freilich will man sich im Allgemeinen eher höher einordnen, aber man will es auch »richtig« machen. Also braucht es Detailbeschreibungen. Und die sind in den Studien eher vage formuliert – zumindest aus Sicht des Praktikers.
Hier ein Überblick über die vier Stufen, die Artikelserie wird jede Stufe im Detail behandeln.
1. Kein Design erscheint zunächst klar. Ein Unternehmen nutzt keine Designfunktionen, die Produkte, die Gegenstände, Prozesse und Dienstleistungen, sind nicht gestaltet. Nicht gestaltet heißt, nicht bewusst beeinflusst, nicht hübsch, nicht aus Perspektive des Kunden gedacht. Oder könnte sie es doch sein? Nur eben ohne einen Designer? Wir werden das im nächsten Artikel diskutieren.
2. Design als Styling bedeutet schnell dahingesagt, dass die Entwicklung, z.B. eines Gegenstands, zuerst abgeschlossen ist und dieser Gegenstand danach gefällig »umkleidet« werden soll. Man weiß, wie eine Armatur, ein Wärmetauscher, ein Blutzuckermessgerät technisch realisiert werden kann (und muss), nun soll ein Designer die Technik so »verpacken«, dass das Produkt vielen Menschen gefällt, damit sie es kaufen. Der Gestaltungsfreiraum des Produktdesigners ist eingeschränkt, Schalter, Tasten, Stecker sind bereits fixiert, ob aus Benutzersicht sinnfällig oder nicht, kann nicht mehr berücksichtigt werden. Es geht um reine Ästhetik. Doch die ist gar nicht mehr ideal zu realisieren, weil ja mitunter die bereits fixierte Technik bestimmte Formideen verunmöglicht, z.B. dass ein Stecker und ein Taster aneinander ausgerichtet und zentriert sind. In den 1980ern und 90ern war das häufig der Fall.
Wie »Styling« bei anderen Produkten als Gegenständen, bei Prozessen oder Dienstleistungen aussieht, das verschweigen diese Studien ganz. Wie kann ein Wirt auf Position »Design als Styling« stehen? Vielleicht weil er bloß sein Wirtshausschild designt hat. Von wem, von der Brauerei, die es bezahlt, oder vom Hausgrafiker? Wir erörtern das im dritten Artikel.
3. Design als Prozess angewandt, würde dieses oben beschriebene Manko bei der »Verpackung von Technik« zu beheben erlauben. Designer wären in den Prozess der Entwicklung eingebunden, frühzeitig eingebunden. Im Idealfall schon bei der Projektdefinition. So können sie die »Verpackung« optimieren, indem z.B. Taster an aus Benutzersicht und nicht Technikersicht passenden Stellen positioniert sind – bei einem Drucker wäre dann der Ein-Aus-Schalter vorne (angenehmer für den Konsumenten) und nicht hinten (angenehmer für das Netzteil, die Elektronik-Platine, die Fertigung).
Auch diese Stufe will ich feiner differenzieren, sie auch für die anderen Erscheinungsformen von Produkten, für Prozesse und Dienstleistungen, greifbar machen.
4. Design als Strategie erscheint als Königsdisziplin, es hat die höchste Nummer, ist die oberste Stufe, und muss daher das angestrebte Ziel sein. Es bedeutet im Wesentlichen, dass Designer (genauer Designfunktionen) in die Unternehmensstrategie eingebunden ist, dass Designende (Menschen mit dieser Gesinnung) mitwirken, wenn es um strategische Überlegungen geht. Das ist beim Produktsortiment leicht nachvollziehbar, beim Vertrieb vielleicht auch noch, beim Geschäftsmodell oder der Unternehmensentwicklung aber häufig schwieriger zu verstehen und mühsamer zu argumentieren. Darüber werde ich im fünften Artikel ausführlich berichten, denn tatsächlich kann das entscheidend sein für den Unternehmenserfolg. Dafür bedarf es entsprechender Design-Gesinnung, wie ich es im sechsten Satz der »6 Sätze über Design« beschrieben habe. Auch beim Management.
Seit Jahrzehnten predigen (vor allem Designer), dass die Nutzung von Designfunktionen (also das Designen von z.B. Gegenständen) dem Unternehmen Vorteile bringt, weil ihre Sichtbarkeit und Wiedererkennbarkeit steigt (Logo, Corporate Design), weil die hergestellten Produkte, die Gegenstände hübscher aussehen (Produktdesign), weil bestimmte Prozesse aus Kundensicht angenehmer ablaufen (Servicedesign), weil Kunden (und Mitarbeiter, Lieferanten) sich besser auskennen und einfacher den Weg finden (Informationsdesign), etc.
Am Anfang meiner Karriere, in den 1980ern, war es noch immer notwendig auf diese Wirkung von Design zu verweisen. AEG, Braun, Olivetti waren zwar bekannte Beispiele, aber Design-Bewusstsein unter der Unternehmerschaft gab es hierzulande noch wenig. Das ist heute anders. Unternehmer wissen, dass sie ohne jeglichen Designs gar nicht beginnen müssen. Selbst Ein-Personen-Unternehmen und Kleingewerbetreibende sind sich (mehrheitlich) dieser Tatsache bewusst (vielleicht doch nicht alle). In den 2000ern haben auch politische Institutionen die Bedeutung erkannt und ist der Begriff erstarkt. Ob es ein Vorteil ist, dass die EU-Kommission »Design« in einem White oder Green Paper zig mal erwähnt, weiß ich nicht. Jedenfalls war eine Stimmung spürbar, dass Design von der Wirtschaft zu nutzen ist, die Frage war nun, wie?
Die oben erwähnte Swedish Industrial Design Foundation führte daher (wie auch andere nationale Designfördereinrichtungen) eine Umfrage durch, wie Unternehmen Design nutzen und erstellte damals diese »Design Ladder«.
Auch die österreichische staatliche Fördereinrichtung wollte einen Beitrag dazu leisten und veröffentlichte zwei Jahre später die österreichische Version.
Die Publikation ist nicht mehr bei departure erhältlich, diese Förderstelle ist in der Wirtschaftsagentur Wien aufgegangen. Ich habe aber für Interessenten die Dokumente sichern können und die schriftliche Erlaubnis bekommen, diese zum Download speichern zu dürfen (immerhin war es unser Steuergeld, mit dem diese Publikation erstellt wurde). Wer die Dokumenten wünscht, kann sie hier herunterladen.
Ergebnis der Studien (aus Schweden und Österreich) war, dass Firmen, die höhere Stufen erreicht haben, bessere Unternehmenskennzahlen aufwiesen.
Es macht also auch für mäßig am Design Interessierte Sinn sich mit dieser Klassifizierung zu beschäftigen, sich einzuschätzen, seine Position zu bestimmen und herauszufinden, was zu tun ist, um eine höhere Stufe zu erreichen und welchen Effekt das hätte.
Aus dem gleichen Grund aus dem ich als Mensch meine Blutwerte kennen will, als Unternehmer meinen Umsatz, meine Kosten und meinen Gewinn, etc. Ich will gesund sein und gesünder werden – gesünder meint, robuster, weniger bis gar nicht anfällig auf das, was da auf uns zukommt, als Mensch und auch als Wirtschaftseinheit.
Die Designleiter – und zukünftig auch der CDX – ist ein Parameter, der mir Unternehmer als Barometer dient, oder besser noch als Barograph (der die Veränderung protokolliert), dient. Ich kann damit mein Wirtschaftswetter, meine Anfälligkeit einschätzen und ggf. gegensteuern. (Den Regenschirm mitnehmen.)
Die Studien, die diesen Modellen der Designleiter zugrunde lagen, bestätigten im Wesentlichen, dass bei Unternehmen auf höheren Stufen, Design größere strategische Bedeutung in der Organisation hat. Dann stellte man eine Korrelation fest, zwischen wirtschaftlichem Erfolg und dieser strategischen Nutzung. Es war und ist klar erkennbar, der wirtschaftliche Erfolg steigt mit der Nutzung von Design. Der vierte Satz »Designen ist Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen Erfolg.« der »6 Sätze über Design« beschäftigt sich genau damit.
In den Folgeartikeln erläutere ich jeweils eine Stufe im Detail, vergleiche mit den Designleitern der anderen Organisationen, prüfe die Feinheiten und Unterschiede und werde die Bedeutung der Worte abschätzen und erklären; damit einen Rahmen geben, wie man die Kriterien in seiner eigenen Praxis anwenden kann; und erläutern wie damit auch der Gebrauch von Designmanagement vereinfacht wird.
Also published on Medium.