Der Designer als Chamäleon

02/12/2016

Kommentar

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Immer wieder die Diskussion, wie gelingt das mit dem Entwerfen für bestimmte Zielgruppen? Ist es tatsächlich so, dass der Designer einfach über eine Definition einer Zielgruppe vom Marketing informiert wird und dann einfach so für diese Zielgruppe entwirft und die Innovation erschafft?

Kann er das überhaupt?

Na freilich kann er das! 🙂

Der Designer (meine Freunde wissen »der Designer« wird von mir als Neutrum, als Berufsbezeichnung verwendet, es ist der Mensch damit gemeint), also der Designer kann das, weil er, so liest man überall, hohe empathische Fähigkeiten hat; der kann einfach so in die »Schuhe des Kunden« schlüpfen.

Ja und Nein. Das ist nur die halbe Wahrheit. Er kann es nicht einfach so. Der gute Designer beschäftigt sich so lange mit einer Zielgruppe, bis er selbst Teil dieser Zielgruppe ist. Durch beobachten, durch Interviews mit Anwendern, mit Betreuern, durch Studieren der Lebensräume verschafft sich der Designer wissen, dass es ihm ermöglicht die Welt der User (Nutzer) nachzuempfinden. Wie ein Chamäleon passt er sich der Zielgruppe an. Gleichsam einer Trance (beim Entwurfsprozess) kippt er in die Welt der Nutzer, wird selbst einer von ihnen und erträumt sich nun das für ihn ideale Produkt — den idealen Gegenstand für eine gewissen Aufgabe, den idealen Prozess, die ideale Dienstleistung, kurz, die Innovation.

Wenn wir uns ehrlich sind, dann entwerfen wir Designer nicht für die anderen, wir entwerfen für uns selbst — aber eben als Mitglied dieser anderen, dieser definierten Zielgruppe. Wir empfinden uns zu einem Gutteil, zu 60, 70, 80 % als ein romantische Gartenbesitzer in seinen sechzigern, als Diabetiker oder als Gehörloser, wenn wir Gegenstände gestalten; wir erleben uns als Ticketbuchender und Auskunftsuchender, wenn wir bessere Interfaces (Benutzeroberflachen, UX) von Software entwerfen; und wir erfahren uns als Gast, wenn wir das Ankommen im Hotel oder als Unwissender und Ratsuchender, wenn wir das Verhalten der Call-Center-Agents entwickeln.

Der Designer ist im Augenblick des Gestaltens, das heisst des Fällens einer Entscheidung für den Nutzer, ein Betroffener. Der gute Designer versinkt in der Rolle des Anwenders (vergleichbar einem guten Schauspieler, der ist dann die Figur). In dieser Situation kann er bestens entwerfen, weil er für sich entwirft, weil er in diesem Augenblick das Gefühl hat, selbst der »Leidtragende« seiner Fehlentscheidungen zu sein. Diese Unzufriedenheit ist das Antrieb etwas neues zu schaffen, diese Unzufriedenheit treibt uns und inspiriert uns zur Innovation. 

Doch jetzt ist es so, dass wir manchmal Produkte erleben, die nicht ganz so sind, wie man sie sich als Nutzer erträumen würde. Die Dinge funktionieren nicht, obwohl sie gut oder interessant aussehen. Das sind dann jene, wo es dem Designer entweder nicht gelungen ist oder wo er lieber einer »künstlerischen Intention« gefolgt ist. Davon zu einem anderen Zeitpunkt mehr: die künstlerische Intention ist eine belehrende. Man will die Gesellschaft auf etwas aufmerksam machen. Das kann unbequem sein, das muss es vielleicht sogar sein. Doch das ist nicht das Design, das ich meine.

Wie gelingt gutes Design? Indem der Designer Teil der Zielgruppe ist und für sich selbst gestaltet. Indem er die Unzufriedenheit eines Status Quo für eine Zielgruppe (zu der er temporär gehört) erlebt, erkennt er das Innovationspotential und Kraft seiner Ausbildung, weiß er diese Unzufriedenheit als Inspiration zu nutzen. Durch seine Herangehensweise entstehen neue Optionen, die in vielen Fällen später als die innovative Lösung bezeichnet wird. Doch letztlich war es »nur« der Drang eine Mangel im Leben der Menschen zu beheben.


PS: Wann immer du über eine Produkt-Innovation nachdenkst, du hast vier Möglichkeiten mit mir in Kontakt zu treten:

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