Ich erwähne es häufig: Das Business-Model-Canvas (BMC) ist nicht der sprichwörtliche Hammer, mit dem plötzlich alle Probleme Nägel sind (was ja nicht der Fall ist), sondern es ist ein Schweizer Taschenmesser, mit dem viele Probleme angegangen werden können. Es ist ein Zentralgestirn, um das sich die unterschiedlichsten Management-Werkzeuge (die manchmal auch als Design-Thinking-Tools gedeutet werden) und Management-Theorien versammeln. Eine dieser Theorien, die ich als ideal andockbar halte, stammt aus der Entrepreneurship-Forschung: Effectuation.
Saras Sarasvathy haben wir es zu verdanken, klare Hinweise bekommen zu haben, mit welchen Prinzipien wir den Serial-Entrepreneurs wie Richard Branson, Jeff Bezos und Elon Musk folgen können.
Bei Marcus Ambrosch bedanken wir uns für seine Pionierarbeit. Er zählt zu den wichtigsten Effectuation-Vertretern in Österreich, denn schließlich hat er mit seinem Buch »Unternehmergeist denkt anders!« den ersten Text dazu im deutschsprachigen Raum veröffentlicht, der noch heute viel beachtet ist. Außerdem – ich bedanke mich explizit dafür – hat er damit auch mir diese Prinzipien des Effectuation beigebracht. Es sind fünf.
Jeder Unternehmer und klarerweise jedes Startup muss sich mit diesen fünf Prinzipien auseinandersetzen. Jede, die überlegt ob sie eine Investition wagen soll, ist gut beraten diese fünf Prinzipien zu studieren und anzuwenden. (Wie geschrieben, das Buch von Marcus Ambrosch bietet einen guten Einstieg in diese Materie.)
Schnell erkennt man beim Studieren der fünf Prinzipien, wie sich Effectuation harmonisch mit dem Business-Model-Canvas verknüpft. Fast könnte man meinen, Effectuation beschreibt die Backstage (diesen meist stiefmütterlich behandelte Bereich des BMC, weil man sich lieber mit dem Marketing beschäftigt).
Diese fünf Prinzipien, die sich so hervorragend mit BMC vereinen, lauten:
Das Prinzip der Mittelorientierung fragt uns, was wir sind, wissen und wen wir kennen. In gewisser Weise finden wir Hinweise darauf in den Schlüsselressourcen (auch Wissen ist eine Ressource) und den Schlüsselaktivitäten, denn um etwas tun zu können, müssen wir es kennen und beherrschen. Wen wir kennen (und wer uns hilft), haben wir meist im Feld Schlüsselpartner notiert.
Das Prinzip des leistbaren Verlust ist selbstsprechend. Der Effectuator studiert die Kostenstruktur und sondiert mögliche Einkommensströme. Schließlich entscheidet sie sich für jene Ressourcen und Aktivitäten, die sich mit den möglichen Einkommensströmen bedienen lassen. Für Effectuatoren steht nicht der erwartete Ertrag im Zentrum, sondern die Risikominimierung bei gleichzeitiger Erfolgssteigerung. Ein Effectuator nutzt die Einkommen, um Hebel zur Produktivitätssteigerung zu aktivieren. Jeff Bezos machte das mit Amazon zur Jahrtausendwende vor und nutzte dabei den Schwungradeffekt (Original »Turning the Flywheel«) von Jim Collins (wir kommen darauf in einer der nächsten Folgen in dieser Serie).
Mit seiner Orientierung am leistbaren Verlust (so erklärt uns Marcus Ambrosch) macht der Effectuator sein Risiko überschaubar und emanzipiert sich von (in Wahrheit nicht möglichen) Vorhersagen. Unter unsichere Bedingungen lassen sich so Entscheidungen deutlich besser treffen (Pierre Omydiar gründete eBay als Hobby, also mit geringsten Kosten).
Wir erkennen darin, dass Entrepreneure in aller Regel risikoscheu und kostenbewusst sind. Damit sie die dadurch entstehende Flexibilität auch aufrecht erhalten und ihr Unternehmen zum Wachsen bringen, brauchen sie einen Überblick über die Zusammenhänge, die Wechselwirkungen der einzelnen Teile des Geschäftsmodells. Sie brauchen – richtig geraten – das Business-Model-Canvas, denn ihr Netzwerk verändert sich, die Märkte sowieso, das verfügbare Angebot, die Nachfrage; all das erfordert laufende Bewertung, denn damit verändert sich auch der leistbare Verlust. Das BMC verschafft Klarheit und Struktur.
Der erfahrene Entrepreneur schafft es wichtige Stakeholder an seine Idee und sein Projekt zu binden. Anstatt sich mit Wettbewerbsanalysen aufzuhalten – insbesondere wertlos in neuen Märkten – sucht und bildet er strategische Partnerschaften und Allianzen. Im BMC hat er ein eigenes Feld dafür. Um die Kostenstruktur schlank zu halten, sind diese notwendigen Partner eher Teil der Unternehmung (also mit Skin-in-the-game) als dass sie als Lieferanten einen Kostenfaktor schaffen.
Das Prinzip der Zufälle und Überraschungen nutzt das Business-Model-Canvas von Haus aus, denn wir notieren darin immer, was wir anbieten und welchen Nutzen wir damit schaffen. Wir erkennen dadurch schnell, dass wir (sollte das einmal notwendig sein), bestimmten Nutzen mit unseren Schlüsselressourcen und -aktivitäten auch mit anderen Produkten schaffen können. Dieses Prinzip wird auch das »Lemonade Prinzip« genannt, weil wir einfach Limonade produzieren, wenn uns das Leben Zitronen liefert.
Mit dem BMC gelingt es dem Effectuator rasch (und strukturiert) auf neue Umständen zu reagieren. Statt dem starken Superkleber werden aus dem gescheiterten Versuchen die weltberühmten Haftnotizen (ohne die wir heute kaum Design-Thinking machen könnten 😉 ) oder wir reagieren flexibel auf »plötzlich« auftauchende Pandemien oder querstehende Schiffe im Suez-Kanal.
Zufälle und Überraschungen sind für den Effectuator normal und akzeptiert. Felix Austria – so eine Geschichte in Ambrosch’ Buch – überlegte nach dem Ausfall eines Kunden (man produzierte in den 1960ern Babynahrung), was mit dem vorhandenen Knowhow (Schlüsselressource, Schlüsselaktivitäten) alternativ produziert werden könnte und hat mit seinem damals neuen Felix-Sugo seit über 40 Jahren Erfolg: »Glückliches Österreich.«
Mit dem fünften Prinzip, dem Steuern ohne Vorhersage, bestätigt sich der Nutzen des Business-Model-Canvas. Wir wissen (und erleben es laufend), dass wir die Zukunft nicht vorhersehen können. Also brauchen wir eine Möglichkeit, um auf neue Situationen schnell reagieren zu können. Das BMC ist das Dashboard für den Unternehmer, darin kann der Geübte schnell Zusammenhänge erkennen und Handlungsoptionen ableiten. Es stellt damit ein ideals Werkzeug für die Unternehmens-Heuristik dar. Indem ich wissend und planvoll Korrekturen einleiten und Ergebnisse dokumentiere (wofür unter anderen auch das BMC dient) kann ich meine Position laufend optimieren. Das sind die besten Vorhersagen; jene die auch eintreffen.
Das Business-Model-Canvas eröffnet somit auch uns (Nicht-Elon-Muske und Nicht-Jeff-Bezose) spielerisch Dynamik zu gewinnen. Indem wir unser Geschäft mit dem BMC sichtbar machen und regelmäßig analysieren und mit den fünf Prinzipien und dem dynamischen Modell der Effectuation verknüpfen, erkennen wir früher, einfacher, deutlicher unsere Chancen und Korrekturbedarfe. Das BMC als Business-Plan ist eine sich auf die aktuellen Tatsachen optimierende Darstellung des aktuellen Geschäfts – wenn man es regelmäßig nutzt. Der Business Plan verliert damit seine Starre und wir erhalten die (heute dringend) notwendige Flexibilität.
Wann immer Du bereit bist, ... hier sind vier Möglichkeiten wie ich dich unterstützen kann:
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