Die Schifffahrt, das Theater, das Kino, die Wurstsemmel, der Einkauf im Supermarkt, das Sofa, den Fernseher, das Auto, das Studio (das Büro, die Wohnung), ..., all das wird im Voraus bezahlt. Selbst die Steuern bezahlt man der Regierung im Voraus.
Gut, das Taxi bezahlen wir nach der Fahrt, aber den Uber irgendwie auch vor der Fahrt; da ist fixiert, was und dass bezahlt wird. Im Restaurant bezahlen wir danach, weil die darauf hoffen, dass es mehr wird, dass mit der gewürzten Speise, der Durst größer wird, mit der steigenden Stimmung, der Gusto auf die Nachspeise kommt, etc. Aber wenn wir es uns genau ansehen, dann sind die meisten Leistungen, die wir konsumieren, im Voraus bezahlt.
Und es macht auch Sinn. Ist die Leistung bezahlt, so verlangt es der Berufsethos, die Ehre, dass ich liefere; und zwar in einem Maß, das zufriedenstellt. Das mich zufriedenstellt. Und ich bin zufrieden, wenn es mein Kunde ist und manchmal verlange ich sogar noch mehr von mir. Den Druck baue ich mir selbst auf, der kommt nicht von außen. Das ist Eustress – ich will es gut machen, weil ich es mir schuldig bin, weil ich Freude daran habe, weil jemand (mein Kunde) daran glaubt.
Bezahlt man erst nach der Lieferung, dann kommt der Druck von außen. Das dämpft die Selbstmotivation, denn nun ist es nicht die Begeisterung der Arbeit, nicht die Freude, etwas Großartiges liefern zu dürfen, sondern die potentielle Angst, nicht zu entsprechen, nicht geschätzt und vielleicht sogar doch nicht bezahlt zu werden. Das will ich nicht.
Zugegeben, dass ich nicht bezahlt werde, ist theoretisch, denn der Auftraggeber will meine Leistung haben und hat mich ja bewusst ausgesucht. Aber ohne Vorauszahlung ist das Commitment geringer, man kann (wenn auch mit Streit) raus aus der Sache.
Warum kann man sicher sein, dass ich bestens liefere? Weil ich ja weiterhin beauftragt werden will. Also werde ich mich bestens anstrengen, dass mein Kunden nicht den Eindruck hat, zu vertrauensselig gewesen zu sein.
Ich grüble, ich mache mir Gedanken, warum noch nicht bezahlt wurde, ob überhaupt bezahlt wird oder werden kann. Natürlich kann man bezahlen, das Unternehmen ist liquide, aber wieso bezahlt man nicht zügig. Vielleicht ist meine Arbeit doch nicht so wertgeschätzt, vielleicht nimmt man es einfach hin? Nein, ohne Design keine Innovation, kein Produkterfolg. Design ist der Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen Erfolg. Na also, dann sollte es für einen guten Unternehmer kein Thema sein.
Die Bezahlung ist Ausdruck der Wertschätzung, ein Beweis des Willens, des Interesses. Dieses Zeichen spornt enorm an. Und es lohnt sich.
— Eine Ergänzung, ein Nachtrag —
Man bezahlt das Honorar im voraus, wie die meisten anderen Produkte auch, weil man sich die Bereitschaft sichern will. Wünscht man schnelle Reaktion und keine Kleinkrämerei, dann ist man großzügig und gibt einen Vertrauensvorschuss. Der Designer muss seine Zeit für eine Sache blockieren, sich mit einer Sache auseinandersetzen. Wenn diese Zeit nicht bereits vorab gekauft wurde, dann kann man sie für ein anderes Projekt verwenden. Der Anreiz sich mit Anderem zu beschäftigen steigt insbesondere dann, wenn diese andere Sache sofort bezahlt wurde. Wer schnell bedient werden will, der muss auch schnell bezahlen. Dazu passt der alte Spruch (ich kenne ihn seit den 1980ern), wer viel bezahlt, kann viel mitreden, wer wenig bezahlt, weniger, wer nichts bezahlt, »can stand and watch«.
Aber in Wahrheit verkaufen wir keine Zeit, sondern jemand sichert sich – mit dem voraus bezahlten Honorar – den Wert, den der Designer einem liefert. Designarbeit ist zeitaufwandsunabhängig. Sie hat einen Wert für die Organisation. Wieviel ist ein besser benutzbares User-Interface wert? Wieviel ist ein ästhetisch ansprechendes Erscheinungsbild wert, wieviel mehr Vertrauen kann man damit erringen und wie bewertet man es? Das ist der Betrag, den wir uns im Voraus ausmachen. Dieser Betrag deckt die gegebene Lebenszeit, die frustrierenden Momente (wenn die Ideen partout nicht kommen wollen) des schöpferisch tätigen Menschen, die Entscheidungsqualen (wenn der Ideen zu viel sind) ab.
Der Designer ist mit seinen Ideen großzügig. Er kann sie nicht, wie der Buchhalter, minütlich abrechnen, unmöglich, und diese Großzügigkeit muss sich beim Auftraggeber widerspiegeln. Das ist notwendig, wenn die Zusammenarbeit langfristig und besonders fruchtbar sein soll. Beginnt einer mit dem Erbsenzählen, ist es bald vorbei mit der Kreativität. Der Fokus verlagert sich vom genialen Ergebnis zur korrekten Abrechnung. Das will ich nicht, das interessiert mich nicht.
Ich arbeite, weil ich die Arbeit machen will. Weil damit eine Veränderung gelingt – eine Verbesserung. »Designen verbessert das Leben der Menschen« heisst der dritte Satz der »6 Sätze über Design«. Dieses Engagement wird flankiert durch die wertschätzende Geste des Honorars und freilich der Realisierung des Entwurfs. Der detailgetreuen Realisierung (auch das ist Teil des Honorars). Die Zeit ist Nebensache.
PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
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