Es ist wie bei allen Innovationen. Die Serie kam zu früh heraus. Die Menschen sind noch nicht so weit. Dabei ist insbesondere der dritte Satz so essentiell für den Design-Beruf (die anderen auch, aber wohl eher für die Unternehmer).
»Es ist noch immer zu früh,« könnte man sagen, denn diese Serie wird vom Verkaufserfolg der »9 Schritte zum besseren Business Model« um Welten geschlagen. Dabei war es ein (wie mir schien) großer Erfolg und stieß auf großes Interesse bei der München Creative Business Week. Das war voriges Jahr im März. Ich hielt jeden Tag dieser 6-tägigen Veranstaltung das Schlußwort über jeweils einen dieser 6 Sätze. In genau der Reihenfolge, in der ich meine, dass man sie lesen sollte, von 6 nach unten zählend.
Diese innovative Darstellung eines Arbeitsethos für Designer (für mich) ist eine Innovation, die »zu früh« erschien und die nur wenige entdeckten und ihren Wert erkannten. Der erste, der diesem Werk Wert unterstellte und mich darauf aufmerksam machte, dass es sich um einen wichtigen Beitrag, eben um einen Arbeits-Ethos handele, war der Philosoph und Design-Thinking-Tank-Freund Eugen Maria Schulak. Er bekräftigte meine Aussagen und feuerte mich an, das Werk auszuarbeiten. Er beharrte darauf, dass diese Gedanken in die Welt entlassen werden müssten. Also schrieb ich.
Der Autor, den ich derzeit berate, fragte mich dieser Tage wie ich denn so in diese Schreibarbeit gekommen bin und ich erzähle: 2013, das Designgeschäft läuft gut, ich hatte 6 Jahre Vorstandstätigkeit bei designaustria hinter mir, und dachte mir, ich könnte jetzt vielleicht ein wenig mehr das tun, was ich mir davor nicht erlaubte: Philosophie studieren.
Andererseits, so mein Gedankengang, will ich nicht wirklich all die »Mühsal« (oder den Umweg) über jede philosophische Strömung in fünf Jahren Studium durchmachen. Ich interessiere mich für eine Ausschnitt und will dann – ganz meiner Designphilosophie entsprechend – nur jene Philosophen studieren, die für das Verständnis bestimmter Zusammenhänge notwendig erscheinen. Dadurch würde sich deutlich mehr Motivation ergeben, weil man ja immer wüsste, warum man sich gerade mit Aristoteles, Thales oder Heidegger und Kant beschäftigt.
Also beschließe ich Eugen, den ich vom Scholarium gut kannte und der später Mitglied im Design-Thinking-Tank werden sollte, zu fragen, ob er mir im Rahmen seiner Philosophischen Praxis Privatunterricht geben will. Er wollte.
Einer der ersten Frage war, was mich im Speziellen interessiere. Das war einfach: Die österreichische Schule der Nationalökonomie. Diese, auch Wiener Schule genannt, gibt uns viele Hinweise über den Menschen und erscheint mir enorm wichtig und nützlich für unsere Designerarbeit. Insbesondere die Praxeologie von Mises nutze ich immer wieder, wenn es darum geht, richtige (bestmögliche) Designentscheidungen zu treffen. Daran knüpft, so meine laienhafte Sicht, die Verhaltensökonomie an – ebenfalls sehr hilfreich für unsere Arbeit.
Dann fragte Eugen nach meinen wichtigsten Aussagen. Das machte mich ein wenig stutzig, aber schnell war klar, das sind Essenzen, die sich in meinen damals 25 Jahren Designunternehmer-Erfahrung gebildet haben. Das war nicht schwer, denn als Sprecher des Vorstands von designaustria wurde ich immer wieder um Wortspenden gebeten und so verdichteten sich diese Essenzen tatsächlich zu einer Handvoll Sätzen, die ich häufig in unterschiedlicher Formulierung vorbrachte und die auch von den Medien verbreitet wurden.
Ich nannte meine Sätze und wir diskutierten in den folgenden Wochen darüber, verknüpften zwei und brachten sie in eine logische Reihenfolge, formten sie dann sprachlich:
1. Designen ist mehr als bloßes Formgeben, designen haucht dem Produkt Seele ein.
2. Designen verändert eine vorgefundene ungünstige Situation derart, dass sie einem Ideal nahe kommt.
3. Designen verbessert das Leben der Menschen.
4. Designen ist Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen Erfolg.
5. Designen muss zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein.
6. Unternehmer brauchen Design-Gesinnung.
»Jetzt musst du das nur noch definieren,« ergänzte Eugen. Jeder Satz muss erklärt werden, die Begriffe so dargestellt, dass die Menschen auch etwas damit anfangen können. »Das wird ein schöner Essay,« meint er.
Ich begann zu forschen, zu definieren, suchte nach etymologischen Bestätigungen meines Wortgebrauchs usw. und das Konvolut wuchs. 100 Manuskriptseite später sagte Eugen dann nur, das das »in Wahrheit einen Arbeitsethos darstellt, der unbedingt der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden soll. Mach ein Buch daraus.«
Gut, ich mache mich an die Arbeit. Der Plan war 2013 das Buch fertigzustellen, im September könnte es eine Woche konzentrierter Arbeit geben. Das war dann doch nicht so. Ich kürze hier ab, ich kam nicht dazu und als ich mich später wieder einlas, erging es mir wie vielen anderen Autoren auch (wie ich immer wieder lese und höre), man wähnt das Werk als wertlos, schlecht geschrieben, unförmig. Ich begann von Neuem. Also ... fast. Natürlich nutzte ich das Material aus 2013, aber ich begann es anders zu sortieren.
Mit Wittgenstein beschäftigte ich mich auch schon seit meinem Studium in den 1980ern. Er gab mir mit seinen Sprachspielen gutes Material für die Dokumentation von Unternehmenserscheinungsbildern (Corporate Design). Der »Tractatus logico-philosophicus« ist ja auch in aller Munde, weil man schweigen muss, worüber man nicht reden kann (im zweiten Satz werden diese und andere Teile gebraucht). Aber ich gestehe hier, so leicht fällt mir Wittgensteins Lehre nicht. Das Haus, seine Architektur hab ich studiert, auch weil Otl Aicher immer wieder darauf und auf andere Gedanken Wittgensteins Bezug nahm. Aber es ist nicht einfach. Beginnt man den Tractatus zu lesen, da muss man schon recht fit sein (erscheint mir), wenn man da zügig mithalten will, mit dem Wittgensteinschen Gedankengängen.
Genervt blättere ich zum Ende. Lese die Conclusio und dann einen Satz davor, wie er auf das kommt, dann noch einen vorher, und noch einen. Plötzlich wird mir klar, dass der Tractatus »einfacher« wird, wenn man ihn verkehrt liest.
Das inspirierte mich dazu auch die »6 Sätze über Design« verkehrt zu bearbeiten. Ich beschreibe das in allen 6 Bänden im Vorwort.
Und dann eine zweite Erkenntnis: Das Buch, das vorher nur ein Essay hätte sein sollen, in sechs schmale Bändchen geteilt ist leichter zu bearbeiten und schneller zu veröffentlichen. Zudem können sich die Leser jenen Band herauspicken, der sie gerade interessiert und ihnen wichtig erscheint.
Das war eine gute Idee, denn ich stecke ja (durch andere Schreibprojekte) derzeit beim zweiten Satz fest. Der ist fast fertig, muss nur noch redigiert werden – vor allem der Abschnitt über Wittgenstein, wenn der nicht vielleicht sogar entfällt; ich sinniere noch, ob das wirklich relevant für das Verständnis vom Ideal und was die Welt ist ist. Hätte ich keine Einzelbände geplant, läge das Buch insgesamt noch immer auf meinem digitalen Schreibtisch.
So aber sind wesentliche Teile – höchst nützliche! – bereits veröffentlicht.
Es beginnt mit dem sechsten Satz: »Unternehmer brauchen Design-Gesinnung.« Was das ist und wie das gelingt, beschreibe ich darin. Wem das genügt, der kann sofort loslegen und danach handeln. Der Erfolg ist gewiss.
Wer aber eine Begründung dafür will, der liest auch den nächsten, den fünften Satz. Man braucht Design-Gesinnung, weil »Designen muss zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein.«
Und so geht das weiter. Warum zentraler Bestandteil? Weil – Nr. 4 – »Designen Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen Erfolg ist.«
Wieso das so ist, ist klar (Nr. 3): »Designen verbessert das Leben der Menschen.«
Diese Verbesserung gelingt, weil »Designen verändert eine vorgefundene ungünstige Situation derart, dass sie einem Ideal nahekommt.«
Denn, jetzt verstehen wir diese abstrakte Aussage: »Designen ist mehr als bloßes Formgeben, designen haucht dem Produkt Seele ein.«
Nachdem ich diese Geschichte dem Autor, den ich berate, erzählte, erkannte er (so sagte er mir), warum diese »6 Sätze über Design« so wichtig sind. Und er machte mir die mangelnde Anschlußfähigkeit sichtbar: man weiß das nicht, wenn man nur von »6 Sätze über Design« hört.
Also hab ich das jetzt hier erklärt und werde in den nächsten Monaten die Information darüber redesignen. Vermutlich ein neues Cover, die Umstellung auf Großkleinschreibung auch bei den ersten drei Bänden und anstelle des Serienamens, den jeweiligen Satz zum Titel machen.
Bei der München Creative Business Week jedenfalls waren einige der Gäste sehr interessiert, lauschten gespannt meinen Ausführungen und stimmten vielen der darin postulierten Positionen zu. Manche kauften auch sogleich einen der oder gar alle bis dahin erschienenen vier Bände.
Wer noch an diesen Originalausgaben interessiert ist, der sollte jetzt einkaufen, denn mit der Überarbeitung werde ich – ganz den aktuellen Entwicklungen folgend (die aus Sicht der Österreichischen Schule schon seit 10 Jahren überfällig waren) – die Preise erhöhen. In der Sommerzeit, für die Sommerlektüre bleibt alles noch so, wie es ist. Erhältlich sind die Bücher bei Amazon als Taschenbuch oder Kindle und via Gumroad als eBook.
Achja, und wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:
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